Das Wetter war rau und die See stürmisch, als Barrie Baronian, der Lehrer, eines Tages von seinem Tisch in der Dorfschulklasse aufs Meer schaute (die Schule über der Steilküste gestattet eine phantastische Aussicht über den Pazifik). „Da kommt ja eine Yacht“, rief er aufgeregt, nachdem er ein weißes Segel gesehen hatte. Alle Schüler rannten zum Fenster und sahen – nichts. Auch Barrie erspähte nichts mehr. Dafür waren im nächsten Moment zwei Segel da, sogar drei – und wieder weg. Schließlich klärte sich alles auf. Es waren die Finnen von Buckelwalen (zwei Erwachsene und ein Baby), die vor Pitcairns Steilküste auftauchten. Das war vor zwei Monaten. Seither schwimmen sie unterhalb der Schule. Barrie fragt: „Gibt es auf der ganzen Welt eine andere Schule, in der die Kinder von ihrem Pult aus direkt auf schwimmende Wale herabblicken können?“ Erst vor kurzem waren im Biologieunterricht Wale dran.
Mit der „Sidney Star“ kam John Arundell, Nachfahre von „Bounty“-Käpt’n Bligh. Ein japanisches Filmteam, das schon Wochen hier war, drehte ein paar Spots mit ihm, und am nächsten Tag fuhren alle mit dem Schiff weg. „Das“, kommentiert Redakteurin Debbie, „nenne ich einen wahren Blitzbesuch.“
Gail Cox, die Polizeibeamtin aus dem Mutterland Großbritannien, die zur Unterstützung für sechs Wochen in Adamstown Dienst tat, ist abgereist. Inselpolizistin Meralda sorgt wieder allein für Recht und Ordnung. Gail hat sich mit allen Pitcairnern angefreundet und will so schnell wie möglich wieder hierherversetzt werden. Unter anderem brachte sie die Straßenverkehrsordnung auf die Höhe der Zeit der Vierradbuggies.
Es war eigentlich ein ruhiger Abend. Aber dann sah Dave, kurz nachdem der Stromgenerator abgeschaltet war, von seinem „Landhaus“ aus Lichter am Horizont. Über Kurzwelle bekam er heraus, dass es sich um einen Frachter auf dem Weg von Polen nach Neuseeland handelte. Seine Bitte an den Kapitän, kurz mal vor der Insel zu halten, um Briefe mitzunehmen, wurde nicht erhört: In der Dunkelheit habe er keine Lust dazu, funkte der Kapitän. Dave bat ihn inständigst, weil der letzte Postausgang von Pitcairn schon so lange her sei. Es muss sich nach vielen Jahren angehört haben, denn schließlich antwortete der Kapitän, er komme in zwei Stunden und hole die Post ab. Dave setzte einen Rundruf übers Inseltelefon ab, schmiss den Generator wieder an, und ganz Adamstown war um Mitternacht eine Gesellschaft von Briefeschreibern und Päckchenpackern. Postmann Dennis öffnete seinen Schalter, verkaufte massenhaft Karten und Briefmarken und verstaute die Sachen bestens sortiert in den Säcken der Royal Mail. „Die Hölle war los“, schreibt der Chronist der „Miscellany“. Um eins läutete Dave die Glocke und eiligst fanden sich die Pitcairner und gerade anwesender Besuch unten am „Landing“ ein, um mit dem Longboat dem Superfrachter entgegen zu fahren, der – gespenstisch, gespenstisch – plötzlich seine riesigen Zwillingstürme am Vor- und Achterschiff in Flutlicht setzte. Auf dem Frachter dann boten die Pitcairner wie immer schnell noch ihre Schnitzereien und Obst feil, während ihre Besucher, die mit rausgefahren waren, nicht minder eilig an die Bar gingen, um „Erfrischungen“ (Red. „Miscellany“) einzunehmen (auf Pitcairn ist Alkohol verboten, Red. mare).
Ulli Kulke, Jahrgang 1952, war Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
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Vita | Ulli Kulke, Jahrgang 1952, war Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt. |
Person | Von Ulli Kulke |
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