25°04' Süd, 130°06' West - Folge 26

Regelmäßig einmal im Jahr kommen die Buckelwale auf ihrem Zug durch den Pazifik vor die Kliffs von Pitcairn und machen erstmal ein paar Tage Pause, um ihre Tauchkunststücke vorzuführen. Die beste Aussicht auf die wilden Tänze war auch diesmal wieder von der Schulwiese. Doch die Kinder durften nicht alles mit ansehen - tanzten doch die Wale in diesem Jahr merkwürdigerweise bevorzugt zur Nachtzeit durch die mondbeschienene Dünung.

Dafür stand ein anderes „Vergnügen" auf dem Stundenplan. Das Zuckerrohr war reif, und die Melasseproduktion konnte besichtigt werden. Das Rohr wird in der Mühle zerquetscht und die Flüssigkeit anschließend in einem Riesenbottich aufgekocht. Erst wollte und wollte das Feuer unter dem Topf nicht brennen, dafür konnten die Kinder anschließend vor lauter Rauch gar nichts mehr sehen. Kein Grund, die Mühle zu verlassen, schließlich zählt der Cocktail aus Melasse und Pfeilwurzelsaft zu den „favourites" der Inseljugend. Für die Lehrerin, eine Neuseeländerin, war der Stoff dagegen ziemlich gewöhnungsbedürftig: „Nicht schlecht", schrieb sie im „Miscellany", „aber man musste die ganze Zeit das Gefühl unterdrücken, man nehme etwas ganz anderes, Unappetitliches zu sich." Pitcairner essen das Ganze vor allem als Füllung ihrer Pfannkuchen.

Dieses und andere Rezepte aus Pitcairn sind nachzulesen in „Irma's Cookbook", das vor wenigen Wochen erschien (das zweite Buch mit Pitcairns Spezialitäten, nachdem vor Jahren bereits Meralda Warren ihr „Taste of Pitcairn" veröffentlicht hatte). Irma konnte nun die geballte Erfahrung ihrer 73 Jahre in die Küchenwaagschale werfen.

Klar, dass auf den Herden der Insel vor allem Produkte aus den eigenen Gärten verbraten und gekocht werden. In letzter Zeit allerdings bauen die Pitcairner außer für den Eigenbedarf zunehmend auch für den Export an. Vor allem getrocknete Ananas und Bananen sowie Honig und Kokosprodukte werden auf vorüberfahrenden Schiffen verkauft oder auf Anfrage auch ins Ausland versandt. Ihren ersten Geburtstag feierte jetzt die Vertriebsgenossenschaft „Pitcairn Island Producers' Cooperative" (Pipco), die die Vermarktung organisieren soll. Wie so vieles andere ist auch dieses für die Insulaner Grund genug, demnächst eine Sonderbriefmarke herauszubringen. Natürlich nicht zuletzt deshalb, weil die Pitcairner auch damit Geld verdienen - was sie in letzter Zeit umso dringender benötigen, als die Zuschüsse aus dem Mutterland Großbritannien immer geringer werden.

Sieger im Wettfischen vom Boot aus war diesmal das Team Dave und Pawl; sie hatten den dicksten Fang. Doch ihr Erfolg stand ganz im Schatten des Tiers, das bei Len Brown an der Leine hing: eine fast mannsgroße Dorade. Zum Beweis für die Außenwelt veröffentlichte der „Miscellany" ein Foto von Len mit Fisch.

Nach wie vor die einfachste und billigste Nachrichtenverbindung mit Pitcairn ist übrigens der Kurzwellenfunk. Für alle, die über eine Anlage verfügen: Über die Regierungsfunkstelle darf natürlich nur Amtliches laufen. Aber Tom Christian, der gerade pensionierte Chef der Station, sowie seine Nachfolgerin und Ehefrau Betty unterhalten (wie mehrere Pitcairner) auch eine private „Hamradio"-Anlage zu Hause. Jeden Dienstag um 23.30 Uhr Weltzeit ist Tom (Rufname: „VP6TC") auf 21348 oder 14181 Kilohertz zu sprechen, Betty mittwochs („VP6YL") um 17.00 Uhr Weltzeit auf 21325 oder auch 21348 kHz.

mare No. 26

No. 26Juni / Juli 2001

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, war Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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