Andere Saiten auf See

Cellist, Wirtschaftswissenschaftler, Orchesterdirektor und schließlich Chefentertainer auf Kreuzfahrtschiffen – Thomas Schmidt-Ott schafft in der Bordunterhaltung den Spagat zwischen leichter Muse und Hochkultur

Wenn man als Musiker im Weißen Haus auftritt, zu Ehren von George Bush senior, und der danach zu einem sagt „I loved your music“: Ist das der Höhepunkt der Karriere oder der Zeitpunkt, zu dem man den Beruf wechseln sollte? Thomas Schmidt-Ott hat Letzteres getan. Das hatte durchaus mit seinem Kunst- und Selbstverständnis zu tun, aber nichts mit dem Urteil des Expräsidenten. Die telefonische Zusage seines zukünftigen Arbeitgebers erreichte ihn im Backstage des ehrwürdigen Amtssitzes. Er war als Cellist nach Washington D. C. gereist und kehrte als angehender Chef einer internationalen Truppe zurück. Seine neue Berufsbezeichnung war dann auch gleich eine amerikanische, er wurde „Director Entertainment“ der TUI Cruises.

Auf Deutsch kann director vieles heißen: Regisseur, Intendant, Dirigent. Das Wörterbuch verzeichnet auch den etwas angestaubten Gleichklang „Direktor“, der einen heute mehr an Zirkus als an Chefetagen denken lässt. Ein wenig von jedem steckt nun im Arbeitsalltag von Thomas SchmidtOtt, dem promovierten Wirtschaftswissenschaftler, für dessen Person und Lebenslauf „vielseitig“ ein eher unzureichendes Adjektiv ist. Wer ihm begegnet, könnte sich täuschen lassen. Von einem wenig direktorialen Büro mit Raufasertapete und Zimmerpalme im Neonlicht. Von einem freundlichen Mann mit dezenter Brille und sanfter Stimme, der, erster Hinweis auf seine Qualitäten im Zuständigkeitsbereich, ein sehr unterhaltsamer Erzähler der eigenen Geschichte ist.

Im Alter von sechs Jahren hatte Schmidt-Ott, Spross einer Industriellenfamilie aus Trier, begonnen, Cello zu spielen, die Liebe zur Musik wurde von seiner Mutter sanft erzwungen. Die wahre Passion für das Instrument entflammte zusammen mit ähnlich starken Gefühlen für eine Geigerin, die er im Jugendorchester kennenlernte. Während seines Studiums der Wirtschafts-, Musik- und Theaterwissenschaft übte er bis zu acht Stunden Cello am Tag, die Uni besuchte er, weil seine Eltern der Meinung waren, er müsse doch etwas Vernünftiges lernen. Zur Sicherheit hatte er vorher noch eine Banklehre absolviert. Und ein Praktikum bei den Berliner Philharmonikern, wo ihm der damalige Leiter des Hauses gezeigt hatte, wie das Management eines Orchesters funktioniert.

Für das, was später aus ihm werden sollte, spielt zudem eine Rolle, dass Thomas Schmidt-Ott während des Studiums in Berlin im Souterrain der Villa seines Urgroßvaters wohnte. Friedrich Schmidt-Ott war preußischer Kultusminister und Mitbegründer der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er hat die Finanzierung von Expeditionsschiffen wie der ersten „Meteor“ vorangetrieben, als Dank hat man einen atlantischen Berg südöstlich von Kapstadt nach ihm benannt. Ein Bild des „Schmidt-Ott Sea Mount“ hing im Büro des Urgroßvaters, das, dekoriert mit Erinnerungsstücken diverser Forschungsreisen, unangetastet geblieben war. In diesem Raum, so Schmidt-Ott, gründe seine Faszination für die Meere.

Im Jahr 1989 hat er seine erste Seereise gemacht, als Mitglied eines Streichquartetts durchschiffte er die Ostsee auf der MS „Odessa“, einem Schiff für 550 Passagiere, das unter sowjetischer Flagge fuhr. Die Erinnerung spült eine Programmchefin mit endlos langen Fingernägeln hoch und eine Kellnerin, die jeden Abend die gleiche Dessertauswahl anpries: „Apfel, Banane, Orange?“ Die Bordunterhaltung war ähnlich begrenzt. Heute bespielt seine Abteilung vier Riesendampfer, auf jedem können 2500 Menschen Urlaub machen. An Seetagen stehen rund 50 verschiedene Veranstaltungen auf dem Programm.

Doch bevor Schmidt-Ott so weit kam, waren noch einige Landaktivitäten zu absolvieren. Im historischen Jahr seiner ersten Schiffsreise gründete er die Kammerphilharmonie Berlin, das erste Orchester, das Musiker aus beiden Teilen Deutschlands vereinte und als perfekter Symbolträger durch die Welt tourte. Mit einer Tochterfirma des erfolgreichen Unternehmens versorgte er die Kreuzfahrtbranche mit ernsthafter Musik. Mozarts „Zauberflöte“ als Begleitprogramm einer Atlantiküberquerung war der damalige Höhepunkt.


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mare No. 110

No. 110Juni / Juli 2015

Von Martina Wimmer und Stefan Pielow

mare-Redakteurin Martina Wimmer hielt sich durch unfreiwilliges Wandern in Bewegung. Noch nie hat sie sich so oft verlaufen wie an Bord des riesigen Kreuzfahrtschiffs.

Fotograf Stefan Pielow ärgerte sich beim beschwerlichen Kraulen im Schiffspool über die Wellenmaschine. Bis ihm die Erkenntnis kam, dass bei Seegang auch das Schwimmbecken mitschwingt.

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Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer hielt sich durch unfreiwilliges Wandern in Bewegung. Noch nie hat sie sich so oft verlaufen wie an Bord des riesigen Kreuzfahrtschiffs.

Fotograf Stefan Pielow ärgerte sich beim beschwerlichen Kraulen im Schiffspool über die Wellenmaschine. Bis ihm die Erkenntnis kam, dass bei Seegang auch das Schwimmbecken mitschwingt.
Person Von Martina Wimmer und Stefan Pielow
Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer hielt sich durch unfreiwilliges Wandern in Bewegung. Noch nie hat sie sich so oft verlaufen wie an Bord des riesigen Kreuzfahrtschiffs.

Fotograf Stefan Pielow ärgerte sich beim beschwerlichen Kraulen im Schiffspool über die Wellenmaschine. Bis ihm die Erkenntnis kam, dass bei Seegang auch das Schwimmbecken mitschwingt.
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