Und der Herr sprach zu Noah: Geh in die Arche, du und dein ganzes Haus; denn dich habe ich gerecht erfunden vor mir zu dieser Zeit. Denn von heute an in sieben Tagen will ich regnen lassen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte und vertilgen von dem Erdboden alles Lebendige, das ich gemacht habe. Und Noah tat ganz, wie ihm der Herr geboten hatte.
Genesis, 7,1
Irgendwann habe ihn der Ruf ereilt, etwas zu finden, von dem die meisten Menschen glauben, es habe nie existiert. "Es wäre die größte archäologische Entdeckung dieses Jahrtausends." Der Mann mit der Hornbrille betrachtet den Hefter mit den Klarsichtfolien: Fotos eines Berges in der Osttürkei, den er bereits 14 Mal bestiegen hat. 14 Mal war er Augenzeugenberichten auf der Spur, die irgendwo in der Nähe des Gipfels des Ararat zigarrenförmige, schiffsrumpfartige Schatten gesehen haben wollten. 14 Mal hat er unsägliche Strapazen auf sich genommen, 14 Mal nie etwas gefunden.
Wurde von Wolfshunden attackiert, von PKK-Terroristen entführt, als amerikanischer Spion verhört, lag mit verstauchtem Fuß zwischen den Gletschern. Sein Kollege stürzte so schwer, dass er eine Reihe von Zähnen verlor, drei andere Expeditionsteilnehmer hatte ein Blitz getroffen. Alle überlebten - "weil Gott es so wollte", sagt John McIntosh.
Und wenn es Gottes Wille ist, da ist sich der pensionierte Physiklehrer aus San Bernardino sicher, wird er eines Tages vor den Resten jener Arche stehen, die Gott nach der biblischen Überlieferung Noah bauen ließ, als er die Sintflut zur Erde geschickt hatte. "An der Existenz der Arche gibt es keinen Zweifel", sagt McIntosh und wird weitermachen, bis er sie gefunden hat oder man ihm stichhaltig nachweisen kann, dass es sie nie gab.
Letzteres ist insofern unwahrscheinlich, als sich McIntosh zu den Kreationisten zählt, jener Gruppierung überaus einflussreicher religiöser Fundamentalisten also, die lieber von Noah als vom Affen abstammen möchten und auf einer wortwörtlichen Auslegung der Bibel beharren. Die überzeugt sind, dass die Arche Noah keine These oder Parabel, sondern Gewissheit ist und vor rund 5000 Jahren mit Zigtausenden Tieren an Bord auf dem Berg Ararat strandete. Die entgegen den Eckpfeilern des modernen Weltbildes behaupten, dass alle Lebewesen, vom Dinosaurier bis zum Menschen, gleichzeitig vorhanden waren und die Erdkruste sich nicht in 4,6 Milliarden, sondern in höchstens 10000 Jahren aufgeschichtet hat. Die Urknalltheorie, Darwinismus und Evolution als Wurzel allen Übels bekämpfen und Hitler, Stalin und Marx als besonders schlimme Vertreter des Evolutionismus betrachten. Die per Gerichtsbeschluss in einigen amerikanischen Bundesstaaten die Kapitel über Evolution aus den Schulbüchern gänzlich verdrängten und zusammen mit über der Hälfte aller US-Amerikaner überzeugt sind, dass Gott die Erde in sechs Tagen schuf. "Es steht doch geschrieben", sagt McIntosh.
Über das Äußere der Arche berichtet das Alte Testament zunächst einmal wenig. Nach der Genesis war sie 137 Meter lang, 23 Meter breit und 14 Meter hoch. Sie bestand aus Holz, das mit Pech isoliert war, hatte eine Tür, ein Fenster und drei Decks, die ein Männchen und ein Weibchen von jeder Tierart aufnehmen sollten.
Alle Zeichnungen, die von der Arche existieren, beruhen auf einer Mischung aus Spekulationen und angeblichen Zeugenaussagen. Seit 1856 sind am Ararat und seiner weiteren Umgebung 43 Fälle dokumentiert von Menschen, die etwas gesehen haben wollen, was sie für die Umrisse oder zumindest für Teile der Arche hielten.
McIntosh sagt, er habe mit fünf Augenzeugen gesprochen. Eine der glaubwürdigeren Aussagen stammt von Ed Davis, der im Jahr 1943 im benachbarten Iran für das US-Militär arbeitete. Einheimische Bergleute hätten ihn damals an eine Stelle geführt, wo er deutlich einen auf der Seite liegenden Schiffsrumpf aus versteinertem Holz entdeckt habe, dessen Heck teilweise von Gletschermassen verdeckt war. Vorn war ein Stück abgebrochen, das nach Darstellung der Einheimischen durch ein Erdbeben im Jahr 1900 zu einem tiefer gelegenen Platz abgerutscht war. Davis hat sich später einem Lügendetektortest unterzogen. "Nun raten Sie mal, was der Test ergeben hat", sagt McIntosh und lächelt.
McIntosh behauptet, es gebe eindeutige Satellitenfotos, die vom US-Militär unter Verschluss gehalten würden. Einer ihrer Auswerter jedoch, der inzwischen pensionierte George Stevens, erklärte öffentlich, er habe auf der Nordseite des Ararat, etwa 120 bis 150 Meter unterhalb des Gletscherrands, einen langen Schatten entdeckt. "Ich glaube nicht notwendigerweise an die Arche, aber was immer diese Struktur bedeutet, sie wurde von Menschen gemacht." Addiert man alle Zeugenaussagen, kommt man nach McIntosh zu einer "Mischung aus Wahrheit und Irrtum". Auffällig ist, dass die meisten jener "Anomalien" an völlig verschiedenen Stellen des Berges entdeckt wurden und bis heute kein stichhaltiges Foto vorliegt.
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Andreas Wenderoth, Jahrgang 1965, ist freier Journalist in Berlin. Auch nach seinem Besuch in San Diego bleiben für ihn Fragen offen. Woher etwa wusste der Hirte Noah so gut über Schiffbau Bescheid?
Vita | Andreas Wenderoth, Jahrgang 1965, ist freier Journalist in Berlin. Auch nach seinem Besuch in San Diego bleiben für ihn Fragen offen. Woher etwa wusste der Hirte Noah so gut über Schiffbau Bescheid? |
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Person | Von Andreas Wenderoth |
Vita | Andreas Wenderoth, Jahrgang 1965, ist freier Journalist in Berlin. Auch nach seinem Besuch in San Diego bleiben für ihn Fragen offen. Woher etwa wusste der Hirte Noah so gut über Schiffbau Bescheid? |
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