BSE – wann taumelt der Fisch?

Forscher prüfen, ob infektiöse Prionen auch in die marine Nahrungskette gelangen können

„Deutschland ist BSE-frei!", hieß es noch im Oktober 2000. „Schweinefleisch, Geflügel und Fisch können Sie nach wie vor problemlos essen", stand im Februar 2001 auf der Internetseite des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Wer mehr über BSE in Fisch erfahren will, gerät in ein Labyrinth aus Widersprüchen, Abwiegelei und Nicht-Zuständigkeiten. Sind Fische vielleicht auch anfällig für eine BSE-ähnliche Krankheit ? Da es darüber bislang noch keine endgültigen Erkenntnisse gibt, sondern nur Vermutungen, kann das nicht ausgeschlossen werden.

1997 fanden Wissenschaftler erstmals im Gehirn von Fischen Prionen. Das sind spezielle Eiweiße, die natürlicherweise im Gehirn von Säugetieren vorkommen und eine Schlüsselrolle bei BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) und verwandten Krankheiten spielen.

Entdeckt wurden sie in wildlebenden Lachsen in der kanadischen Alert Bay. Welche Funktion die Prionen, die auch im Geflügel nachgewiesen wurden, im Normalzustand haben, ist noch nicht klar. Vermutlich tragen sie zur Regulation der inneren Uhr bei oder wirken bei der Weiterleitung von Nervenimpulsen mit.

Bekannt ist dagegen, dass die Prionen-Eiweiße im Gehirn von Menschen mit der „neuen Variante" der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit (CJKnV) oder bei Rindern mit BSE in veränderter Form auftreten: stark gefaltet und unangreifbar für die körpereigenen Enzyme. Diese krank machenden Prionen sind in der Lage, die normalen Prionen umzuformen, sodass sie selbst pathologisch werden. Nach jahrelangen Inkubationszeiten kommt es zu schwammartigen Veränderungen in der grauen Hirnsubstanz, also dort, wo die höheren Prozesse wie Denken, Fühlen, Erinnern oder die Feinmotorik koordiniert werden.

Gemeinsam ist den Schwammhirn-Erkrankungen die jahrelange Inkubationszeit: Von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit vergehen beim Menschen mit CJKnV durchschnittlich 15 bis 20 Jahre. Die mikroskopisch sichtbare Schwammstruktur entsteht durch abgestorbene Nervenzellen. Oft erkennt man auch die berüchtigten „amyloiden Plaques", Ablagerungen von unlöslichen Eiweißen. Die abnormen Prionen gelten als mutmaßlicher Erreger von Schwammhirn-Erkrankungen wie CJKnV, BSE beim Rind und Scrapie bei Schafen und Ziegen.

Die Erreger, von denen es verschiedene Varianten oder Stämme gibt, können Artgrenzen durchbrechen. Nicht nur im Labor, wo pathologische Prionen experimentell vom Mink, dem Amerikanischen Nerz, auf die Maus oder von der Maus auf den Hamster übertragen wurden. Sondern auch außerhalb: Schließlich erkranken Schafe mittlerweile ebenfalls an BSE, was sich äußerlich von Scrapie nicht unterscheidet.

Erst bei der Obduktion des Gehirns zeigt sich der Unterschied. Wenn Lachse Prionen im Gehirn haben, besteht zumindest die theoretische Möglichkeit, dass sie für eine BSE-ähnliche Krankheit anfällig sind. Bislang ist so etwas weder aus freier Wildbahn noch aus Aquakulturen bekannt. Ob andere Fischarten natürliche Prionen im Gehirn haben, ist unbekannt. Offiziell weiß niemand, ob sich Speisefische durch infektiöses Tiermehl anstecken können oder ob sie bei einer experimentellen Übertragung von infektiösem Gewebe eine Schwammhirn-Krankheit entwickeln. Hans-Jürgen Schlotfeldt hält Prionenerkrankungen bei Fischen dennoch für „unwahrscheinlich.

Als Kaltblüter haben sie einen verlangsamten Stoffwechsel", erklärt der Leiter des Staatlichen Fischseuchenbekämpfungs- und Fischgesundheitsdienstes Niedersachsen in Hannover. „Außerdem überleben Zuchtlachse oder -forellen die lange Latenzzeit von Prionen-Erkrankungen sowieso nicht."

Eine Forelle in Aquakultur wird im Schnitt nur eineinhalb Jahre, ein Lachs doppelt so alt. An der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BfAV) auf der Insel Riems werden Fische zukünftig in die TSE-Untersuchungen miteinbezogen.

TSE - Transmissible Spongiforme Enzephalopathien, zu deutsch „Übertragbare Schwammhirn-Erkrankungen" - ist der Oberbegriff von BSE, Scrapie, CJK und verwandten Krankheiten. Sie sind zum Teil schon seit Jahrhunderten bekannt. Scrapie wurde im 18. Jahrhundert erstmals bei Schafen und Ziegen beschrieben. Die herkömmlichen Varianten der Schwammhirn-Krankheiten beim Menschen - Creutzfeldt-Jacob-Krankheit, Kuru und andere - wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt.


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mare No. 25

No. 25April / Mai 2001

Von Monika Rößiger

Monika Rößiger ist mare-Wissenschaftsredakteurin. Im Schwerpunkt „Krieg und Frieden" von Heft 24 schrieb sie über Fische mit militärischen Namen.

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Vita Monika Rößiger ist mare-Wissenschaftsredakteurin. Im Schwerpunkt „Krieg und Frieden" von Heft 24 schrieb sie über Fische mit militärischen Namen.
Person Von Monika Rößiger
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