Beim Elsässer in Sansibar

Ein Spitzenrestaurant bietet gegrillten Hummer. Doch der Wirt bevorzugt Hausmacherwurst und Wein aus der Heimat

Nichts ahnend krabbelt er über den Meeresgrund, als plötzlich der tödliche Pfeil der Harpune seinen Panzer durchbohrt. Die letzte Reise des Hummers beginnt: Zunächst gelangt er ins Boot von Fischer Mustafa, der ihn dann auf dem Markt von Malindi an den Händler verkauft. Bei einem knappen Kilo bleibt der Zeiger der Waage zitternd stehen – macht für Mustafa 3000 Shilling, etwa 7 Mark 50. Der Händler packt den Hummer in einen Korb, radelt nach Stonetown, und auf einmal ist das Kilo 3500 Shilling wert. Jetzt muss der Zehnfußkrebs nur noch auf den Grill, bevor er wieder schwimmt: in Butter auf dem Teller des „Fisherman Restaurant – Chez Daniel“.

Im grellen Neonlicht der spartanisch ausgestatteten Küche steht schwitzend im T-Shirt Ally, 36, der Koch, in der rechten Hand einen Holzschlegel, in der linken ein machetengroßes Messer. Zack! Ein Schlag auf die Klinge, und das Tier ist der Länge nach halbiert. Ein wenig Butter sowie eine gehackte Knoblauchzehe, und ab auf den gusseisernen Holzkohlegrill, der auf dem rohen Zementboden glimmt.

Groß gewürzt wird nicht. Hummer pur, serviert mit kleinem Salat und einem Berg Pommes frites oder schlicht mit Weißbrot. Wann der Krebs gar ist, erkennt man daran, dass der grüne Panzer zum typischen Hummerrot mutiert. Eine Kochlehre bräuchte man dafür nicht unbedingt zu absolvieren. Ally hat immerhin einen staatlichen Kurs in „food production“ besucht und da vor allem einiges über Hygiene nach westlichen Maßstäben erfahren. Der Touristenmagen ist halt nicht so abgehärtet.

Und Sansibaris trifft man im „Fisherman“ nur als Personal. Die Einheimischen versorgen sich an den offenen Garküchen am Forodhani Garden. Das ist billiger. Keine Frage, das „Fisherman“ ist ein Touristentreff, aber einer mit Charme: schlichte Holzstühle und Tische mit blau-grünen Stoffdecken, auf denen Aschenbecher aus Kokosnussschalen, kleine Vasen mit frischen pinkfarbenen Blumen und Plastikflaschen mit Ketchup stehen. An den weiß verputzten Wänden Bilder von Segelyachten, Fischreusen und natürlich das vorgeschriebene Foto des sansibarischen Präsidenten. An der Decke rudern die Blätter der Ventilatoren gegen die Hitze an. Dazu spielt keine Folklorekapelle, sondern „Radio one“. Die Bedienung träge, die Gäste geduldig. Die meisten sind Rucksackreisende aus aller Welt, längst mit den afrikanischen Zeitdimensionen sieben Grad südlich des Äquators vertraut.

Hier „strandete“ Daniel Tschambser, 58, geboren im Elsass, fast zwanzig Jahre Fleischermeister in Berlin, nachdem er von der Spree aus zu einer Weltumseglung in See gestochen war. In Berlin fiel gerade die Mauer, als Daniel auf Sansibar sein Lokal aufmachte. Als einer der ersten; Touristen waren auf der Gewürzinsel damals seltener als Hummer vor der Küste. Die Sansibaris schätzten das Schalentier nie sonderlich, sondern bevorzugen Fisch. Heute ist der Hummer knapp. Dafür kommen die Touristen in die Steinerne Stadt, in der es allerdings noch immer mehr Koranschulen als Kneipen gibt.

Während draußen der Muezzin zum letzten Gebet ruft, hockt Daniel mit Freunden am Stammtisch des Lokals. Elsässer Roséwein, Eigenimport von Daniel, schimmert in den Gläsern. Das „Fisherman“ ist nicht zuletzt Treffpunkt einiger Europäer, die auf Sansibar leben. Seit Mittag wird gebechert, und so rosig wie der Wein leuchtet inzwischen auch das Gesicht des Gastwirtes. Savoir vivre ohne Hummer: Am Stammtisch wird lieber mal hausgemachte Wurst serviert, eine Delikatesse, wenn Fangfrisches aus dem Meer nichts Besonderes mehr ist.

Hummer-Fänger Mustafa ist derweil nach dem letzten Gebet müde vor seinem japanischen Farbfernseher eingenickt. Sein Leben pendelt zwischen Fernsehen, Frau und Fischfang. TV: in Afrika das billigste Vergnügen. Morgen früh wird er erneut aufbrechen, um Hummer zu jagen.

Mit geflickten Flossen und Harpune wird er sich drei Meilen vor der Küste ins Meer stürzen, zwei Stunden ohne Neopren-Anzug und Sauerstoffflasche in fünfzehn Meter Tiefe tauchen, damit auch morgen wieder frischer Hummer auf den Teller im „Fisherman“ kommt. Eine 400-Gramm-Portion für 6000 Schilling, womit wir bei 15000 Schilling, der Verfünffachung seines Kilopreises, angekommen wären.


Hummer vom Grill

Zutaten

Pro Person eine Hummerhälfte, zwischen 200 und 400 Gramm. Knoblauch, Salz, Pfeffer, Butter, Limone oder Zitrone, Weißbrot

Zubereitung

Fühler abschneiden (am besten mit einer Geflügelschere). Ein großes scharfes Messer längsseitig auf dem Panzer platzieren, diesen mit dem kräftigen Schlag eines Holzschlegels auf die Klinge durchtrennen. Beide Hälften mit kaltem Wasser abspülen, trocken tupfen, mit gehacktem Knoblauch, Salz, Pfeffer und etwas Butter bestreichen und auf den Holzkohlegrill legen. Damit der Hummer von beiden Seiten gar wird, legt man von oben ein Blech mit glühender Kohle auf ihn. Er ist fertig, wenn seine Schalen rötlich schimmern, je nach Größe nach etwa 10 – 12 Minuten. Servieren mit einer halben Limone oder Zitrone, Weißbrot und einer Flasche gut gekühltem Rosé- oder Weißwein. Am besten: Chardonnay aus dem Eichenfass (Barrique).

Fisherman Restaurant – Chez Daniel
Shangani Road, Stonetown, Sansibar
geöffnet täglich von etwa 11.30 bis 23 Uhr

mare No. 24

No. 24Februar / März 2001

Von Roland Brockmann und James Mollison

Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin).

James Mollison, Jahrgang 1973, wurde in Kenya geboren. Er wuchs in England auf. Mollison studierte Art and Design an der Oxford Brookes Universität und später Film und Fotografie an der Newport School of Art and Design. Er zog nach Italien, wo er für Benetton's Creative Lab Fabrica arbeitete. Seine Arbeiten sind international veröffentlicht worden, in Colors, dem New York Times Magazine, dem Guardian Magazine und anderen. Mollison lebt mit seiner Frau in Venedig.

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Vita Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin).

James Mollison, Jahrgang 1973, wurde in Kenya geboren. Er wuchs in England auf. Mollison studierte Art and Design an der Oxford Brookes Universität und später Film und Fotografie an der Newport School of Art and Design. Er zog nach Italien, wo er für Benetton's Creative Lab Fabrica arbeitete. Seine Arbeiten sind international veröffentlicht worden, in Colors, dem New York Times Magazine, dem Guardian Magazine und anderen. Mollison lebt mit seiner Frau in Venedig.
Person Von Roland Brockmann und James Mollison
Vita Roland Brockmann, Jahrgang 1961, lebt in Berlin als unabhängiger Journalist, Fotograf und Video Producer. Bei mare war er an den ersten internationalen Reportagen beteiligt, heute schreibt er dort vor allem Buchrezensionen. 2018 erschien sein erstes eigenes Buch: Real People of East Africa (Photo Edition Berlin).

James Mollison, Jahrgang 1973, wurde in Kenya geboren. Er wuchs in England auf. Mollison studierte Art and Design an der Oxford Brookes Universität und später Film und Fotografie an der Newport School of Art and Design. Er zog nach Italien, wo er für Benetton's Creative Lab Fabrica arbeitete. Seine Arbeiten sind international veröffentlicht worden, in Colors, dem New York Times Magazine, dem Guardian Magazine und anderen. Mollison lebt mit seiner Frau in Venedig.
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