Als Japan seine Röcke hob

Mit einem Bluff beendete der US-Marineoffizier Perry 1853 Japans jahrhundertealte Isolation – zum Wohl der USA

Am Morgen des 8. Juli 1853 erscheinen in Uraga, einem kleinen Küstenort nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Edo, dem heutigen Tokio, entfernt, vier gigantische Kriegsschiffe des amerikanischen Ostasiengeschwaders am Horizont. Die massiven Aufbauten der Schiffe, ihr dunkler Anstrich, die in Rauch gehüllte Takelage – als „schwarze Schiffe“ sollen sie in die Geschichte Japans eingehen. Der Befehlshaber der Flotte, Kommodore Matthew Perry, hat eine Mission: das Kaiserreich Japan zur Aufgabe seiner jahrhundertelangen Isolationspolitik bringen.

Durch den Sieg über Mexiko ist den USA Kalifornien zugefallen, und die junge Nation hat damit eine ausgedehnte zweite Küste hinzugewonnen, die pazifische. Damit ist es möglich geworden, China zu erreichen ohne den Umweg über Kap Hoorn. Der Handel mit dem Reich der Mitte verspricht einen neuen Absatzmarkt von ungeahnter Größe. So gerät Japan zunächst als Station auf dem Handelsweg nach China ins Blickfeld der USA.

Hinzu kommt, dass der lukrative Walfang die amerikanischen Walfänger immer weiter Richtung Westen treibt und damit immer näher an die japanische Küste heran. Die USA sind nicht länger bereit, die strikte Abschottungspolitik der Japaner zu akzeptieren. Die amerikanische Regierung verlangt die Öffnung von Handelshäfen, die Errichtung von Kohledepots und die Entsendung eines ständigen Gesandten nach Japan.

Mit dem Kommando der Ostasienmission wird der erfahrene Marineoffizier Perry betraut. Die Kanonen an Bord der „Mississippi“ sollen der Forderung nach der Öffnung Japans den nötigen Nachdruck verleihen. Von Beginn an gibt Perry seinen japanischen Verhandlungspartnern zu verstehen, dass er von seinen Forderungen nicht abrücken werde.

Als die Japaner eine Verhandlung zunächst ablehnen, droht er mit einer Flotte von 50 Schiffen zurückzukehren – ein Bluff, denn weder verfügt die amerikanische Marine über so viele Schiffe, noch hat Perry darüber zu entscheiden. Der Kommodore pokert hoch und ist zugleich siegesgewiss. Durch ihre Fernrohre haben die Amerikaner erkannt, dass die japanischen Befestigungsanlagen am Ufer zum Teil aus bemalten Zeltbahnen bestehen. Die Geschütze der japanischen Küstenwache sind veraltet und haben nur geringe Reichweite.

Mit der drohenden Öffnung des Landes steht die politische Ordnung Japans auf dem Spiel. Ieyasu Tokugawa war es im 16. Jahrhundert gelungen, durch geduldige Diplomatie und brutale Gewalt das Land nach einem langen, blutigen Bürgerkrieg zu einen und eine effektive und stabile Verwaltung aufzubauen. In der Folge erlebte Japan eine mehr als 200 Jahre andauernde Friedensepoche. Zugleich schottete sich das Land immer mehr von der Außenwelt ab. Die Isolation diente dem Machterhalt des Shoguns, der als oberster Militärführer de facto an der Spitze des Reiches stand. Die Beschränkungen des Handels und der Reisefreiheit sollten verhindern, dass einzelne Fürsten durch Handel und Austausch mit dem Ausland an Macht und Einfluss gewinnen.

Die Abschottung nach außen bedeutete zugleich den Verzicht auf jede Form der Expansion über die japanischen Inseln und Okinawa hinaus. Beim Zusammentreffen mit den Amerikanern 1853 verfügte Japan daher über keine hochseetüchtigen Kriegsschiffe. Der lange Frieden förderte die Wirtschaft und führte zu einem kulturellen Aufschwung des Landes. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Lebensstandard im Vergleich mit anderen Ländern Asiens hoch. Die Alphabetisierungsrate war höher als in Großbritannien. In gewisser Weise genügte Japan sich selbst. Doch spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts rückte die äußere Welt näher. Der Handel mit China, die Ausdehnung des Walfangs führten immer öfter ausländische Schiffe vor Japans Küste. Die Welt hatte sich gewandelt, und kaum eine Nation verkörperte diesen Wandel so sehr wie die USA. Unbelastet durch die eigene Vergangenheit und von der eigenen Mission und Überlegenheit überzeugt, fordern sie ihren Anteil am weltweiten Handel.

Die Amerikaner sind nicht die Ersten, die die Öffnung Japans verlangten, aber sie sind die Ersten, die dies mit der Androhung von Gewalt tun. Aus Sicht der japanischen Regierung bleibt nur die Wahl zwischen zwei Übeln: Entweder man würde in die Öffnung des Landes einwilligen und sich damit letztlich dem Machtanspruch der USA beugen oder aber jedes Zugeständnis ablehnen und damit einen Krieg provozieren. Doch für einen Krieg mit den USA ist Japan nicht gerüstet. Die Einsicht ist demütigend: Gegen die Überlegenheit der schwarzen Schiffe und ihrer Kanonen lässt sich wenig ausrichten.


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mare No. 108

No. 108Februar / März 2015

Von David Johst

David Johst, Jahrgang 1977, lebt als Historiker und freier Journalist in Halle an der Saale. Er arbeitete zwei Jahre für ein deutsch-japanisches Forschungsprojekt, das sich mit dem Wandel der Gesellschaft in Deutschland und Japan beschäftigt.

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Vita David Johst, Jahrgang 1977, lebt als Historiker und freier Journalist in Halle an der Saale. Er arbeitete zwei Jahre für ein deutsch-japanisches Forschungsprojekt, das sich mit dem Wandel der Gesellschaft in Deutschland und Japan beschäftigt.
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