Öl in Sicht

Das südamerikanische Guyana, einer der ärmsten Staaten der Welt, steht vor einer Zeitenwende. Neu entdeckte Erdölfelder könnten die Einwohner über Nacht reich machen

Das kleine Land, das nun so sehr auf märchenhaften Reichtum hofft, ist in weiten Teilen unberührt von Zivilisation. Seine Regenwälder sind undurchdringlich: voller Stechmücken, Egel, Flöhe und sonstiger Blutsauger, die alles mögliche übertragen, von Malaria über Gelb- und Denguefieber bis hin zum Zikavirus. Teile der Küste sind versumpft. Dazwischen Zuckerrohr- und Reisplantagen, Farmhäuser, ein paar Örtchen sowie eine von Stromausfällen geplagte Hauptstadt namens Georgetown. Sie ist nicht einmal an das internationale Straßennetz angeschlossen. 

Guyana, ehemals Britisch-Guyana, ist eines der ärmsten, rückständigsten, unbedeutendsten Länder Südamerikas. Keine 800 000 Einwohner hat die „Kooperative Republik“ am Atlantik zwischen Venezuela, Brasilien und Surinam. Die meisten sind entweder Nachfahren der afrikani- schen Sklaven oder der indischen Arbeiter, die einst die Plantagen der Kolonialherren bewirtschafteten. Weltweite Schlagzeilen schrieb das Land letztmals 1978. Damals brachten sich der Sektenführer Jim Jones und mehr als 900 Mitglieder seiner neureligiösen Gruppe Peoples Temple um. Sie tranken Zyankali. 

Guyana ist irgendwo im Nirgendwo. Aber für ExxonMobil ist es gerade der interessanteste Ort der Welt. 

Riesige Erdölvorkommen hat der weltgrößte private Ölmulti 2015 im Meer vor der Küste Guyanas entdeckt; nun will er sie ausbeuten, gemeinsam mit dem US-Konzern Hess und dem kanadisch-chinesischen Unternehmen Nexen. Die geologischen Untersuchungen sind abgeschlossen, Verträge zur Verteilung der Fördererträge unterzeichnet, die technischen Vorbereitungen laufen. Mindestens vier Milliarden Barrel, also an die 640 Milliarden Liter des Rohstoffs, sollen laut Exxon im sogenannten Stabroek-Feld lagern. Das sind mehr als die gesamten bekannten Vorkommen der britischen Nordsee.

Plötzlicher Reichtum kann überfordern, nicht nur Lottogewinner, sondern auch Staaten. Würde das ganze Öl gehoben, hätte es nach heutigem Stand einen Marktwert von rund 300 Milliarden US-Dollar. Das entspricht der 80-fachen Wirtschaftsleistung von ganz Guyana. 
Dem Land könnte es ergehen wie den Niederlanden Ende der 1960er-Jahre. Damals begann Den Haag, große Erdgasvorkommen auszubeuten. Durch den Verkauf des Rohstoffs stiegen die Exporterlöse dramatisch an, der Gulden wertete stark auf. Dadurch verteuerten sich niederländische Produkte und verbilligten sich Importe. Exportindustrie und Landwirtschaft büßten massiv an Wettbewerbsfähigkeit ein. Seither sprechen Ökonomen von der Holländischen Krankheit. Wie will Guyana diese Krankheit verhindern? 2020 soll die Ölproduktion beginnen. Die einzige Chance ist, den Fluss der Petrodollar in einigermaßen kontrollierbare Bahnen zu lenken.

Guyana hat angekündigt, seine Erdöleinkünfte gerecht zu verteilen und dem ganzen Volk Wohlstand zu bescheren. Viele andere Staaten sind daran gescheitert. Immer wieder gibt es gewalttätige Konflikte um das Öl, ob im Irak, in Libyen oder in Nigeria. Oft versickert das Geld in den Taschen einiger weniger Mächtiger: in Angola, Äquatorialguinea oder gleich nebenan in Venezuela. Guyanas Nachbarstaat nennt die größten bekannten Ölreserven der Welt sein Eigen. Aber Millionen Venezolaner hungern. 

Die Regierenden in Guyana schwören: Sie werden es besser machen. „Jeder Guyaner wird in wenigen Jahren ein US-Dollar-Millionär sein – oder so viel wert“, verspricht Raphael Trotman, der Minister für nationale Ressourcen. 

Hierfür wollen er und Präsident David Granger einen Staatsfonds gründen. Diese Institution soll die Öleinnahmen aus Lizenzgebühren, Steuern der Konzerne sowie vor allem dem Verkauf des Rohstoffs einkassieren. Laut dem 2016 unterschriebenen Vertrag mit den Multis stehen Guyana gut 50 Prozent des Erlöses zu, nach Abzug der Kosten. 

Der Fonds soll die erhofften Petromilliarden nicht nur ansammeln. Er soll sie für zukünftige Generationen anlegen und sie schon bald für Projekte bereitstellen, die allen Bürgern zugutekommen. 


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mare No. 132

No. 132Februar / März 2019

Von Claus Hecking und Christopher Gregory

Claus Heckin, Jahrgang 1975, Journalist in Hamburg, traf vor einiger Zeit den Chef des norwegischen Staatsfonds. Yngve Slyngstads Osloer Büro lag unter einer Dachschräge. Seine Textmarker hatte er in eine Kaffeetasse gestellt. Und den Papiermüll entsorgte er in einem Pappkarton.
Christopher Gregory, geboren 1989, Fotograf in New York, interessiert sich für Guyana vor allem wegen seiner bewegten Kolonialgeschichte. So wechselte der Besitz dieses Gebiets mehrmals zwischen den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich.

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Vita Claus Heckin, Jahrgang 1975, Journalist in Hamburg, traf vor einiger Zeit den Chef des norwegischen Staatsfonds. Yngve Slyngstads Osloer Büro lag unter einer Dachschräge. Seine Textmarker hatte er in eine Kaffeetasse gestellt. Und den Papiermüll entsorgte er in einem Pappkarton.
Christopher Gregory, geboren 1989, Fotograf in New York, interessiert sich für Guyana vor allem wegen seiner bewegten Kolonialgeschichte. So wechselte der Besitz dieses Gebiets mehrmals zwischen den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich.
Person Von Claus Hecking und Christopher Gregory
Vita Claus Heckin, Jahrgang 1975, Journalist in Hamburg, traf vor einiger Zeit den Chef des norwegischen Staatsfonds. Yngve Slyngstads Osloer Büro lag unter einer Dachschräge. Seine Textmarker hatte er in eine Kaffeetasse gestellt. Und den Papiermüll entsorgte er in einem Pappkarton.
Christopher Gregory, geboren 1989, Fotograf in New York, interessiert sich für Guyana vor allem wegen seiner bewegten Kolonialgeschichte. So wechselte der Besitz dieses Gebiets mehrmals zwischen den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich.
Person Von Claus Hecking und Christopher Gregory