Nachahmung verboten

Welches sind die besten Tricks der Piraten?

Hilfe, Polizei!

Männer in der Polizeiuniform eines nahen Küstenstaates kommen auf See an Bord, um die Frachträume angeblich auf Schmuggelware zu überprüfen. Als solche wird die Ladung kurzerhand erklärt und ausgewählte Stücke zur Beweissicherung mitgenommen. Die Behörden des Küstenstaates wissen hinterher nichts von der Beschlagnahmeaktion. Ob es tatsächlich Polizisten waren oder nicht, bleibt unklar, die konfiszierten Dinge jedenfalls sind verschwunden (hauptsächliche Verbreitung: Südostasien, vornehmlich chinesische Gewässer).

Pech im Nahkampf

Die Piraten haben einen eigenen Trick entwickelt, sich für den Nahkampf zu rüsten: Sie schmieren ihre Kleidung – durch monate- oder jahrelanges Tragen ohnedies von gewisser Grundfestigkeit – mit Pech ein und verwandeln sie damit in eine Art Panzerweste, die sich bei Schwerthieben oder Dolchstößen des Gegners bestens bewährt (Verbreitungsgebiet: Nord- und Ostsee).

Optische Täuschung

Leuchtfeuer, die die Handelsschifffahrt vor Klippen und Untiefen warnen sollen, werden gelöscht und an anderer Stelle täuschend ähnliche Lichtzeichen gesetzt. Folge: Die Schiffe laufen genau auf eben diese Klippen oder Untiefen auf und sind anschließend leichte Beute für die Piraten (hauptsächliches Verbreitungsgebiet: das felsige britische Küstenland, später auch die Karibik).

Flagge zeigen

Ganz harmlos kreuzt ein Schiff durch die Weltmeere, die Flagge weist als Herkunft unverdächtige Länder wie die Fiji-Inseln oder Madagaskar aus. Bis ein Frachter, der nach reicher Beute riecht, in Rufweite ist. Doch anstatt zu grüßen, wird nun die Flagge flugs eingeholt, die schwarze Piratenflagge gehisst, und aus den vermeintlichen Frachtgutkisten lugen plötzlich Kanonenläufe hervor; das andere Schiff wird aufgebracht und damit zur Prise (Verbreitungsgebiet: Atlantik, Indischer Ozean und Pazifik, vor allem während des I. Weltkrieges durch die Kaperschiffe der Deutschen Reichsmarine ausgeübt).

An die Kette gelegt

Quer über die Schifffahrtsstraße wird eine Kette gespannt. An deren Ende sind zwei Boote vertäut, in denen Piraten auf der Lauer sitzen. Fährt der Frachter gegen die Kette, zieht er die beiden Boote automatisch längsseits – und zwar lautlos. Mit Seilen und Haken wird anschließend über die Reeling geentert (hauptsächliches Verbreitungsgebiet: Straße von Malakka).

Etikettenschwindel

Frachter X ist unterwegs in den Hafen Y, um vielleicht Zement, Eisenschrott oder andere scheinbare Nichtigkeiten, die in der Masse aber viel Geld einbringen, zu laden. Die Piraten wissen, dass der Frachter noch zweieinhalb Tage entfernt ist. Sie fahren ihrerseits mit dem Frachter Z in den Hafen ein, der aber ebenfalls X heißt und dem Original gleicht wie ein Ei dem anderen. Die Frachtpapiere selbstverständlich auch. Die Fracht wird, in den Augen der Hafenbehörden und -spediteure, ordnungsgemäß geladen und ist bis zur Ankunft des Frachters X mit dem Schiff Z auf Nimmerwiedersehen verschwunden (Verbreitungsgebiet: Südostasien, insbesondere Indonesien).

Vorsprung durch Technik

Überlebenswichtig war es für Piraten in allen Jahrhunderten, ihren Opfern, aber auch ihren Häschern an Schnelligkeit und Wendigkeit überlegen zu sein. Seeräuber waren bei Strafe der Verhaftung und des Galgens gezwungen, in der Entwicklung der Schiffbautechnik Marksteine zu setzen. So gelten die schnellen Großsegler des letzten Jahrhunderts, die Clipper, die die weiten Strecken nach Südostasien sowie zwischen der amerikanischen Ost- und Westküste um Kap Hoorn befuhren, auch als Fortentwicklung piratischer Schiffbautechnik (Verbreitungsgebiet: Sieben Weltmeere).

Staatlich subventionierte Piraterie

Erst vom Staat Geld kassieren zur Ausrüstung eines Piratenfangschiffes und dann selbst damit auf Kaperfahrt gehen: Dies war im 17. und 18. Jahrhundert eine beliebte Methode der Unternehmensgründung in der Piratenbranche. Berühmtestes Beispiel: Käpt’n Kidd, der der englischen Krone 6000 Pfund für seine Jagd auf Seeräuber vorab in Rechnung stellte, dann aber lieber Jagd auf fette Beute machte (Verbreitungsgebiet: Karibik, amerikanische Westküste).

mare No. 7

No. 7April / Mai 1998

Von Ulli Kulke

Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.

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Vita Ulli Kulke, Jahrgang 1952, ist Chefreporter für Wissenschaft der Berliner Tageszeitung Die Welt.
Person Von Ulli Kulke
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