25°04' Süd, 130°06' West - Folge 43

Das Problem mit den Ratten auf Pitcairn ist erst mal gelöst – dank massenhafter Zuwanderung von Katzen. Experten hatten den Inselbewohnern vor Jahren geraten, alle Katzen abzuschaffen zum Schutz der Vögel. Das Rattenproblem werde man schon mit Gift lösen. Worauf sich die Nager allerdings so sehr vermehrten, dass sie den Vögeln das Futter streitig machten. Nun sind also wieder die Pussinatoren am Werk. Übrigens, wie es heißt, sehr viele sehr junge, die sich mutig ans Werk machen. Die gemeine polynesische Ratte misst schließlich bis zu 13 Zentimeter Länge, mit Schwanz sogar 28, und bringt 60 bis 80 Gramm auf die Waage. Unterstützung von Hunden gibt es kaum. Nur noch einer lebt auf der Insel, ein schwarzer Labrador, alt und fußlahm.

Eine Vollversammlung der Pitcairner beschloss, einen Vertreter zur regulären Sitzung des UN-Komitees zur Entkolonisierung zu entsenden. Kevin Young fuhr als Botschafter zu der Konferenz in Anguilla. Er beantragte, dass eine Abordnung des UN-Komitees nach Pitcairn reisen möge, um die Bewohner dort von den drei „unnötigen und unerwünschten“ britischen Polizisten zu befreien. London hatte die Beamten für die Dauer des Prozesses wegen sexueller Verfehlungen auf die Insel entsandt, den die Bewohner aber – darin sind sich alle sehr einig – selbst führen wollen (mare berichtete). „Unsere Inselpolizistin braucht keine Unterstützung“, sagte Kevin, „wir brauchen eher einen Arzt.“ Außerdem beklagte er, dass die britische Regierung alle zugesagten Projekte der letzten Jahre – eine Straße von der Landestelle hinauf ins Dorf sowie eine Slipanlage für die Boote – ohne Begründung einfach gestrichen habe.

Angesichts der prekären Lage wegen des Prozesses ist man für jedes gute Wort aus dem Mutterland dankbar. Besonders, wenn es von der Queen persönlich kommt. Die bedankte sich jetzt schriftlich für die schnelle Hilfe, die Pitcairns Männer einem Briten zuteil werden ließen, der auf der nächsten (aber dennoch weit entfernten) unbewohnten Insel Henderson einen komplizierten Beinbruch erlitt. Das Longboat wurde zu Wasser gelassen und tuckerte 14 Stunden lang hin und ebenso lange wieder zurück. Derweil leitete Meralda oben auf dem Hügel von der Funkstation aus das nächste Kreuzfahrtschiff zu einem Abstecher nach Pitcairn um, damit der Unglückliche ins Krankenhaus nach Tahiti expediert werden konnte.

Apropos Henderson: Kürzlich stand erneut ein Trip auf die Insel an, auf der sich ja von Zeit zu Zeit diejenigen mit Miroholz eindecken, die ihre Schnitzereien auf vorbeifahrenden Kreuzfahrtschiffen verkaufen. Sieben Mann waren diesmal an Bord. Aber Holz schlug nur einer: Mike. Alle anderen konnten den ganzen Tag nicht von ihrer Angel lassen – sie taten also, was sie auch vor ihrer Heimatküste am liebsten treiben. Anderswo ist man nach Alkohol oder Nikotin süchtig. Auf Pitcairn gibt es nichts davon. Also frönt man einer anderen Sucht: Angeln und Fischen.

Der Besuch auf Pitcairn ist nicht mehr umsonst. Ab sofort müssen alle, die mit einem Boot vor der Insel ankern und für ein, zwei Tage in Häusern von Adamstown nächtigen, für die Unterkunft zahlen: 35 US-Dollar ist der Normaltarif pro Tag, Studenten müssen 20 Dollar bezahlen.

Gemeinschaftsarbeit stand an. Diesmal ging es an die überall sprießenden Roseapple-Bäume. Viele Jahre hatte sich niemand um sie gekümmert, im Inselrat wurde deshalb beschlossen, sie sollten endlich mal wieder verjüngt werden, um den heimischen Pflanzen frischeren Wuchs zu ermöglichen. Nebeneffekt: Berge von Brennholz fielen an, die bei der hohen Barbecue-Kultur sicher schnell verbraucht sind.

mare No. 43

No. 43April / Mai 2004

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
Person Von Ulli Kulke
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