Wahrzeichen im Mantel

Als der Leuchtturm Roter Sand offiziell außer Betrieb gestellt wird, organisieren Privatleute seine spektakuläre Rettung

Das Problem lag in der Tiefe. Ein Bau, der so kühn in die Höhe strebt, muss vor allem eines haben: solide Fundamente. Und was lange Zeit dem Wasser ausgesetzt ist, beginnt marode zu werden. Selbst dieser robuste Unterbau war dabei zu zerbröseln, sich zu zersetzen. Das Bauwerk stand auf wackeligen Füßen, damals, Ende der fünfziger Jahre.

1964 schließlich wurde der Leuchtturm Roter Sand nach 80 Betriebsjahren außer Dienst gestellt. Er sollte – fast pathetisch klingt das – der See überlassen werden. Die Behörden hatten jedoch nicht mit der Bevölkerung gerechnet, die sich für den Turm, 17 Kilometer vor der Küste auf halbem Weg zwischen Bremerhaven und Helgoland gelegen, stark machte. Ein Verein wurde gegründet, Geld gesammelt, eine Rettungsaktion geplant. Denn im Lauf der Zeit hatte sich der Rote Sand von einem technischen Meisterwerk des späten 19. Jahrhunderts in ein Wahrzeichen verwandelt. Er war nun maritimes Symbol, rot-weiß gestreift, jedem Kind vertraut, hundertfach verewigt in Kitsch und Kunst.

Wie wird ein Symbol zu einem Symbol? Entweder es wird als solches erschaffen, oder es wächst in seine Rolle hinein. Der Rote Sand gehört zu Letzterem, ganz anders als seine große Schwester auf der anderen Seite des Atlantiks, die Freiheitsstatue, deren Bestimmung einzig in ihrem Symbolgehalt bestand. Beide waren Kinder ihrer Zeit, der Ära des unbedingten Glaubens an den technischen Fortschritt. So wie Hunderttausende Einwanderer von der Freiheitsstatue in der Neuen Welt begrüßt wurden, haben Hunderttausende Auswanderer den Roten Sand als letzte europäische Landmarke gesehen, wehmütig, ängstlich, wahrscheinlich aber auch erleichtert – endlich weg.

Es war die Zeit, als Dampfer die Segelschiffe ablösten, als fast unabhängig von Wind und Wetter gefahren werden konnte, als sich der Verkehr auf den Meeren verdichtete und der Bedarf an Seezeichen wuchs. Der preußische Handelsminister hatte eigentlich vorgesehen, dass ein Feuerschiff die Einfahrt in die Wesermündung markierte, doch die Position war dafür ungeeignet. Also ein Leuchtturm.

Das Problem lag in der Tiefe. Im Mai 1881 schleppten Dampfer einen Stahlmantel, einen sogenannten Caisson, im Aussehen an eine gigantische Konservendose erinnernd, auf die ausgewählte Position hinaus und setzten ihn auf den sandigen Meeresboden. Dieser Stahlmantel wurde nach und nach mit Beton gefüllt, so senkte sich das Gebilde langsam ab, auf dem später der Leuchtturm stehen sollte. Die Arbeiten gingen zäh voran, der Caisson bekam Schlagseite, 21 Grad. Ein Schlepper sollte ihn gerade rücken, es misslang. Anfang Juni zwang ein Orkan die Arbeiter, die Baustelle zu verlassen. Als sie zurückkehrten, waren sie bass erstaunt: Der Kasten stand nun gerade, vom Sturm sechs Meter in die Tiefe gedrückt, das Auffüllen mit Beton konnte weitergehen. Bis fünf Monate später die nächste Sturmflut alles ruinierte. Der Stahlmantel brach auseinander, Fundament, Baumaschinen – alles wurde vernichtet. Die Baufirma, von drei jungen, enthusiastischen Ingenieuren eigens für dieses Projekt gegründet, ging in Konkurs. Es war ein nationales Drama.

mare No. 61

No. 61April / Mai 2007

Von Zora del Buono

Zora del Buono, stellvertretende mare-Chefredakteurin, wird am 11. September 2007 mit der MS „Bremen“ auf eine Kreuzfahrt zu den berühmtesten Leuchttürmen Westeuropas gehen – und ein Onlinetagebuch (www.hlkf.de) über ihre Erlebnisse schreiben. Hapag-Lloyd und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wollen unterwegs für den Erhalt des Turmes werben – und Spenden sammeln. Wer keine Passage ergattern kann und dennoch helfen möchte: Stiftung Leuchtturm Roter Sand, Konto 263 667 003, Dresdner Bank, Bankleitzahl 370 800 40.

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Vita Zora del Buono, stellvertretende mare-Chefredakteurin, wird am 11. September 2007 mit der MS „Bremen“ auf eine Kreuzfahrt zu den berühmtesten Leuchttürmen Westeuropas gehen – und ein Onlinetagebuch (www.hlkf.de) über ihre Erlebnisse schreiben. Hapag-Lloyd und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wollen unterwegs für den Erhalt des Turmes werben – und Spenden sammeln. Wer keine Passage ergattern kann und dennoch helfen möchte: Stiftung Leuchtturm Roter Sand, Konto 263 667 003, Dresdner Bank, Bankleitzahl 370 800 40.
Person Von Zora del Buono
Vita Zora del Buono, stellvertretende mare-Chefredakteurin, wird am 11. September 2007 mit der MS „Bremen“ auf eine Kreuzfahrt zu den berühmtesten Leuchttürmen Westeuropas gehen – und ein Onlinetagebuch (www.hlkf.de) über ihre Erlebnisse schreiben. Hapag-Lloyd und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wollen unterwegs für den Erhalt des Turmes werben – und Spenden sammeln. Wer keine Passage ergattern kann und dennoch helfen möchte: Stiftung Leuchtturm Roter Sand, Konto 263 667 003, Dresdner Bank, Bankleitzahl 370 800 40.
Person Von Zora del Buono