Zu Grösse verdammt

Das Seebad Prora auf Rügen war eine monumentale Ferienkaserne, in der deutsche Familien gekräftigt werden sollten für die Härten des bevorstehenden Krieges – eine ungeschminkte Inszenierung der nazistischen Ideologie

„Ich will, dass dem Arbeiter ein ausreichender Urlaub gewährt wird und dass alles geschieht, um ihm diesen Urlaub sowie seine übrige Freizeit zu einer wahren Erholung werden zu lassen. Ich wünsche das, weil ich ein nervenstarkes Volk will, denn nur allein mit einem Volk, das seine Nerven behält, kann man wahrhaft große Politik machen.“ Hitlers Befehl wurde durch den NSDAP-Reichsleiter und blindwütigen Antisemiten Robert Ley umgesetzt. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren die Gewerkschaften ausgeschaltet und an ihrer Stelle die Deutsche Arbeitsfront gebildet worden mit Ley als Leiter.

Für die Arbeiter gab es zur Besänftigung ein Zückerchen: Kraft durch Freude, kurz: KdF. Die Organisation diente vordergründig der Entspannung des Volkes, der Kern aber war ein anderer, wie Ley 1935 sagte. „Wenn es uns gelingt, jeden Deutschen jedes Jahr einmal zu ‚überholen‘, dann behaupte ich, dass der Bruch der Leistungsfähigkeit des schaffenden Menschen nicht mehr bei 40, sondern bei 70 Jahren liegt.“ KdF veranstaltete Reisen, kaufte und baute Kreuzfahrtschiffe; sieben Millionen Menschen nahmen bis Kriegsbeginn an KdF-Reisen teil. Auch fünf Seebäder sollten gebaut werden, vom Timmendorfer Strand bis nach Ostpreußen. Prora war das Pilotprojekt, ein Massenferienheim, groß angekündigt und derart perfekt durchorganisiert, „dass der deutsche Arbeiter nicht einmal einen Badeanzug mitzubringen braucht“, wie das „Berliner Tagblatt“ beeindruckt schrieb.

Im Juli 1935 verkaufte Malte Herr zu Putbus der Deutschen Arbeitsfront einen sieben Kilometer langen Küstenstreifen zwischen Binz und Mukran, eine nach Osten ausgerichtete Bucht. Ley entschied sich für seinen Freund Clemens Klotz als planenden Architekten, im Herbst präsentierte der Kölner seinen ersten Entwurf. Man zeigte sich begeistert. Klotz sollte später in die „Gottbegnadetenliste“ aufgenommen werden, Hitlers Aufzählung der wichtigsten Künstler des Reiches, die auch auf Lebenszeit vom Dienst befreit waren, 1041 Personen standen darauf.

Der Klotzsche Entwurf ist ein Kind seiner Zeit, stark der Moderne geschuldet, kaum historisierend, nüchtern und reduziert, mit lichtdurchfluteten Liegehallen und abgerundeten Gemeinschaftshäusern. Le Corbusiers Seebadplanung für Algier stand Pate, Erich Mendelsohns hochelegantes Kurhaus in Bexhill-on-Sea diente als Vorbild, auch Schiffsarchitektur ist darin abzulesen – die zweieinhalb auf fünf Meter kleinen Zweibettzimmer wurden „Kabinen“ genannt. Ley war jedoch in seiner Entscheidung für Klotz vorschnell gewesen, man murrte rundum. Ein Architekturwettbewerb wurde nachträglich ausgelobt, namhafte Büros nahmen daran teil, auch der Reformarchitekt Heinrich Tessenow, dessen 1912 eröffnetes Festspielhaus in Hellerau zu den Meilensteinen deutscher Baukunst gehört.

Clemens Klotz gewann erwartungsgemäß diese Farce, allerdings missfiel Adolf Hitler die Festhalle, zu wenig repräsentativ. Hitler wurde in einem anderen Projekt fündig, und Klotz hatte die pompöse neoklassizistische Festhalle des prominenten Architekten Erich zu Putlitz in seinen Entwurf zu integrieren. Dieses Stilpotpourri wurde 1937 auf der Pariser Weltausstellung mit dem „Grand Prix“ ausgezeichnet.

Die Bauarbeiten gingen schleppend voran, erst musste der Wald gerodet werden, die mehr als 2000 Arbeiter wohnten in Barackenlagern. Mehrere Baufirmen waren am Bau beteiligt, kein Unternehmen hätte dieses Mammutprojekt alleine bewältigen können. Man arbeitete parallel, Block neben Block.

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mare No. 89

No. 89Dezember 2011 / Januar 2012

Von Zora del Buono

Zora del Buono, Jahrgang 1962, hatte während ihres Architekturstudiums an der ETH Zürich wohl Mussolinis Monumentalprojekt EUR in Rom besucht, kannte Prora jedoch nicht. Ihre erste Begegnung mit Prora hatte sie Mitte der 1990er, bei ihrem neuerlichenBesuch staunte sie, wie verwahrlost der Bau heute ist.

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Vita Zora del Buono, Jahrgang 1962, hatte während ihres Architekturstudiums an der ETH Zürich wohl Mussolinis Monumentalprojekt EUR in Rom besucht, kannte Prora jedoch nicht. Ihre erste Begegnung mit Prora hatte sie Mitte der 1990er, bei ihrem neuerlichenBesuch staunte sie, wie verwahrlost der Bau heute ist.
Person Von Zora del Buono
Vita Zora del Buono, Jahrgang 1962, hatte während ihres Architekturstudiums an der ETH Zürich wohl Mussolinis Monumentalprojekt EUR in Rom besucht, kannte Prora jedoch nicht. Ihre erste Begegnung mit Prora hatte sie Mitte der 1990er, bei ihrem neuerlichenBesuch staunte sie, wie verwahrlost der Bau heute ist.
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