Alarm um Affen

Warum sich die Briten um die Makaken in Gibraltar sorgen

Im Jahr 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, bekam Winston Churchill plötzlich Angst. Eine bemerkenswerte Kabelbotschaft setzte der Londoner Premierminister in jenem Sommer an den Oberkommandierenden seiner Truppen in Nordafrika ab: 30 Berberaffen, wo immer man ihrer habhaft würde im britisch besetzten Maghreb, seien umgehend der Royal Army in Gibraltar zu überstellen.

Der angeschriebene Militär ließ den Wüstenfuchs Erwin Rommel einen guten Mann sein, vergaß den Kampf um El-Alamein und blies zur Affenjagd. Ergebnis des Sondereinsatzes: Der Bestand der Berberaffen (Makakus sylvanus) auf dem Stützpunkt in Gibraltar stieg auf 35 und war so fürs Erste gerettet.

So war gleichzeitig auch die militärische Präsenz der Briten an der Einfahrt zum Mittelmeer gesichert. Eine Legende besagt nämlich, dass die Engländer die Hoheit über ihre Festung verlieren würden, sobald der letzte Affe von dort verschwindet.

Eine Erklärung für die ominöse Weissagung: Die Affen seien aus britischer Sicht der Beweis dafür, dass Gibraltar zu Afrika gehöre. Spanien, das den britischen Besitz partout nicht akzeptieren will, habe also kein Anrecht auf den Felsen.

Jedenfalls wollte Churchill zu Kriegszeiten kein schlechtes Omen riskieren. Als 1942 die Makaken wegen akuter Unterbesetzung vom Aussterben bedroht waren, schlug der Londoner Premier persönlich Alarm. Auch in der Nachkriegszeit nahm die Royal Army die strategische Bedeutung der Tiere ernst. Bis 1999 waren sie dem Londoner Kriegsministerium unterstellt, ein Offizier kümmerte sich um Futter und Wohlergehen der Tiere. Heute leben sie unter den Fittichen der Vogelfreunde von der „Gibraltar Ornithological and Natural History Society" (GONHS).

„Ohne es wohl zu wissen, haben die Militärs 1942 für genau die Gruppenstärke gesorgt, die zur Arterhaltung mindestens nötig ist", sagt John Cortez von der GONHS. Heute sind es 250 Tiere.

Churchill mag das Überleben der Makaken gerettet haben. Ihre bizarre Heimat selbst aber verdankt die Horde Affen eigentlich einer Herde Rinder - und Herkules, auch wenn es zu seiner Zeit wahrscheinlich noch gar keine Affen hier gab. Der hübsche Hüne sollte einst im Auftrag des Königs von Theben die Rinder des Geryones befreien, eines dreiköpfigen und sogar dreileibigen Riesen. Geryones wohnte auf Erytheia, einer Insel, die dort liegt, wo das Meer endet und in das Totenreich mündet. Diese ultimative Region ist heute die Straße von Gibraltar. Dahinter ging es, nach dem Weltbild der frühen Antike, nicht mehr weiter. Das Ende des Mittelmeeres war das Ende der Welt.

Natürlich besiegte Herkules, auf Erytheia angekommen, den dämonischen Dreileib und erlöste die Wiederkäuer aus grausamer Herrschaft. Doch wesentlicher noch als seine Rache für bovines Leid war, dass er hinter das Ende sah, unerschrocken an die Gestaden des Atlantiks trat, an den Okeanus, quasi Auge in Auge mit dem Untergang, damals eigentlich unglaublich. Eine Tat, die viele herkulische Kraftakte in den Schatten stellte. Damit ihm dies überhaupt jemand glaubte, sah er sich genötigt, zum Beweis seines Hierseins die „Säulen des Herkules" zu errichten: den Felsen von Gibraltar.

Und so gelten heute die Makaken als die Wächter der Säulen des Herkules. Zweieinhalb Hundertschaften krakeelender Affen obliegt es, den Ausgang aus der alten Welt und den Eingang zum Meer der Ungewissheit zu kontrollieren. Verwandtschaftsbedingt ist der Makak - er lebt vor allem in Süd- und Ostasien - durchaus kompetent, ist seine Cousine doch die Meerkatze, die wie er zur Familie der Hundsaffen gehört, was die Sippe für die Bewachung maritimer Ein- und Ausgänge prädestiniert. Die Meerenge aus den Augen verlieren dürften die Berberaffen jedenfalls nicht, lebt doch auf der anderen Seite in den Tälern des Atlas ihre allernächste Verwandtschaft - eben auch Berberaffen. Spüren sie Heimweh nach Afrika?


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mare No. 25

No. 25April / Mai 2001

Von Ulli Kulke, Heidi und Hans-Jürgen Koch

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, war von 1996 bis 2001 stellvertretender mare-Chefredakteur. In Heft 24 schrieb er über das Mühlsteingeld von Yap.

Die Fotografen Heidi und Hans-Jürgen Koch leben in Berlin. Ihre Exklusiv-Reportage für mare No.18 über Eisbären wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, war von 1996 bis 2001 stellvertretender mare-Chefredakteur. In Heft 24 schrieb er über das Mühlsteingeld von Yap.

Die Fotografen Heidi und Hans-Jürgen Koch leben in Berlin. Ihre Exklusiv-Reportage für mare No.18 über Eisbären wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet.
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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, war von 1996 bis 2001 stellvertretender mare-Chefredakteur. In Heft 24 schrieb er über das Mühlsteingeld von Yap.

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