Tödlicher Segen

Erst stirbt das Meer und dann der Mensch: Illegale Goldgräber vergiften die indonesische Insel Sulawesi mit Quecksilber

Ein Touristenparadies wie aus dem Katalog. Silbern schimmert das Meer vor Manado. Ein halbes Dutzend sattgrüner Inseln bewacht die Bucht von Nordsulawesis Provinzhauptstadt, dazwischen werfen Fischer ihre Netze aus. Eine leichte Brise kühlt die tropische Hitze.

Es riecht nach Idylle. Doch weit gefehlt. Was man nicht riecht, nicht sieht, sind die giftigen Dämpfe naher Erzanlagen, sind die lebensgefährlichen Einleitungen quecksilberverseuchter Wasser aus den Goldminen rund um Manado.

Doch die Menschen sieht man, und man kann ihnen zuhören. Sie klagen über ständige Kopfschmerzen, über Übelkeit, über Atembeschwerden und Magenverstimmungen, Diarrhö, Sehstörungen, Schlaflosigkeit. Sie klagen und sie beklagen – die ersten Toten. Femmy Allimula, die sich ihren Lebensunterhalt als Straßenverkäuferin selbst gebackener Kuchen, gebratener Bananen oder gerösteter Nüsse verdient, gebar ein Kind, dessen Gedärme außerhalb des Körpers lagen; ein Fuß war nur ein mit Flüssigkeit gefüllter Klumpen Fleisch. Vier Tage lang schrie und weinte das Kind, ehe es starb. „Es hatte wahnsinnige Schmerzen“, weiß die Mutter, es klingt schuldbewusst. Man hat sie ihr eingeredet, diese Schuld: Bekannte, die genetische Störungen vermuteten; der Arzt der Gesundheitsstation, der die Tragödie auf Pillen schob, die sie während ihrer Schwangerschaft nahm; Nachbarn, die sie sogar drogensüchtig hießen.

Doch vor allem macht sie sich selbst Vorwürfe. Zu lange, sagt sie, habe sie in einer Verhüttungsanlage gearbeitet. Oben in den Bergen, im Goldgräberdorf Tatelu, kaum eine Autostunde von Manado entfernt. „Nur einen Tag bevor ich entband, hatte eine Frau auf der Gesundheitsstation eine Totgeburt“, erzählt Femmy, „auch diese Frau wohnte nahe einer Erzverarbeitungsanlage.“ Ein anderes Neugeborenes der Station, dessen „Magen ebenfalls kaputt“ war, überlebte nur Stunden.

Mögen alle anderen fadenscheinige Gründe anführen, sie, Femmy Allimula, weiß es besser: Der ätzende Qualm verbrannten Quecksilbers – er war es, der ihr Baby tötete – lange, nachdem sie ihren Job aufgegeben hatte. „Diesen Qualm, den hab ich nicht mehr rausgekriegt.“ Und es ist das Wasser, verseucht vom Quecksilber, das, aus den Bergen kommend, in die Bucht von Manado fließt. Täglich taucht Femmy ihre Eimer hinein, nimmt das Wasser zum Waschen; sie badet darin wie alle anderen auch. Mit den Sterbesakramenten gab sie ihrem Neugeborenen den Namen Franziskus Desares.

Bis nach Sanighe kurz vor den Philippinen waschen mehr als 120000 indonesische Digger ihr Gold aus den Flüssen, schürfen es aus dem Boden – illegal, der am Rand der Anarchie schlingernde Inselstaat kann dem Heer der Glückssucher mit Gesetzen kaum beikommen. Auch nicht den Zehntausenden illegalen Holzfällern, die das Terrain bereiten, damit statt Bäumen unzählige kleine Minen und Schmelzen wachsen können.

Es werden immer mehr. Das Gold ist der Reichtum der Halbinsel, die Erde, die Flüsse und das Meer sind gesättigt vom begehrten Metall. Laut Expertisen australischer Geologen soll sich auf 70 Prozent des Territoriums Nordsulawesis der Abbau lohnen.

Die Hügel der Halbinsel sind unterhöhlt von den Schächten der Minenarbeiter. Ununterbrochen hallt der Lärm der Goldgewinnungsanlagen, Erz, Wasser, Steine rumpeln in Stahlfässern, Dieselmotoren knattern. Tag und Nacht glühen die Öfen, brennen die kleinen Flammenwerfer, die das Quecksilber aus dem Amalgam trennen.

Quecksilber – das Gottesgeschenk. Dieser Stoff ist es, der das Gold aus dem zermalmten Erz zieht, es legt sich um ihn, verbindet sich mit ihm. Ein Amalgam, das noch nicht zeigt, welch edlen Kern es in sich trägt. Erst wenn das Quecksilber bei rund 360 Grad verdampft, zeigt sich die Beute, nach der alle hier jagen: das reine Gold.

Quecksilber – das Teufelszeug. Gelangt es in den menschlichen Körper, zerstört es das Immunsystem, es führt zu Nervenschäden, zu Wachstumsschäden, es tötet in starker Konzentration. Hier, in Nordsulawesi, ist es überall.


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mare No. 32

No. 32Juni / Juli 2002

Von Armin Wertz und Jack Picone

Armin Wertz, geboren 1957, hat für Stern und Spiegel gearbeitet und als Korrespondent aus Mittelamerika und Israel berichtet. Heute lebt er als freier Autor in Indonesien. Bei Recherchen über den Zustand der Kloake, die im Atlas als Teluk Jakarta verzeichnet ist, erzählten ihm seine Informanten von der Katastrophe, die sich auf Sulawesi anbahnt.

Jack Picone, Jahrgang 1959, lebt in Australien. Er ist Mitglied der Fotoagentur Network und hat für mare zuletzt in No. 18 die „Zauber-Segler“ von Sansibar porträtiert.

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Vita Armin Wertz, geboren 1957, hat für Stern und Spiegel gearbeitet und als Korrespondent aus Mittelamerika und Israel berichtet. Heute lebt er als freier Autor in Indonesien. Bei Recherchen über den Zustand der Kloake, die im Atlas als Teluk Jakarta verzeichnet ist, erzählten ihm seine Informanten von der Katastrophe, die sich auf Sulawesi anbahnt.

Jack Picone, Jahrgang 1959, lebt in Australien. Er ist Mitglied der Fotoagentur Network und hat für mare zuletzt in No. 18 die „Zauber-Segler“ von Sansibar porträtiert.
Person Von Armin Wertz und Jack Picone
Vita Armin Wertz, geboren 1957, hat für Stern und Spiegel gearbeitet und als Korrespondent aus Mittelamerika und Israel berichtet. Heute lebt er als freier Autor in Indonesien. Bei Recherchen über den Zustand der Kloake, die im Atlas als Teluk Jakarta verzeichnet ist, erzählten ihm seine Informanten von der Katastrophe, die sich auf Sulawesi anbahnt.

Jack Picone, Jahrgang 1959, lebt in Australien. Er ist Mitglied der Fotoagentur Network und hat für mare zuletzt in No. 18 die „Zauber-Segler“ von Sansibar porträtiert.
Person Von Armin Wertz und Jack Picone