Auf Teilchen-Jagd

Italienische Kernphysiker wollen die letzte Frage des Menschen beantworten: Wie ist unser Universum entstanden? Helfen soll dabei Blei aus einer vor 2000 Jahren gesunkenen römischen Galeere

Irgendwann um das Jahr 65 vor Christus stach nahe Cartagena im heutigen Spanien ein römisches Schiff in See. Es muss ein wuchtiger Kahn gewesen sein, die Nägel in seinem Kiel maßen 70 Zentimeter. Das Boot war üppig beladen. 

Vermutlich war es unterwegs nach Rom. Doch dort kam es nie an. Das Schiff sank vor der sardischen Insel Mal di Ventre, in einer Gegend, die berüchtigt ist für starke Winde und gefährliche Felsen. 

Zwei Jahrtausende lag das Wrack vergessen auf dem Meeresgrund. Aber nun hoffen Forscher, dass es ihnen helfen wird, die wohl größten Fragen der Menschheit zu beantworten: Warum gibt es das Universum, wie wir es kennen? Warum existieren wir?

Die Suche nach der Antwort erfordert neben dem römischen Wrack auch: einen genialen Physiker, der sich scheinbar in Luft auflöste; den kältesten Kubikmeter im Universum; und sehr, sehr viel Geduld.

In seinem Bauch hatte das Schiff 2000 Barren Blei geladen. Das Metall war vermutlich für wenig hehre Zwecke gedacht. Eventuell sollten daraus Geschosse für Kriegsschleudern gegossen werden. Denn in Rom bekämpften sich damals verschiedene politische Fraktionen.

Doch durch ihr langes Ruhen auf dem Meeresgrund verwandelte sich das Blei in das vielleicht beste Material, um hochempfindliche physikalische Experimente gegenüber störenden Einflüssen abzuschotten. Deshalb ummanteln nun 120 der Barren ein einzigartiges Experiment tief in den italienischen Abruzzen.

Dort haben Forscher des italienischen Nationalinstituts für Kernphysik (INFN) eine Apparatur aufgebaut, die Neutrinos nachspürt. Diese Partikel sind die häufigsten Teilchen im Universum. Doch der Mensch weiß wenig von ihnen. In einer Sekunde fliegen rund 33 Milliarden Neutrinos durch jeden Quadratzentimeter Erde (und uns Menschen), aber weil die Teilchen fast nie mit anderer Materie wechselwirken, spüren wir davon nichts.

In ihrem Experiment, genannt CUORE (Cryogenic Underground Observatory for Rare Events; Kryogenisches Untergrundobservatorium für seltene Ereignisse), wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob Neutrinos eine eigentlich unerhörte Eigenschaft besitzen: dass sie ihr eigenes Antiteilchen sein können. Denn das könnte erklären, wie die Galaxien, Sterne und Planeten entstanden. Also warum es uns gibt. 

Die Prozesse, die Neutrinos, das römische Schiff und das kryogenische Untergrundobservatorium zusammenbrachten, begannen vor knapp 14 Milliarden Jahren. Damals entstand beim Urknall die Materie, der Raum und die Zeit. Gemäß den Modellen der Astrophysik bildete sich dabei auch Antimaterie, eine Art Spiegelbild der uns vertrauten Atome und Teilchen, und zwar in der gleichen Menge wie die Materie. Logischerweise hätten sich Materie und Antimaterie in der Folge gegenseitig auslöschen sollen. Es wäre nichts übrig geblieben.

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 150. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 150

mare No. 150Februar / März 2022

Von Ute Eberle

Ute Eberle, Jahrgang 1971, ist Wissenschaftsjournalistin in Baltimore, USA. Während ihrer Recherche erfuhr sie, dass nicht nur Neutrinoforscher, sondern auch die Menschen in der Antike Blei im Untergrund versenkten, allerdings aus einem anderen Grund: Man ritzte in Bleiplatten Verwünschungen gegen persönliche Feinde und legte diese im Erdreich ab – in der Hoffnung, der Fluch möge sich erfüllen.

Mehr Informationen
Vita Ute Eberle, Jahrgang 1971, ist Wissenschaftsjournalistin in Baltimore, USA. Während ihrer Recherche erfuhr sie, dass nicht nur Neutrinoforscher, sondern auch die Menschen in der Antike Blei im Untergrund versenkten, allerdings aus einem anderen Grund: Man ritzte in Bleiplatten Verwünschungen gegen persönliche Feinde und legte diese im Erdreich ab – in der Hoffnung, der Fluch möge sich erfüllen.
Person Von Ute Eberle
Vita Ute Eberle, Jahrgang 1971, ist Wissenschaftsjournalistin in Baltimore, USA. Während ihrer Recherche erfuhr sie, dass nicht nur Neutrinoforscher, sondern auch die Menschen in der Antike Blei im Untergrund versenkten, allerdings aus einem anderen Grund: Man ritzte in Bleiplatten Verwünschungen gegen persönliche Feinde und legte diese im Erdreich ab – in der Hoffnung, der Fluch möge sich erfüllen.
Person Von Ute Eberle