Agenten planschen nicht

Weil sein Schöpfer Ian Flemming so gerne schnorchelte, muss auch James Bond seine Abenteuer auf See bestehen

Ausser zu Esszwecken tötete James Bond Fische nur selten, aber es gab Ausnahmen. Die großen Muränenaale zählten dazu und alles, was zur Familie der Skorpionfische gehörte. Und jetzt wollte er diesem bösartig aussehenden Stachelrochen den Garaus machen.“ So steht es in Ian Flemings schöner Erzählung „Die Hildebrand-Rarität“ geschrieben, und der Erfinder des berühmtesten Spions der Welt handelte nicht anders: Agenten planschen nicht.

Ian Fleming hat seine maritime Biografie auf die Figur des Navy Commander James Bond übertragen. Dabei verkörpert Bond die Spannkraft und die Agilität unter Wasser, von der Fleming immer träumte, was vor allem deutlich wird, wenn man Fotos von Fleming und Sean Connery, dem ersten Bond-Darsteller im Jahr 1962, in Badehose vergleicht. Fleming durfte Connery noch, glücklich über dessen Interpretation der Figur, im hauptsächlich auf Jamaika gedrehten Film „Dr. No“ erleben, bevor er 1964 starb. Seine zwölf Romane und ein knappes Dutzend Kurzgeschichten umfassende Bond-Saga erzählt also auch von seiner lebenslänglichen Leidenschaft für die „einsame und fremde“ Unterwasserwelt. „Es gibt genauso viele Geschichten im Riff wie Fische im Meer“, lautete seine Überzeugung.

Direkt vor dem Strand seines jamaikanischen Sommersitzes „Goldeneye“ gab es ein mächtiges, dunkles Korallenriff mit vielen Fischschwärmen. Auch Hummer und Kraken entdeckte Fleming in der faszinierenden Welt, die unter seinem Anwesen existierte. Mit Schnorchel und Taucherbrille verbrachte er viele Stunden in Gesellschaft seiner neuen Nachbarn und spießte, seinem Biografen Andrew Lycett zufolge, regelmäßig Hummer fürs Abendessen auf den Dreizack.

Begeistert vom Meer war Ian Fleming schon im Alter von sechs Jahren. Das von ihm besuchte Internat Durnford, in Dorset an Englands Kanalküste gelegen, wartete mit einem besonderen Freizeitvergnügen auf: ein „Dancing Ledge“ genanntes Meerwasserschwimmbecken, das an der Küste aus dem Fels gesprengt worden war. Hier tauchten die Kinder „wie Robben“ und vergnügten sich in der „stärkenden Brise der offenen See“, wie sich ein Mitschüler erinnerte. Und vom familiären Korsika-Urlaub im Sommer 1929 wusste man zu berichten, dass Ian fünf bis sechs Mal am Tag schwimmen ging.

1939 trat Fleming in den britischen Geheimdienst ein, selbstverständlich bei der Marine, der Naval Intelligence Division (NID). Als er seinem Vorgesetzten den idealen Agenten beschrieb, um in der Nordsee ein deutsches Minensuchboot zu kapern, scheint Fleming bereits James Bond im Sinn gehabt zu haben: „Ein abgehärteter Junggeselle, der schwimmen kann.“ Und so wird Bond in Flemings Geschichten immer wieder ins Wasser geschickt, unterzieht sich etwa in den Romanen „Casino Royale“, „Dr. No“ und „Leben und sterben lassen“ jeweils einem tagelangen Schwimmtraining. Sei es zur Rehabilitation nach einer schweren Verletzung oder zur Vorbereitung auf einen schwierigen Einsatz: Bewegung im Meer tut gut. „Er tauchte, so lange er konnte, schwamm mit kräftigen Stößen unter Wasser und spürte die sanfte Kühle am ganzen Körper.“

Schon Ende 1942 hatte Ian Fleming beschlossen, was er nach dem Krieg tun würde: „Einfach in Jamaika leben und rumhängen und im Meer schwimmen und Bücher schreiben.“ Fortan setzte er alles daran, diese Vision eines amphibischen Lebens zwischen Schreibmaschine und Korallenriff Realität werden zu lassen.

Auf einer Party in London lernte er Jacques Cousteau kennen. Der Meeresforscher, der sagte, an diesem Abend sei „viel von Fischen die Rede gewesen“, lud den Schriftsteller ein, seine Yacht „Calypso“ zu besuchen. Fleming nahm an, reiste nach Marseille, recherchierte begeistert für seinen neuen Bond-Roman „Leben und sterben lassen“ und berichtete in der „Sunday Times“ über das „einsame und seltsame Geschäft“ des Tauchens: „Die Sichtverhältnisse haben diese ermüdende Undurchlässigkeit, wie man sie vom Autofahren in der Dämmerung kennt. Du kannst kaum etwas sehen, und du würdest noch weniger erkennen, wenn du die Scheinwerfer einschaltest.“

Fleming beklagte, dass man in England viel zu wenig von den maritimen Expeditionen und Cousteaus Arbeit erführe, und holte dies umgehend für das britische Publikum in Monaco nach. „Eine mit dem Casino konkurrierende Attraktion ist für mich das Musée Océanographique neben dem Prinzenpalast von Monaco. Captain Jacques-Ives Cousteau zeigte mir die neuen Laboratorien, die mit jeder Art von modernen Instrumenten ausgestattet sind, um die physische Beschaffenheit von Seewasser zu messen und andere abstruse ozeanografische Probleme zu lösen. Und ich sah die neuesten Ausstellungsstücke, spektakuläre Geschöpfe aus den unendlichen Tiefen, phosphoreszierend in einem abgedunkelten Raum.“


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mare No. 51

No. 51August / September 2005

Von Christian Kortmann

Christian Kortmann, Jahrgang 1974, promovierte über literarische Erstlingswerke, darunter Casino Royale von Ian Fleming. Er lebt als freier Autor in München. Sein Buch Urban Safari – Expeditionen in die populäre Kultur erschien 2003.

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Vita Christian Kortmann, Jahrgang 1974, promovierte über literarische Erstlingswerke, darunter Casino Royale von Ian Fleming. Er lebt als freier Autor in München. Sein Buch Urban Safari – Expeditionen in die populäre Kultur erschien 2003.
Person Von Christian Kortmann
Vita Christian Kortmann, Jahrgang 1974, promovierte über literarische Erstlingswerke, darunter Casino Royale von Ian Fleming. Er lebt als freier Autor in München. Sein Buch Urban Safari – Expeditionen in die populäre Kultur erschien 2003.
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