25°04' Süd, 130°06' West - Folge 4

Viel Besuch war in letzter Zeit da. Ein „Terminator“-Team schaffte es endlich, nach Pitcairn zu kommen, um der Rattenplage Herr zu werden. Erst nach und nach wurde den Neuseeländern klar, wie groß ein viereinhalb Quadratkilometer großer, von Unterholz überwucherter Felsklotz sein kann. Sieben Tonnen Rattengift haben sie eingesetzt und nebenbei viele Hauskatzen kastriert. Außerdem waren in Adamstown: Sechs Botaniker, die den „Sharkwoodbaum“ untersuchten, der außer auf Pitcairn nirgendwo sonst wächst. Sowie eine achtköpfige Gruppe japanischer Fotografen (!). Und zwei Seismologen mit schwerem Gerät. Da es in dieser großen Region nur eine Insel gibt, nämlich Pitcairn, hat das Global Seismic Network (GSN) jetzt hier eine Messstation errichtet, um die weltweite Erdbebenforschung voranzutreiben. Michael Warren als einheimischer Stationschef und Tom Christian als sein Gehilfe sind bereits angelernt. Wer wissen will, was für Erschütterungen in und um Pitcairn sind: Internet: http://aslwww.cr.usgs.gov/

Erschütterungen ganz anderer Art war Pitcairn in letzter Zeit ausgesetzt. Die Engländerin Dea Birkett war von dem Film „Meuterei auf der Bounty“ mit Mel Gibson so angetan, daß sie unbedingt auf die Insel wollte. Nach zwei Jahren erhielt sie vom Inselrat die Einreiseerlaubnis. Kaum angekommen, begann sie mit Nig Brown (seinerzeit Inselpolizist) eine Affäre, die aber unglücklich endete. Kaum wieder zu Hause, schrieb sie ein Buch mit dem Tenor: Ein Paradies, das überhaupt keines ist, und die Insulaner seien alle verstörte Menschen, die in ihrem Dorf gefangen seien, und so weiter (jetzt in England erschienen: „The Serpent in Paradise“). Für Tom Christian ist Birkett, wie er sagt, eine „schlechte Person“. Als die britische Regierung jetzt beschloß, jährlich für ein paar Wochen einen auswärtigen Bobby nach Pitcairn zu schicken, um den Dorfpolizisten zu unterstützen, sagte Birkett: Seht Ihr: Die Pitcairner sind auch noch kriminell. Eine Schwierigkeit hat die einheimische Polizeikraft unbestritten: Was immer passiert, ihr stehen als Verdächtige stets nur Verwandte zur Verfügung.

Derzeitige Polizistin ist übrigens Inselbardin Meralda Warren. Sie ordnete kürzlich, als es so trocken war, wieder an, mit den Dreiradbuggies gefälligst die Höchstgeschwindigkeit (25 Meilen, in Adamstown 15) einzuhalten. Der Staub, der von den Lehmwegen in die Häuser geweht werde, sei sonst unerträglich.

Nun, da Seismologen, Biologen und Terminatoren abreisen, stand natürlich eines an: Ein Kricketturnier, Pitcairn gegen den Rest der Welt. Bei mare-Redaktionsschluss führte der Rest — ein Novum. Bislang sorgten die Pitcairner durch Regelauslegungen oder (Heim-) Schiedsrichterentscheidungen noch stets dafür, dass nichts anbrennt. Aber vielleicht liegt es ja daran, dass einige Leistungsträger Pitcairns zu Besuch in Neuseeland weilen und ihre Rückkehr sich, naturgemäß, hinzieht. Nach jedem Spieltag gabs übrigens Barbecue.

Die Kricket-Größen der Insel können in ein paar Jahren von einem Auslandsbesuch vielleicht schneller heimkehren, dafür muss aber das Kricket-„Stadion“ Aute Valley womöglich umziehen. Die Mehrheit der Pitcairner ist nämlich dabei, ihren Widerstand gegen eine Landepiste (einzig möglicher Ort: Aute Valley) aufzugeben, um das Leben auf der Insel auch für die Jüngeren attraktiver zu machen und so ihre Abwanderung zu stoppen. Der langjährige Verfechter, Tom, hat nunmehr auch die ärgste Flugplatzgegnerin, Meralda, überzeugt. Erst vor wenigen Wochen war ein Fachmann aus Australien da, der einen Airstrip von 600 Meter Länge vorschlägt. Bauen, so hört man, würde das Ganze die Französische Fremdenlegion aus Tahiti.

mare No. 4

No. 4Oktober / November 1997

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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