Wellen und Wein

Wo Wein wächst, finden oft auch Surfer beste Bedingungen. Am Kap jedenfalls treffen sich die Winzer regelmäßig zum Wellenreiten

„Mist, Mist, Mist!“, flucht Miles Mossop am Telefon. Er hat unsere Verabredung vergessen. 40 Minuten später steht er mir mit nassen Haaren gegenüber. Habe ich ihn jetzt vom Surfbrett geholt?

Das Weingut Tokara, für das Mossop arbeitet, ist ein eindrucksvoller Betonpalast zwischen Zen und scheußlich, mit einem Blick durch riesige Panoramafenster bis nach Stellenbosch hinunter. Bei gutem Wetter. Heute hängen die Wolken tief und lassen den Beton noch grauer aussehen. Mossop führt mich in sein Büro, ein Glaskubus über den Stahlkesseln. Seit einem Jahr arbeitet er hier. Tokara war eine Obstfarm, als ein Banker sie vor wenigen Jahren kaufte. Mehr wegen des Lebensgefühls als mit dem Vorhaben, das Land zu bewirtschaften. Aber sein Nachbar war ausgerechnet der legendäre Winzer Gyles Webb, und der brachte ihn auf die Idee, Wein zu pflanzen und eine kleine Kellerei zu bauen. „Eine kleine“, sagt Mossop und deutet auf die gewaltigen Kessel unter uns.

Er ist erst auf Umwegen zum Wein gekommen. Nach der Schule ging er zum Militär, und da er nicht so recht wusste, was er machen wollte, studierte er später Geologie. Danach saß er Hunderte Kilometer vom Meer entfernt in der Wüste, kratzte in der Erde und merkte schnell, dass er so nicht leben konnte. Das war 1994. Das Embargo, das die Welt gegen das südafrikanische Apartheidregime verhängt hatte, war aufgehoben, und das Geschäft mit dem Wein vom Kap ließ sich viel versprechend an. Miles geht zurück zur Uni und schreibt sich für Weinbaukunde ein. Nach acht Jahren Studium reist er um die Welt. Er surft in Indonesien und Australien, besucht Weinkellereien in Frankreich und arbeitet in Kalifornien, bis sich Gyles Webb bei ihm meldet, weil er einen jungen Winzer für Tokara sucht.

Als Miles dort anfängt, hat er so gut wie keine praktische Erfahrung, was das Weinmachen anging. Er hat noch nie einen Wein gefiltert, noch nie gesehen, wie der Wein in die Flasche gefüllt wird. Webb kommt jeden Tag vorbei, um ihm über die Schulter zu sehen. Zondernaam haben sie ihre Weine auf Tokara getauft, „Ohne Namen“, so ist die Farm auf einer alten Landkarte eingezeichnet. Den Weinschmeckern sind sie trotzdem nicht entgangen: Komplexes Aroma von Schwarzer Johannisbeere, Vanille und Mokka attestieren sie dem Cabernet Sauvignon, beim Shiraz entdecken sie weißen Pfeffer im Abgang, der Pinotage verströmt die Aromen von Kirsche, Zimt und Tabak.

Im Sommer 2000 gelingt Mossop ein besonderes Meisterstück. Er kreuzt erfolgreich Beruf und Leidenschaft und hebt zusammen mit seinem Kollegen Eben Sadie eine Meisterschaft aus der Taufe: für surfende Winzer. Zu den ersten Vintners Surf Classic kommen 15, in diesem Jahr sind es mehr als 40, alles Weinfarmer.

Anfangs hatten die Sponsoren auch die Preise gespendet, was manch unsinnige Konstellation produzierte: „Einmal gab es eine Palette leerer Weinflaschen als Prämie“, erzählt Mossop, „aber der glückliche Gewinner war ein Weinjournalist. Immerhin hat er sich noch ein Fass und Trauben dazu gekauft, um einen Wein abzufüllen.“ Inzwischen werden nur noch Preise überreicht, die etwas mit dem Sport zu tun haben. Nächstes Jahr soll es sogar ein Surfbrett geben. „Ich bin verantwortlich für die Verteilung der Preise. Aber da Gunter Schultz immer gewinnt, werde ich es als zweiten Preis ausloben.“ Mossop grinst. „Den kriege nämlich meistens ich.“

Vor Eben Sadies Büro steht ein Kühlschrank, auf der Tür ein Flaschenetikett: Big Red 1998 Surf Classic 2000. Die sechs Flaschen Rotwein aus eigener Produktion, die jeder Teilnehmer anstelle eines Startgelds mitbringt, werden zu einer Cuvée vermischt und in Magnumflaschen abgefüllt. Big Red heißt die Kreation, jeder bekommt eine Flasche, die übrigen werden gemeinsam getrunken oder für einen guten Zweck versteigert.

Sadie führt mich zu seinem Haus und verspricht „einen rrichtigen Esprresso“. Er schwärmt für Spanien und Frankreich, Europa überhaupt, und dazu passt dieses rollende R perfekt. Aufgewachsen ist Sadie bei Elandsbay an der Westküste, sein Vater arbeitete bei der Eisenbahngesellschaft. Sadie studierte Landwirtschaft und arbeitete anschließend 14 Jahre lang in Weinkellereien überall auf der Welt. „Ich habe zwar jede Menge fantastischer Weine gemacht, aber nie den Wein, von dem ich wusste, dass nur ich ihn machen könnte“, sagt Eben Sadie.


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mare No. 52

No. 52Oktober / November 2005

Von Elke Naters und Guy Tillim

Die Schriftstellerin Elke Naters (G.L.A.M., MauMau), geboren 1963, lebt in Berlin und Hermanus.

Auch für den südafrikanischen Fotografen Guy Tillim, Jahrgang 1962, war der Auftrag ein Heimspiel: Er lebt ebenfalls am Kap.

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Vita Die Schriftstellerin Elke Naters (G.L.A.M., MauMau), geboren 1963, lebt in Berlin und Hermanus.

Auch für den südafrikanischen Fotografen Guy Tillim, Jahrgang 1962, war der Auftrag ein Heimspiel: Er lebt ebenfalls am Kap.
Person Von Elke Naters und Guy Tillim
Vita Die Schriftstellerin Elke Naters (G.L.A.M., MauMau), geboren 1963, lebt in Berlin und Hermanus.

Auch für den südafrikanischen Fotografen Guy Tillim, Jahrgang 1962, war der Auftrag ein Heimspiel: Er lebt ebenfalls am Kap.
Person Von Elke Naters und Guy Tillim