25°04' Süd, 130°06' West - Folge 21

Nach den Ferien gings in der Schule erst mal mit einer Aufsatzserie los: „Die Fahrt der Bounty von England bis zu ihrem Feuertod in der Bounty Bay“. Als Abfallprodukt entstanden drei Songs zum Thema, die anschließend zum abendfüllenden Musical „Weg mit der Meuterei“ ausgebaut wurden. Kleines Problem: Keiner der Pennäler wollte den Antihelden Käpten Bligh spielen. Doch Gott sei Dank war unter den Schulkindern auch eine Nicht-Pitcairnerin, nämlich Hannah, die Tochter der Lehrerin Sheils, die mit der für die Insulaner so heiklen Rolle keine Probleme hatte.

Trägerin des Preises für die „besten Fortschritte in der Schule“ war übrigens dieses Mal: Hannah. Es war ihre letzte große Stunde auf Pitcairn. Ihre Mutter Sheils wurde als Lehrerin turnusgemäß nach zwei Jahren von der nächsten Neuseeländerin abgelöst und zog mit ihrem Mann Daniel und Hannah zurück in die Heimat.

Eine Berichtigung: Dobrey, 77, hat den Senioren-Rekord beim Kletteraufstieg vom Strand von „Down Rope“ (siehe Heft No. 20) nicht mit 50 Minuten, sondern mit 15 Minuten aufgestellt! Sheils Carnihan, die junge Lehrerin und „Miscellany“-Redakteurin aus Neuseeland, gibt zu, sich verhört zu haben, als sie „50 Minuten“ in der Zeitung meldete; ganz offenbar war sie selbst nie unten bei „Down Rope“. „Dobrey spricht trotzdem noch mit mir“, schreibt Sheils erleichtert und fährt fort: „Jetzt will Irma, 73, die Strecke ebenfalls anpacken.“ Kein Zweifel, die alten Pitcairner sind vom Ehrgeiz getrieben. Die Gemeinde erinnert sich immer noch daran, als Andrew Young, gerade 83 geworden, von seinem Nachbarn scherzhaft angesprochen wurde: „Langsam wirst Du alt.“ Andrew konnte darüber gar nicht lachen und versank in Gram. Dann ging er runter zur Bounty Bay, setzte sich in sein Kajak und umrundete die Insel – in einer guten Stunde, wie er geltend machte.

Eine Handvoll Kinder leben auf Pitcairn, viele, viele Alte bis Steinalte und nur wenige, die nach internationalem Standard im Erwerbsfähigen-Alter eingestuft würden. Und von denen fallen nun auch noch drei aus: Steve Christian, zwischen zwei Hüftoperationen in Neuseeland vorübergehend zurückgekehrt, läuft auf Krücken. Pawl hat in seinem Boot mal wieder mit einem Barrakuda gekämpft und einen Riesen-Holzsplitter im Fuß davongetragen. Und Postmeister Dennis hat sich seinen Knöchel verdreht. Diagnose in der Sanitätsstation: Bruch eines Fußknochens. Am Röntgengerät: Steve, auf Krücken. Die Chronistin der „Pitcairn Miscellany“ brachte nun den Gedanken an eine Behinderten-Olympiade auf Pitcairn ins Spiel.

Inselpolizistin Meralda und ihre Kollegin, Women Police Constable (WPC) Gail Cox aus England (siehe Folge 20), haben sich zum letzten Maskenball eine treffliche Verkleidung ausgedacht: Sie kamen als „Die zwei fürchterlichen Hexen“ daher. Meralda hatte ihre vorübergehende Verstärkung übrigens selbst aus Neuseeland abgeholt. Bis beide auf dem Versorgungsschiff „Queensland Star“ eintrafen, war Pitcairn deshalb mehrere Wochen ohne Ordnungshüterin. Obendrein kam das Schiff mit ein paar Tagen Verspätung an – wegen eines Umweges zum Krankenhaus in Rarotonga auf den Cook Islands. Bei stürmischer See hatte sich eine der älteren Passagierinnen ihren Daumen in der zuschlagenden Badezimmertür gequetscht. Erste Hilfe auf dem Dampfer musste Meralda, im Nebenberuf Krankenschwester, leisten. Jeder Pitcairner weiß, dass Meralda sehr anfällig für Seekrankheit ist, und kann sich denken, dass bei der Behandlung in schwankender Kajüte nicht nur die Patientin litt.

mare No. 21

No. 21August / September 2000

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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