Bremens Freud ist Hamburgs Leid

Im uralten Wettstreit der Hansestädte holt die Stadt an der Weser mächtig auf

Die „Sovereign Mærsk“ und ihre Schwestern kommen nicht mehr. Jahrelang sind die Containerriesen der Mærsk-Line jeden Mittwoch den Burchardkai im Hamburger Hafen angelaufen. Aus, vorbei.

Die Frachtlinie von Asien nach Europa macht nach wie vor in Deutschland halt. Aber ihre Station liegt jetzt in Bremerhaven. „CT III“ heißt der nagelneue Anleger im Kürzelwelsch der Ingenieure und Hafenplaner: Containerterminal Nummer drei. Bis zu 6600 der praktischen Metallkisten bringt jede der 14 Mærsk-Schwestern. Dass sie ihre Ladung jetzt in Bremerhaven löschen, rechnet sich für Hamburg zu einem Verlust von vier Prozent des Containerumschlags hoch. Das tut weh. Und zwar umso mehr, weil die Konkurrenz in Bremen jubelt.

Vor allem eine Zahl aus der Hafenstatistik gibt der Stadt an der Weser Auftrieb: Sie hat in der ersten Hälfte dieses Jahres 9,4 Prozent mehr Container bewegt als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Das allein wäre schon Grund zur Freude, aber im Vergleich strahlt der Erfolg umso heller: Hamburgs Hafen hat sich ebenfalls angestrengt und zugelegt – aber um nur 4,7 Prozent. Zwar sagt das Wachstum nichts über die absolute Größe – Hamburg schlägt nach wie vor rund doppelt so viele Container um wie Bremen –, doch den Spurt an der Weser beobachten sie an der Elbe genau.

Lange Jahre kamen aus Bremen nur schlechte Nachrichten. Die Krise der Werften und der Stahlindustrie in den siebziger Jahren hatte das kleinste der Bundesländer schwer getroffen. Strukturwandel war die Zauberformel, die alles richten sollte. Leichter gesagt als getan. Daimler verlegte einen Teil seiner Autoproduktion an die Weser. Auch Flugzeugbau, Raumfahrt und die Universität brachten neue Jobs, aber nicht den ersehnten großen Schritt vorwärts. Bremen steckte in der Flaute fest.

Erst 1995 kam frischer Wind auf. Eine Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen war gescheitert. Mit einer großen Koalition ging Bremen auf einen neuen Kurs: Politik, hieß die Vorgabe jetzt, muss der Privatwirtschaft entgegenkommen. Bürgermeister Henning Scherf, ein zum Pragmatiker gewendeter Altlinker, formuliert das so: Bremen hat lange versucht, den Erfolg zu planen – und schlechte Erfahrungen damit gemacht. Jetzt aber unterstützt die Stadt lieber Investoren bei der Umsetzung ihrer Pläne. Und hat Erfolg.

Auch beim Wähler. Nach den Bürgerschaftswahlen vom Juni 1999 hätte es nach der gängigen politischen Zahlenlehre für eine rot-grüne Mehrheit gereicht. Aber Scherf interpretierte seinen Wahlerfolg als Bestätigung der großen Koalition. Das Modell Bremen hatte Vorrang.

Wer heute nach Bremen oder Bremerhaven kommt, sieht sofort, wie intensiv daran gearbeitet wird. Überall im Zwei-Städte-Bundesland wird gebaut. Die Bremer ertragen das Chaos gelassen, ein besseres Versprechen auf den Aufbruch als das Wummern der Presslufthämmer haben sie lange nicht gehört. An der Weserpromenade und am Hauptbahnhof wird gebaut, die Stadt bekommt eine „Airport-City“, ein Technologiezentrum und einen „Space-Park“. Und der Außenposten Bremerhaven an der Wesermündung investiert in den „Ocean-Park“, die Modernisierung des Kreuzfahrerterminals und die Erweiterung des Hafens.

Groß gebaut wurde in Bremen schon zu Anfang des letzten Jahrhunderts. 1827 ließ der damalige Bürgermeister Johan Smidt an der Wesermündung einen neuen Hafen bauen, weil die Schiffe zu groß wurden für die Revierfahrt weseraufwärts. Der Name steht für die Besitzverhältnisse: Bremerhaven gehört der Stadt Bremen. Daher der Zwei-Städte-Status des Bundeslandes Bremen.

Auch Hamburg hatte einst Besitz an seiner Flussmündung. Über 600 Jahre gehörte Cuxhaven zu Hamburg, wurde jedoch 1937 gegen das preußische Altona getauscht. An der Elbe haben die Politiker nie den Vorteil eines Mündungshafens eingeräumt.

Bremen aber wuchert mit seinen Pfunden: Den Liegeplatz der „Sovereign Mærsk“ hat die Stadt gerade fertiggestellt. Kaum war der 800 Millionen Mark teure und 700 Meter lange „CT III“ im Betrieb, wurde schon seine Erweiterung beschlossen. Kostenpunkt: 190 Millionen Mark. Und die Pläne für „CT IV“ liegen auch schon in der Schublade. Ehrgeizige Projekte für ein Bundesland, das mit knapp 20 Milliarden Mark verschuldet ist. Aber

Bremen hat einen potenten Geldgeber – den deutschen Steuerzahler.


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mare No. 17

No. 17Dezember 1999 / Januar 2000

Von Hans Wille

Hans Wille, Jahrgang 1963, ist Geograf, freier Mitarbeiter bei mare und lebt in Hamburg

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