Neugierig umkreist ein Hai einen Pferdekadaver. Er ahnt nicht, dass sein Leben verwirkt ist. Denn kurz darauf schießt aus dem unteren Bildrand ein Schwimmer empor, um dem Knorpelfisch ein Messer in den Bauch zu rammen.
Der Mann, der diesen Todesstoß ausführt, ist John Ernest Williamson, die Szene der Höhepunkt seines Films „Thirty Leagues Under The Sea“. 1914 hatte die Welt so etwas noch nicht gesehen. Lehrten die Gebrüder Lumière die Bilder das Laufen, brachte Williamson ihnen das Tauchen bei. Die Dokumentation gilt als erster Unterwassermeeresfilm. Allein das war in der Frühphase des Kinos eine Sensation. Weil Williamson seinen Geldgebern einen spektakulären Haikampf versprach, wurde der Streifen zum Reißer. Rückblickend spiegelt sich in dieser Szene die Ambivalenz eines Filmpioniers, der zwischen Realität und Fiktion wandelte.
Die Vorstellungskraft des 1881 in Liverpool geborenen Briten wurde durch die Erzählungen zweier Männer geschärft. Einer von ihnen war Jules Verne. In dessen Roman „20.000 Meilen unter dem Meer“ gibt es diesen magischen Moment, in dem der Protagonist, Professor Pierre Arronax, durch das Fenster des U-Boots „Nautilus“ blickt und im Beisein dessen legendären Kapitäns Nemo die Wunder der Tiefsee bestaunt. Williamson machte diesen Moment für ein Massenpublikum erfahrbar. Nicht nur, weil er für spätere Leinwandadaptionen die passenden Bilder kreierte – seine Filme selbst fungierten wie Fenster in eine für viele unbekannte Welt.
Der andere Mann war Williamsons Vater Charles, Seefahrer von Beruf und Erfinder aus Berufung. War das Seemannsgarn seines alten Herrn prägend für den jungen Williamson, lieferte der Vater dem erwachsenen Sohn eine Idee, wie es ihm gelingen sollte, das Leben unter Wasser auf Zelluloid zu bannen. Charles Williamson war es auch, der die Familie in die USA überführte, um dort sein Glück als Tüftler zu finden. Den Durchbruch erhoffte er sich von einem Signalsystem, das die Schiffskommunikation revolutionieren sollte – die Eingebung hierzu war ihm während einer nebligen Anfahrt auf Neufundland gekommen. Der Einfall erschien auch anderen lukrativ: Die Konzeptpapiere, erzählt John Ernest Williamson in seiner Autobiografie, habe sein Vater einem Vermittler in New York übergeben. Als er Monate später die Agentur aufsuchte, um Patentdetails zu besprechen, sei der Mann spurlos verschwunden gewesen.
John Ernest Williamson dachte daran, ebenfalls zur See zu fahren, verwarf den Gedanken jedoch. Seiner Leidenschaft fürs Meer blieb er beruflich dennoch treu und schlug eine Karriere im Schiffbau ein. 1912 schließlich hatte er seinen soliden, aber wenig aufregenden Job in einem Planungsbüro gegen eine Karriere als Fotoreporter eingetauscht. Als solcher belieferte er die Zeitungen Virginias. Bilder vom Meeresboden, war er überzeugt, würden die Auflagen steigern. Und sein Einkommen.
Das Problem: Williamson besaß keine wasserdichte Kamera. Dafür eine Lösung, wie er sein Equipment in die Tiefe hinablassen konnte, ohne die empfindliche Technik dem Nass auszusetzen. Vater Charles hatte 1903 einen Apparat für Unterwasserarbeiten zum Patent angemeldet. Der Prototyp bestand aus einer wasserdichten Röhre, die es einer Person ermöglichte, zum Meeresboden hinabzuklettern. Am Röhrenende befand sich eine Auswölbung mit Bullaugen und Greifarmen. Charles Williamson entwickelte mehrere Varianten für Anwendungen wie Schiffsreparaturen oder Wrackbergungen. Um variable Meerestiefen zu erreichen, ließ sich die Röhre – erst von einer Plattform, später von einem Schiff aus – wie ein umgekehrtes Periskop ausfahren.
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Patrick Torma, freier Autor, Jahrgang 1984, ist ins Meer vernarrt. Vielleicht reicht seine Courage einmal für einen Tauchschein. Derweil drückt er sich die Nase platt an den „Fenstern“ der Unterwasserfilme.
Vita | Patrick Torma, freier Autor, Jahrgang 1984, ist ins Meer vernarrt. Vielleicht reicht seine Courage einmal für einen Tauchschein. Derweil drückt er sich die Nase platt an den „Fenstern“ der Unterwasserfilme. |
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Person | Von Patrick Torma |
Vita | Patrick Torma, freier Autor, Jahrgang 1984, ist ins Meer vernarrt. Vielleicht reicht seine Courage einmal für einen Tauchschein. Derweil drückt er sich die Nase platt an den „Fenstern“ der Unterwasserfilme. |
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