Peter Lunau, MS „Eva Maria“

Wer erzählt die besten Geschichten vom Meer? Menschen, die den Ozean erlebt haben.

Im Leben jedes Kapitäns gibt es Momente, in denen er so allein ist, wie ein Mensch nur allein sein kann. Dann muss er eine Entscheidung treffen, ohne zu zögern; die Verantwortung dafür, wenn sie falsch war, nimmt ihm niemand ab.

Ich komme gerade aus der Dusche, als eine schwere Explosion die „Eva Maria“ erschüttert. Dann sehe ich: Das Schiff brennt. Eine Flammenwand, höher als der Mast. Ein Inferno. Es ist Mittwoch, 25. Januar 1978, 23.46 Uhr. Mit einem Handgriff stoppe ich die Hauptmaschine und gebe Alarm. Das Schiff sackt nach vorne weg. Um 23.55 Uhr fällt meine Entscheidung: SOS geben! Rettungsboote besetzen! Alle Mann von Bord!

Bis zu diesen Minuten war es eine normale Reise gewesen. Eine Woche zuvor hatte ich in Puerto Rico die „Eva Maria“ übernommen: ein Linienfrachter, 150 Meter lang, 21 Meter breit. Die Ladung: Baumaschinen, Fernsehgeräte, Parkettholz – und eine fünf mal vier Meter große Kiste, die von der Küstenwache in Puerto Rico besonders genau untersucht worden war: drei Tonnen Sprengkapseln aus Brasilien, bestimmt für ein mexikanisches Bergwerk. Noch 200 Seemeilen bis Veracruz, dem nächsten Hafen. Keine besonderen Vorkommnisse.

Innerhalb von fünf Minuten sind die Rettungsboote klar. Wir zählen durch: alle 26 Mann, 21 von den Philippinen, der Rest aus Deutschland, niemand verletzt. Es ist zehn Minuten nach Mitternacht. Damit wir uns in der rauen See nicht verlieren, verbinden wir die Boote mit Leinen und entfernen uns unter Motor von der „Eva Maria“. Wie schwer der Schaden ist, können wir nun sehen: Der Bug liegt unter Wasser, die Schraube ragt heraus. Brennende Ladung treibt auf dem Wasser. Diesel hat sich entzündet, das Meer brennt. Ein gespenstischer Anblick. Noch vier Stunden sehen wir die Notbeleuchtung, dann wird es dunkel.

Als der Morgen dämmert, gehe ich noch einmal an Bord; wir haben trotz des abgesetzten SOS noch immer keinen Kontakt mit einem anderen Schiff oder einem Suchflugzeug. In den Gängen, in den Kabinen – überall sind die Schäden der Explosion zu er- kennen. Vor Luke 4 ist die „Eva Maria“ abgebrochen. Ich steige zurück ins Boot. Um elf Uhr bekommt das Wrack starke Schlagseite, 20 Minuten später taucht es über den Bug ab. Ein Zischen, ein Brodeln, dann ist nur noch ein Ölfleck zu sehen. Die Seeleute haben ihre Mützen abgenommen. Schweigend sehen wir zu. Für einen Seemann ist es beklemmend, sein Schiff sinken zu sehen.

Ich lasse die Motoren anwerfen und steuere Kurs Südost, um Mexikos Küste zu erreichen. Große Sorgen mache ich mir nicht: Wir haben Wasser und Proviant für zehn Tage, Treibstoff für zwei Tage, Kompass und Leuchtraketen. Die Boote sind in tadellosem Zustand, das Wetter ist erträglich. Auch die Stimmung an Bord ist entspannt. Als es wieder dämmert, versuchen die Männer, Schlaf zu bekommen. Die Filipinos, fast alle katholisch, beten.


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mare No. 67

No. 67April / Mai 2008

Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt

Peter Lunau, 1938 in Schleswig geboren, entdeckte früh die Liebe zum Meer und arbeitete nach der Seemannsschule in Hamburg als Matrose. 1967 machte er sein Kapitänspatent und fuhr bis zur Pensionierung 2003 für die Reederei F. Laeisz. Lunau lebt in Schleswigs Fischerviertel Holm.

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Vita Peter Lunau, 1938 in Schleswig geboren, entdeckte früh die Liebe zum Meer und arbeitete nach der Seemannsschule in Hamburg als Matrose. 1967 machte er sein Kapitänspatent und fuhr bis zur Pensionierung 2003 für die Reederei F. Laeisz. Lunau lebt in Schleswigs Fischerviertel Holm.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt
Vita Peter Lunau, 1938 in Schleswig geboren, entdeckte früh die Liebe zum Meer und arbeitete nach der Seemannsschule in Hamburg als Matrose. 1967 machte er sein Kapitänspatent und fuhr bis zur Pensionierung 2003 für die Reederei F. Laeisz. Lunau lebt in Schleswigs Fischerviertel Holm.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt