25°04' Süd, 130°06' West -Folge 19

1700 Fische haben die Teilnehmer des traditionellen Jahresausfluges zur Insel Oeno mitgebracht. Der Fang, Red Snapper und Meeresforellen, wurde zwischen den 17 Familien nach alter Tradition geteilt. Eine möglichst gerechte Hand verteilte die Fische auf Häufchen; anschließend bekommt irgendjemand die Augen verbunden und bestimmt blind den Besitzer derjenigen Portion, auf die eine andere Person zuvor gezeigt hat. Zum ersten Mal haben die Pitcairner diesmal eine generatorbetriebene Tiefkühlbox mit auf die Reise genommen. Das unbewohnte Atoll Oeno, 120 Kilometer nordwestlich gelegen, wird von Pitcairn aus verwaltet.

Nette Neuigkeiten aus den USA: Charles Christian hat Barbara Weremeichik geheiratet. Barbara war vor zwei Jahren im Zuge einer Kreuzfahrt für einen Tag auf der Insel. Dabei lernte sie Charles kennen, ein Briefkontakt entspann sich. Als Charles nun Barbara besuchte, unternahmen sie ausgedehnte Fahrten durch Amerika und kamen sich näher. Nun wollen sie im Laufe des Jahres nach Pitcairn kommen und dort leben.

Noch eine gute Nachricht: Die neuseeländischen Behörden haben jetzt den Export von Pitcairns Honig als gesundheitlich unbedenklich freigegeben. Die Inhaber der rund 60 Bienenstöcke können sich freuen.

Jetzt hat auch die kleinste Hauptstadt der Welt, Adamstown, die einzige Siedlung auf Pitcairn, das Amt eines Bürgermeisters eingerichtet. Erster gewählter Amtsinhaber ist ein Mann mit würdigem Namen: Steve Christian, Ururururenkel Fletcher Christians, weiland Chef der Meuterer. Steve ist auch der Insel-Ingenieur, der vor allem das kleine Kraftwerk wartet und bei Bedarf am Steuer des Raupenschleppers sitzt. Bislang war das höchste Amt in Adamstown der Insel-Magistrat, zuletzt von Jay Warren bekleidet. Der Magistrat repräsentierte sowohl die Verwaltung wie auch, als „oberster Richter“, die Justiz. Die zwei Gewalten sind nun getrennt. Jays neuer Posten ist ab sofort: Vorsitzender des Inselrates. Damit rückte er aus der Exekutive in die Legislative; der fünfköpfige Inselrat bestimmt nämlich die Grundsätze des Zusammenlebens, vor allem die Gemeinschaftsarbeit. Ob Jay nach wie vor auch als Richter fungieren wird, ist noch unklar, und damit die Zukunft der dritten Gewalt insgesamt. Seit langem fand aber sowieso keine Gerichtsverhandlung auf Pitcairn statt. Das neue, dreizellige Gefängnis war jedenfalls noch nie bewohnt.

Das Leben wird teurer auf der Insel. Die Energiekosten für den Strom aus dem Generator werden sich künftig mehr als verdoppeln, ebenso die Kosten für die Fracht von Versorgungsgütern und die Tickets auf den Frachtschiffen nach Neuseeland – ein Problem besonders für diejenigen, die aus medizinischen Gründen reisen müssen. Grund für all dies: Der Unterstützungsfonds, aus dem bislang Zuschüsse flossen, meldet Finanznot. Wenn es so weitergehe, heißt es, sei er in drei Jahren erschöpft. Der Fonds wird mit den Einnahmen aus dem Verkauf von Briefmarken gefüllt. Die Energieverteuerung trifft auch die neue Exportbranche Pitcairns hart: die Hersteller von Trockenfrüchten aus Bananen und Ananas. Die Regierung des Mutterlandes in London kündigte an, Bedürftigen zu helfen. Die Inselbewohner fragen sich allerdings, wie die Empfänger bestimmt werden sollen: Sie sind, wie sie meinen, alle arm.

Die britische Regierung will künftig auch mehr bei der Landverteilung auf der Insel mitbestimmen. Dadurch sollen die Rechte derjenigen Pitcairner besser geschützt werden, die im Ausland leben.

mare No. 19

No. 19April / Mai 2000

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
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