25°04' Süd, 130°06' West - Folge 20

Eines der berühmtesten Kanus der Südsee, die „Hokule’a“ aus Hawaii, ankerte für einen Tag vor der Insel. Seit 1975 segelt sie durch den Südpazifik, um den Polynesiern die große Seefahrer-Vergangenheit ihrer Vorfahren näher zu bringen, die bereits vor rund 3000 Jahren die winzigen Inseln in den pazifischen Weiten aufsuchten. Die 15-köpfige Crew der „Hokule’a“ nahm sich viel Zeit, den Pitcairnern über die altpolynesischen Kanufahrten zu erzählen und den Schulkindern ein traditionelles hawaiianisches Brettspiel zu schnitzen. Dafür fingen die Pitcairner jede Menge Fisch für die Weiterfahrt. Natürlich gab’s an der Bounty Bay auch ein ausgiebiges Barbecue. Auf ihrer Fahrt von Hawaii nach Pitcairn hatten die „Hokule’a“-Kanuten – wie stets – nur Sterne und Wellen zur Navigation genutzt, ganz wie jene Seefahrer, die in grauer Vorzeit einmal Pitcairn bewohnt haben müssen. Als die Meuterer 1790 auf die unbewohnte Insel kamen, entdeckten sie oberhalb der Bounty Bay Götzenstatuen, hatten aber nichts Besseres zu tun, als sie zu zertrümmern. Erhalten blieben lediglich ein paar Felszeichnungen an Pitcairns einzigem Strand, „Down Rope“, der nur schwer zugänglich ist.

Apropos „Down Rope“: Dobrey, 77, hat einen nur schwer zu brechenden Seniorenrekord auf dieser anspruchsvollen Strecke aufgestellt: 20 Minuten Abstieg, 50 Minuten Aufstieg (gestoppt!). Die Felsetappe ist eigentlich nur mit Hilfe eines langen Seiles („Rope“) zu bewältigen, was aber vor vielen Jahren verschwand. Dobrey war gut gestärkt in die Wand gestiegen. Kurz zuvor war sie Königin beim Mais-Essen geworden: Auf 15 Kolben hatte sie es gebracht! Der Zweite „nur“ auf elf.

Konflikt auf „höchster Ebene“: Wer darf die „Top level domain“ Pitcairns, also das Kürzel „.pn“, als Endung seiner Internet-Adresse benutzen? Und vor allem: Wer darf sie verkaufen? Einerseits ist der Streit bizarr, weil auf Pitcairn niemand Internet-Zugang hat. Andererseits ist er durchaus bedeutend. Und zwar nicht nur deshalb, weil es um den „top level“ geht, sondern weil in seinem Zentrum herausragende Insel-Persönlichkeiten stehen: das Ehepaar Tom und Betty Christian, beide Urururenkel von Fletcher Christian, dem Anführer der Bounty-Meuterer. Tom, stellvertretender Pastor der Inselgemeinde Adamstown sowie als Chef der Inselfunkstation heimlicher „Außenminister“ Pitcairns, hatte 1997 einer britischen Firma das Recht abgetreten, die Benutzung der Internet-Landeskennung der kleinsten britischen Kolonie an Interessenten zu verkaufen. Das große Geschäft ist damit noch nicht gelaufen, aber rund 20 Interessenten haben sich die Endung bereits gesichert, beispielsweise die Firmen Chanel und Visa – wohl aus Furcht, dass irgendjemand ihre Namen mit der Domain „.pn“ missbräuchlich einsetzen könnte. Ende 1999 hatten fast alle Pitcairner eine Petition an die zuständige „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ (Icann) mit dem Ziel gerichtet, Tom und der britischen Firma das Management des „.pn“-Kürzels zu entziehen – mit Erfolg. Jetzt hat Icann das Recht auf seine Vergabe an den Inselrat übertragen. Die einzigen Namen, die nicht unter der Petition standen: Tom und Betty Christian. Es steht zu befürchten, dass deren Stellung auf der Insel – geachtet, aber auch beneidet – durch die Affäre nicht gestärkt wurde.

Gail Cox ist wieder im Lande. Die Polizeimeisterin aus der Grafschaft Kent, die bereits im Jahre 1997 ein wenig in Pitcairns Rechtswesen aufräumte (unter anderem führte sie so etwas wie eine Straßenverkehrsordnung für die Drei- und Vierradbuggies ein), will ihre Arbeit nun fortsetzen.

mare No. 20

No. 20Juni / Juli 2000

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
Person Von Ulli Kulke
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