Ätzend! Giftig! Explosiv!

Schiffe bewegen heute Millionen Tonnen Fracht, von denen eine Gefahr für Mensch und Meer ausgeht

Nach Stunden in schwerer See erreicht der Frachter „Oostzee“ am 22. Juli 1989 ruhige Gewässer in der Deutschen Bucht. Die Besatzung atmet erleichtert auf – und nimmt einen eigenartigen, stechenden Geruch an Bord wahr. Der Kapitän wird informiert, eine Inspektion der Ladung enthüllt das insgeheim Befürchtete. Aus leckgeschlagenen Fässern ergießt sich kubikmeterweise die hochgiftige Chemikalie Epichlorhydrin in die Luke und setzt Gase frei. Insgesamt 4000 Behälter mit dem Teufelszeug hatte die „Oostzee“ in Rotterdam gestaut. Allzu sorglos, wie sich herausstellt. 263 Fässer hatten sich im Sturm aus der Vertäuung gelöst und wurden schwer beschädigt. Über die Giftigkeit des Epichlorhydrins, das zu Epoxidharzen weiterverarbeitet und schließlich in der Fabrikation von Lacken, Computerchips und Insektenvertilgungsmitteln zum Einsatz kommt, macht die Herstellerfirma Dow Chemical später auch keinen Hehl. Durch Einatmen von Epichlorhydrindämpfen kann die Lunge schwer geschädigt werden. Wenige Gramm davon, wenn man sie verschluckte, hätten eine tödliche Wirkung.

Wie nun mit dem Teufelszeug umgehen, ohne dass es Tote und Verletzte gibt? Der eilig zusammengerufene Krisenstab in Brunsbüttel weiß nicht genug über die Ladung. Hilflosigkeit beim Umgang mit Gefahrgut zieht sich durch die gesamte Bergungsaktion: Fachleute sind überhaupt nur bei dem Produktionsstandort des Chemiekonzerns in Stade zu finden. Der Gefahrenbereich um den Giftfrachter wird nicht rechtzeitig gesperrt, die vorbeifahrende Schifffahrt nicht gewarnt.

Außerdem verzögert sich die Sicherstellung der beschädigten Fässer um Tage, weil die Helfer erst eine Unterweisung in Arbeitssicherheit erhalten müssen. Trotzdem gehen einige von ihnen ohne Gasmaske und Schutzbekleidung ans Werk. Zwei Dutzend müssen anschließend in ärztliche Behandlung.

Bis heute sind neun Menschen, die mit der giftigen Fracht zu tun hatten, gestorben. Andere leiden an Atemwegserkrankungen oder Krebs. Das Schicksal der Betroffenen ist schlimm genug. Aber auch 14 Jahre später mag sich niemand ausmalen, was geschehen wäre, wenn die „Oostzee“ gebrannt hätte. „Damals sind wir wirklich haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschlittert“, erinnert sich Bernd Spöntjes, heute stellvertretender Leiter der Wasserschutzpolizei Hamburg. Erst vor kurzem habe er die letzte „Akte Oostzee“ geschlossen. Seitdem sei hier in der Gegend glücklicherweise nichts Gravierendes passiert, und außerdem hätten alle Beteiligten aus diesem Unglück gelernt.

Kein weiterer Unfall – das grenzt fast an ein Wunder angesichts der 13,5 Millionen Tonnen Gefahrgut, die etwa im Jahr 2001 durch den Hamburger Hafen geschleust wurden, immerhin ein Viertel des Gesamtumschlags. 11,5 Millionen davon waren flüssiges Gefahrgut: Rohöl, Diesel, Heizöl, aber auch Chemikalien. Regelmäßig laufen in den Hamburger Hafen Tanker mit Schwefel- und Salpetersäure ein, wichtige Zwischenprodukte für die Herstellung von Düngemitteln und Insektiziden. Diese Flüssigkeiten können Augen und Atmungsorgane verätzen, sie sind krebserregend und zudem hochexplosiv, wenn sie mit Luft oder Wasser in Berührung kommen.

Gefahrgut, das ist mehr als Dynamit und Dioxin. Kaum zu glauben, wie viele Gegenstände des alltäglichen Lebens auf dem Transportweg als latente Gefahren eingestuft werden. Airbags und Computer, Rasierwasser, Tischtennisbälle gehören ebenso dazu wie die schon von der Bezeichnung her gefährlich klingenden chemischen Grundstoffe.


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mare No. 38

No. 38Juni / Juli 2003

Von Susanne Kopte

Susanne Kopte, Jahrgang 1956, ist freie Autorin und lebt in Hamburg. Nach zehn Jahren Tätigkeit für die Umweltschutzorganisation Greenpeace sind die Schwerpunkte ihrer Arbeit die realen und potenziellen Gefahren für die Meere.

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Vita Susanne Kopte, Jahrgang 1956, ist freie Autorin und lebt in Hamburg. Nach zehn Jahren Tätigkeit für die Umweltschutzorganisation Greenpeace sind die Schwerpunkte ihrer Arbeit die realen und potenziellen Gefahren für die Meere.
Person Von Susanne Kopte
Vita Susanne Kopte, Jahrgang 1956, ist freie Autorin und lebt in Hamburg. Nach zehn Jahren Tätigkeit für die Umweltschutzorganisation Greenpeace sind die Schwerpunkte ihrer Arbeit die realen und potenziellen Gefahren für die Meere.
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