Tempo! Tempo!

Vom Postschiff zum Internet: Die Nachrichtbeschleunigt auf Lichtgeschwindigkeit

Postschiff
Der Brief bewegt sich nur so schnell wie sein Träger

1819 überquert zum ersten Mal ein dampfgetriebenes Postschiff den Atlantik. 27 Tage benötigt die „Savannah“ für ihre Reise. Obwohl sie mit 32 luxuriösen Kabinen ausgestattet ist, wagt nicht ein einziger Passagier die Überfahrt. Kesselfeuer auf einem Holzschiff? So ein Wahnsinn!

Aber der neue Antrieb bewährt sich. Die Ingenieure bauen stärkere Maschinen und schnellere Schiffe. Trotzdem muss Europa auf Post aus der Neuen Welt lange warten, und das fällt im Zeitalter der industriellen Revolution schwerer denn je. Als der Bürgerkrieg in Nordamerika ausbricht, gerät die britische Textilindustrie in ihre erste große Krise. Wann sind die nächsten Lieferungen aus den Südstaaten zu erwarten? Zu welchen Preisen?

Paul Julius Reuter, ein Emigrant aus Aachen, gründet in London ein Firmenimperium mit dem Versprechen, Nachrichten schneller zu befördern als die Post. Er setzt Brieftauben zwischen den wichtigsten Handelsplätzen ein und erkennt früher als andere den Wert des Telegrafen. Den Großen Teich kann Reuter damit noch nicht überbrücken, aber er findet eine Abkürzung: Vor der Küste Irlands lässt er von den Schiffen aus Amerika wasserdichte Kanister mit Depeschen abwerfen. Seine Leute fischen die Post aus dem Meer und „kabeln“ die Meldungen von der nächsten Telegrafenstation nach London weiter.

Um 9.45 Uhr am 26. April 1865 ziehen Reuters Agenten nach ihrem Rendezvous mit dem Postdampfer „Nova Scotia“ eine Botschaft aus dem Atlantik, die an Dramatik alle vorherigen übertrifft: Abraham Lincoln, der amerikanische Präsident, ist zwölf Tage zuvor Opfer eines Attentats geworden. Um 11.30 Uhr erreicht die Nachricht die Redaktionen der Zeitungen in London. Der Briefträger kommt erst zwei Tage später.


Tiefseekabel
Schnell wie der Strom rast das Telegramm durch die Kupferlitze

„On earth peace. Good will towards man“, diktiert die englische Königin Victoria am 13. August 1858 dem Telegrafisten an US-Präsident Buchanan, Friede auf Erden und den Menschen alles Gute. Der fromme Wunsch ist die erste Botschaft, die durch die Kupferseele des ersten transatlantischen Seekabels saust. Es folgen noch 129 Depeschen in Richtung Amerika, die Neue Welt morst noch 271 Meldungen in die Gegenrichtung. Danach reißt die 4000 Kilometer lange Verbindung. Ende.

Der amerikanische Unternehmer Cyrus Fields nimmt es sportlich. Für den zweiten Anlauf rüstet er das größte Schiff der Welt, die „Great Eastern“, zum Kabelleger um und verwendet noch mehr Sorgfalt auf die Herstellung des Kabels. Um den Kern aus Kupfer lässt er eine 15 Millimeter dicke Isolierung aus Guttapercha ziehen, ein kautschukähnliches Material. Darüber kommt eine Lage geteerter Hanf und ein robuster Mantel aus Eisendraht.

Einmal noch reißt den Kabellegern unterwegs der kostbare Strang, dann steht am 28. Juli 1866 die neue Verbindung zwischen dem irischen Valentia und Hearts Content in Neufundland. Die erste Nachricht richtet sich dieses Mal an die Börsianer in London: „Gold 50, London 164 1/1, Bond 71/4, Baumwolle 36C, ruhig.“ Bis jetzt hatte die Börse mit Zahlen gehandelt, die mindestens zwei Wochen alt waren. Das Telegramm katapultiert die Geschäftswelt aus der Vergangenheit in die Gegenwart.


Drahtlose Telegrafie
Lange Wellen tragen das Signal zum Empfänger

Nebel vor der Südostküste Englands. Das Feuerschiff „East Goodwin“ sinkt. Zum Glück hat der Kapitän einen der neuen Marconi-Telegrafen an Bord. „Von Dampfer gerammt. Bug schwer beschädigt“, funkt er zum nächstgelegenen Leuchtturm. Es ist der erste Seenotruf der Geschichte.

Der italienische Physiker Guglielmo Marconi ist überzeugt, dass er mit den elektromagnetischen Wellen auch große Strecken überwinden kann – wenn nur die Antenne groß genug ist. Leider pusten Stürme seinen Versuchsaufbau immer wieder um. Im Dezember 1901 sendet Marconi ein Testsignal von Poldhu in Cornwall zu einer Station in Neufundland, deren Antenne hoch über dem Empfänger an einem Drachen hängt: drei Mal kurz, den Buchstaben S. Am anderen Ende notiert George Parkin, Korrespondent der Londoner „Times“ in Kanada, voller Erfurcht, dass „nur der 19. Teil einer Sekunde zwischen dem entstehenden Funken und dem Moment verstreicht, in dem das Funksignal aufgezeichnet wird“.


Satellit
Europa nach Amerika – mit einem Abstecher ins Weltall

Am Anfang hat das Telefon nur einen Kanal. Ab Januar 1927 können Engländer und Amerikaner sich auf Langwelle drahtlos unterhalten. 30 Jahre später wird „TAT1“ in Betrieb genommen, das erste Tiefseetelefonkabel. Jetzt gehen schon 36 Gespräche gleichzeitig durch die Leitung.

Der erste Kommunikationssatellit kann mehr. Ab 1965 steht „Early Bird“ in seiner geostationären Umlaufbahn 36000 Kilometer über der Erde. Der 40 Kilogramm schwere Trabant bewältigt die simultane Übertragung von 240 Telefonaten. Nachteil der Relaisstation im Weltall: Radiowellen bewegen sich zwar mit Lichtgeschwindigkeit, aber für eine Strecke von 72000 Kilometern benötigen sie 240 Millisekunden – so lang wie ein halbes Wort.


Internet
Elektronische Post sucht sich ihren eigenen Weg

Das World Wide Web funktioniert wie der Umschlag von Containern. Im Zeitraffer. Der Computer packt Daten – Texte, Tabellen, Fernsehbilder – in ein Standardformat. Zielhafen www.irgendwo. Zu viel Verkehr auf der Strecke nach Fernost? Dann geht die Fracht eben über Amerika nach Japan. Als Lichtimpuls im Glasfaserkabel. „TAT 14“ befördert pro Sekunde ein Terabit an Daten, eine Billion Bytes. In Telefongespräche umgerechnet: 15 Millionen Anrufe simultan.


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mare No. 28

No. 28Oktober / November 2001

Von Olaf Kanter

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

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Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.
Person Von Olaf Kanter
Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.
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