Der Fotograf Franz Schensky wurde zweimal geboren. Zum ersten Mal 1871 als unehelicher Sohn des Gouverneurs der britischen Kronkolonie Heligoland, Sir Henry Fitzhardinge Maxse. Zum anderen erlebte er 2003 seine Wiedergeburt als Fotograf, als sein verschollen geglaubtes Œuvre – 1400 Glasplattennegative – in einem Helgoländer Keller aufgefunden wurde. Eigentlich ein eher unwahrscheinlicher Ort für Antiquitäten und historische Kellerschätze. Denn zwischen den beiden Jahresdaten liegt der Zweite Weltkrieg, in dessen Folge die Insel komplett zerstört wurde. Dem folgte die restlose Entsorgung des alten Fischerdorfs und Seebads auf dem Fuße, eine Tiefenräumung des Inselbodens zum Schutz vor Blindgängern und als Voraussetzung für den Wiederaufbau.
Unwahrscheinlich und kaum zu fassen ist allerdings auch, wie das Lebenswerk eines berühmten und international hoch geachteten Pioniers der jungen Fotokunst überhaupt in die totale Obskurität fallen konnte. Noch im Jahr 1951, anlässlich seines 80. Geburtstags, feierten beispielsweise die Optischen Werke Ernst Leitz aus Wetzlar den einstigen Kaiserlichen Hoffotografen Franz Schensky überschwänglich. „Sie sind der fotografische Sänger. Ihre Lichtbilder werden bleiben wie ein klassisches dichterisches Werk. Wenn es nicht bereits geschehen ist, sollten sie als solche zusammengefasst werden. Wir werden alles daransetzen, dass das geschieht.“
Leere Worte. Offenbar geschah nichts dergleichen für den Träger des Ehrenrings der Gesellschaft Deutscher Lichtbildner. So bleibt heute nur eine Spurensuche von beinahe detektivischem Zuschnitt.
Als der Helgoländer Fotokünstler und Handwerker sechs Jahre später, am 7. Januar 1957, im Schleswiger Exil starb, erbten seine ledigen Töchter Lotti und Maria die Originalaufnahmen. Im Zuge des Wiederaufbaus von Helgoland eröffneten sie kurz darauf ein neues „Fotogeschäft Schensky“ auf dem Roten Felsen. Mit dem zunehmenden Seebäderverkehr florierte auch der Handel der beiden Damen. Doch mit den Glasnegativen des Vaters konnten sie nichts Rechtes anfangen. Zumindest benötigten sie die Originale nicht.
Franz Schenskys Lebenswerk blieb auf der Insel und in geneigten Kreisen omnipräsent durch Reproduktionen zahlloser Postkartenmotive, in Nachdrucken aus Büchern und vielfachen Kopien seiner Lichtbilder, vom Hochzeitsfoto bis zur Möwenstudie. Als kleiner Junge kam es mir damals merkwürdig vor, dass Porträts unserer Familie im Schaufenster eines Ladens hingen und dort verkauft wurden. Doch Abzüge vom Original waren offenbar nicht gefragt. Hier spielten sich der Zeitgeist, der Fotografien häufig noch als mindere Gebrauchskunst betrachtete, und der mangelnde künstlerische Anspruch der Erbinnen auf tragische Weise in die Hände. So verschwand der erhabene Kern der Schensky’schen Arbeit hinter einer betriebsamen Hülle, und niemand bemerkte den Mangel im Überfluss. Schlimmer hätte es für den Perfektionisten und makellosen Handwerker Franz Schensky wohl nicht enden können.
Irgendwann, noch ehe Lotti und Maria Schensky das Geschäft aus Altersgründen aufgaben, reichten sie die Glasnegative an eine Helgoländer Freundin weiter; so wissen wir es heute. Leicht hätte das nun den unwiderruflichen Verlust bedeuten können, denn die Freundin war mit dem anvertrauten Erbe erst recht überfordert. Doch diese Geschichte handelt von einem Happy End. Als nämlich Jahre später der Keller der alten Freundin entrümpelt und die Platten dabei neu entdeckt wurden, widerfuhr Franz Schenskys Vermächtnis ein doppeltes Glück. Die Insel besaß 2003 mittlerweile ein kleines Museum, das sich besonders der Fotografie verschrieben und sich dabei natürlich Franz Schensky als Ikone und Übervater gewählt hatte.
Jörg Andres, der Leiter des Museums, und Mitglieder des Fördervereins wie der frühere Brückenkapitän und Familienforscher Erich-Nummel Krüss und der Postkartensammler Jürgen Geuther erkannten sofort, dass der beklagenswerte Zustand der Negative keinen Aufschub zu ihrer Rettung duldete. Sie nahmen sich des Fundes an und warben beträchtliche Mittel ein – über 100 000 Euro –, um die Glasplatten in einem Speziallabor in Karlsruhe aufarbeiten und digitalisieren zu lassen. Zudem wurde die Archivierung durch Rafael Cardenas, Dozent für Fotografie an der Universität Karlsruhe, wissenschaftlich begleitet, sodass wir heute das Lebenswerk des Fotografen ganz neu betrachten und bewerten können.
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Reimer Boy Eilers, Jahrgang 1955, verlebte seine Kindheit in den 1950er-Jahren auf Helgoland mit einem Onkel als Haifischer und einem Großvater als Leuchtturmwärter. Damals gab es gleich drei Reimer Eilers auf der Insel, was nicht nur bei der Post für ein gewisses Durcheinander sorgte. Spitznamen mussten her, und sein Vater rief ihn nur „Boy“, ein Nachhall aus der Inselzeit als englische Kolonie. Der Autor lebt als freier Publizist in Hamburg. Im Winter 2015 erscheint sein Reiseroman Die schlimmste Küste der Welt. Von Chiloé zur Magellanstraße.
Vita | Reimer Boy Eilers, Jahrgang 1955, verlebte seine Kindheit in den 1950er-Jahren auf Helgoland mit einem Onkel als Haifischer und einem Großvater als Leuchtturmwärter. Damals gab es gleich drei Reimer Eilers auf der Insel, was nicht nur bei der Post für ein gewisses Durcheinander sorgte. Spitznamen mussten her, und sein Vater rief ihn nur „Boy“, ein Nachhall aus der Inselzeit als englische Kolonie. Der Autor lebt als freier Publizist in Hamburg. Im Winter 2015 erscheint sein Reiseroman Die schlimmste Küste der Welt. Von Chiloé zur Magellanstraße. |
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Person | Von Reimer Boy Eilers |
Vita | Reimer Boy Eilers, Jahrgang 1955, verlebte seine Kindheit in den 1950er-Jahren auf Helgoland mit einem Onkel als Haifischer und einem Großvater als Leuchtturmwärter. Damals gab es gleich drei Reimer Eilers auf der Insel, was nicht nur bei der Post für ein gewisses Durcheinander sorgte. Spitznamen mussten her, und sein Vater rief ihn nur „Boy“, ein Nachhall aus der Inselzeit als englische Kolonie. Der Autor lebt als freier Publizist in Hamburg. Im Winter 2015 erscheint sein Reiseroman Die schlimmste Küste der Welt. Von Chiloé zur Magellanstraße. |
Person | Von Reimer Boy Eilers |