Wie sie Mitch und C. J. wurden

Spottfiguren, Helden, Weltstars – die kalifornischen Lifeguards von damals bis heute

Die Geschichte der kalifornischen Lifeguards beginnt um 1900 mit den rivalisierenden Immobilienmogulen Abbot Kinney und Henry Huntington. Los Angeles hatte sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer riesigen Stadt entwickelt. Ihre nahen Strände wurden von der Öffentlichkeit kaum genutzt, und die Investoren witterten darin ein großes Geschäft. Eisenbahntycoon Huntington baute ein Urlaubsresort namens „Redondo Beach“, während Tabakmillionär Kinney 1905 sein „Venice of America“ eröffnete, heute Venice­Beach. Die Pacific Electric Railway brachte die Bewohner von Los Angeles für wenig Geld an die Küste, und die Besucherzahlen stiegen rapide an.

Doch die gefährlichen Strömungen des Pazifiks forderten immer wieder Menschenleben. Schwimmer wurden von Brandungsrückströmen ins Meer hinausgezogen. Und die freiwilligen Retter des Voluntary Life Saving Corps agierten mit schwerfälligen Booten, die ursprünglich zur Rettung Schiffbrüchiger auf hoher See gedacht waren. Oft kamen sie zu spät oder gar nicht bei den Ertrinkenden an. Die Öffentlichkeit verlor nach und nach das Vertrauen in das Life Saving Corps, und die Strandorte setzten ihren guten Ruf aufs Spiel. Den Investoren drohte ein Desas­ter.

Dann kam der 23-jährige Hawaiianer George Freeth nach Kalifornien. Er brachte die auf Hawaii schon seit einem Jahrtausend praktizierte Kultur des Surfens mit aufs Festland. Der kalifornische Autor Jack London hatte ihn während einer Hawaii-Reise kennengelernt und einen begeisterten Artikel über Freeth als „the man who walks on water“ verfasst. Innerhalb kürzester Zeit wurde Freeth zur stadtbekannten Attraktion; er arbeitete sowohl für Huntington als auch für Kinney und führte öffentliche Surfshows auf. Freeth übernahm außerdem die Rekrutierung und Ausbildung der beiden privaten Rettungseinheiten Redondo Beach Life Saving Corps und U. S. Voluntary Life Saving Corps of Venice. Dabei revolutionierte er die Vorgehensweise: Er setzte auf Prävention statt Reaktion und lehrte seine Auszubildenden, die Gefahren des Ozeans frühzeitig zu erkennen. Der Begriff „live saver“ änderte sich unter seinem Einfluss in „lifeguard“. Freeth trainierte seine Auszubildenden darin, die Zugkraft der Brandungsrückströme zu nutzen und Ertrinkende schwimmend zu retten – eine Technik, die bis heute angewendet wird –, statt mit einem Rettungsboot langsam und unbeweglich zu dümpeln.
Nachdem Freeth im Dezember 1908 elf japanischen Fischern das Leben gerettet hatte, wurde er mit der Goldenen Medaille des Kongresses, der höchsten zivilen Ehrung des Landes, geehrt. Die Medien überschlugen sich vor Begeisterung, und die kalifornischen Rettungsschwimmer wurden über Nacht zu Helden. Viele Kinder und Jugendliche, die Freeth ausbildete, wurden später wichtige Figuren beim Aufbau der staatlichen Lifeguard Services, der 1925 begann. Freeth selbst erlebte die Verstaatlichung nicht mehr. Er starb 1919 mit nur 35 Jahren an einer schweren Grippe.

In den 1920er-Jahren kamen die Menschen massenhaft an die Strände Kaliforniens. Den Ersten Weltkrieg hinter sich, suchten sie nach Vergnügung und Ablenkung. Die Kleidungsvorschriften wurden lockerer, Tanzlokale eröffneten an der Küste, und die öffentliche Sicherheit wurde zur städtischen Aufgabe.

Die vielen privaten Lifeguard Services wurden sukzessive verstaatlicht und zusammengelegt, bis sich Ende der 1920er-Jahre die drei großen Organisationen L. A. City, L. A. County und Santa Monica Lifeguard Service herausbildeten. George Wolf wurde 1925 als erster hauptberuflicher Rettungsschwimmer von der Stadt Los Angeles angestellt. Er überwachte sein Gebiet, das von Venice Beach bis an die Grenze der Gemeinde El Segundo reichte, per Fahrrad. Zusätzlich wurde er von Teilzeit-Lifeguards auf festen Wachtürmen unterstützt.


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mare No. 117

No. 117August / September 2016

Von Nora Fingscheidt

Nora Fingscheidt, Jahrgang 1983, hat in Berlin und Ludwigsburg Filmregie studiert. Nach Los Angeles kam sie das erste Mal über ein Austauschprogramm ihrer Hochschule und verliebte sich sofort in Venice Beach. Sie lebt in Ludwigsburg und arbeitet als freischaffende Autorin und Filmemacherin.

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Vita Nora Fingscheidt, Jahrgang 1983, hat in Berlin und Ludwigsburg Filmregie studiert. Nach Los Angeles kam sie das erste Mal über ein Austauschprogramm ihrer Hochschule und verliebte sich sofort in Venice Beach. Sie lebt in Ludwigsburg und arbeitet als freischaffende Autorin und Filmemacherin.
Person Von Nora Fingscheidt
Vita Nora Fingscheidt, Jahrgang 1983, hat in Berlin und Ludwigsburg Filmregie studiert. Nach Los Angeles kam sie das erste Mal über ein Austauschprogramm ihrer Hochschule und verliebte sich sofort in Venice Beach. Sie lebt in Ludwigsburg und arbeitet als freischaffende Autorin und Filmemacherin.
Person Von Nora Fingscheidt