Bali Hai Boys

Drei Abenteurer aus Kalifornien bauen sich über den seichten Wassern Mooreas ein neues Leben auf. Der Karrieretipp

Es war wie immer der schönste Abend von allen. Nur dass die Romantik ins Melancholische changierte. An der Bar unter dem Palmendach saß Muk wie ewig auf seinem Hocker, plauderte mit Freunden; Jay lag unter dem Banyanbaum an der grünen Lagune und erzählte den Gästen von alten Zeiten. Die Ukulelecombo spielte unentschlossen; sie fürchteten sich vor dem Feierabend. Es war der letzte im „Bali Hai“ auf Tahitis Schwester Moorea. Denn an diesem Abend des 31. Januar 2001 schloss das Hotel. Und das wichtigste Kapitel der Tourismusgeschichte Tahitis, das mit einem Aussteigertraum begonnen hatte.

Im September 1959 läuft Hugh Kelley mit der „Constellation“ in die Cook’s Bay von Moorea ein. Als Crewmitglied hat der Anwalt gerade eine Regatta hinter sich gebracht. Come quick, found paradise, kabelt er seinen Freunden, dem Barbesitzer Don „Muk“ McCallum und dem Broker Jay Carlisle, nach Kalifornien. Zu Hause schildert er sein Inselerlebnis so farbig, dass in den Yuppies die Lust auf Exotik erwacht.

Bald darauf hören sie, dass eine Vanilleplantage auf Moorea zum Verkauf steht. Vanille klingt exotisch. Drei Wochen später sitzen die drei gut aussehenden Abenteurer, alle Anfang dreißig, im Flugzeug. Sie mieten ein Haus an Mooreas Nordküste. Dann stehen sie vor ihrer Zukunft: gerade 60 Vanillestöcke, völlig verwildert. Von Nachbarn hören sie auch, dass der Markt gerade kollabiert. Zwei Jahre zuvor hatte ein Zyklon Madagaskars Vanillewirtschaft zerstört und die Preise getrieben. Jetzt aber ist die Produktion wieder angelaufen, die Börse auf ein Viertel gefallen.

Weil sie das falsche Visum haben, müssen Jay und Hugh zurück; Muk bleibt und vermietet ihre Zimmer. 25 Dollar macht er jede Nacht, die er im „Quinn’s“, einer legendären Bar in Papeete, gleich wieder ausgibt auf der Suche nach einem Mädchen namens Suzy No-Pants. An der Theke spricht ihn der Lokalpolitiker Nado Salmon an. Er ist Bauherr einer Pension auf dem Grundstück neben ihrer Plantage, und er ist pleite. Ob er Käufer für den Rohbau wisse. Muk weiß. „Wir kaufen. Und du besorgst uns die Aufenthaltserlaubnis.“

Ein Hotel in der Südsee: Auch die beiden anderen sind von dem Plan begeistert. Sie verkaufen ihre Habe und gehen ein letztes Mal ins Kino: „South Pacific“, nach dem Bestseller von James A. Michener. Eine mythische Insel trägt den Namen Bali Hai. Der Name für ihr Hotel ist gefunden.

Im Frühjahr 1962 stehen die Sonnyboys vor dem Neubeginn. 44000 Dollar – für vier halb fertige Hütten, durch die Ratten huschen. Aber schon Silvester weihen sie den elften Bungalow ein. Zuvor müssen sie ihn noch drehen: Die Arbeiter haben ihn mit dem Rücken zur Lagune gebaut.

Der Flughafen in Tahiti hat gerade eröffnet; nun kommen die Touristen nicht mehr nur sporadisch. Die drei verteilen die Aufgaben. Hugh ist der Baumeister. Und er hat Ideen: versenkt Badewannen im Boden, erfindet den ummauerten Garten für jeden Bungalow. Sein größtes Problem: verstopfte Toiletten. Muk ist Gärtner, Gepäckjunge und Entertainer. Er lernt als Erster Tahitianisch, spielt Ukulele und singt in falschem Falsett die Lieder der Insel. Daneben bereitet er Frühstück und reinigt Zimmer. Ums Geld kümmert sich Jay.

Noch ist es Flüsterpropaganda, die die Gäste zu ihnen führt. Hin und wieder eine Flasche mehr in der Bar, die Hauptgerichte fangen sie in der Lagune, Hühner halten sie sich auf der alten Plantage; bald sind sie die größten Eierproduzenten in Polynesien. Jeden Morgen fahren sie zum Anleger des Boots aus Tahiti. „Welcome to paradise, folks!“, ruft Muk den Gästen zu, die ins „Aimeo“, der einzigen Konkurrenz auf Moorea, wollen, und trägt die Koffer zu dem alten Jeep mit der Aufschrift „Bali Hai“. Sie nehmen’s ihm nicht übel. Denn die Amateure kümmern sich rührend, sind fabelhafte Gastgeber, witzig, leger und von unbändiger Energie, und trotz Mängeln sind die Bungalows hübsch geraten. Ein fröhlicheres Hotel hat die Südsee nicht gekannt; wer sich hier nicht amüsiert, gilt tendenziell als deutsch.


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mare No. 42

No. 42Februar / März 2004

Von Karl J. Spurzem

Karl Spurzem, geboren 1959 im Rheinland, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Städtebau. Nach Stationen bei der Berliner Tageszeitung Die Welt, einer Hamburger Musikzeitschrift und als freier Journalist wurde er im Sommer 2001 Chef vom Dienst bei mare, im Frühjahr 2008 stellvertretender Chefredakteur und Textchef. Seither lernt der Segelflieger das Segeln.

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Vita Karl Spurzem, geboren 1959 im Rheinland, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Städtebau. Nach Stationen bei der Berliner Tageszeitung Die Welt, einer Hamburger Musikzeitschrift und als freier Journalist wurde er im Sommer 2001 Chef vom Dienst bei mare, im Frühjahr 2008 stellvertretender Chefredakteur und Textchef. Seither lernt der Segelflieger das Segeln.
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Vita Karl Spurzem, geboren 1959 im Rheinland, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Städtebau. Nach Stationen bei der Berliner Tageszeitung Die Welt, einer Hamburger Musikzeitschrift und als freier Journalist wurde er im Sommer 2001 Chef vom Dienst bei mare, im Frühjahr 2008 stellvertretender Chefredakteur und Textchef. Seither lernt der Segelflieger das Segeln.
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