Als die Menschheit zum Sprung ansetzte, zielte sie nach oben wie nach unten. Zwei Tage bevor „Apollo 11“ im Juli 1969 zum Mond abhob, brachen sechs Männer zu einer anderen, weniger bekannten Pioniermission auf. In beiden Fällen galt es, vom Erdboden aus in neue Welten vorzudringen: einerseits hoch hinauf auf den Mond – andererseits hinab ins Meer, mitten hinein in den Golfstrom.
Diese Meeresströmung, die sich entlang der US-Ostküste in Richtung Europa zieht, prägt das Leben in weiten Teilen der Erde. Sie beeinflusst das Klima in Europa, Hurrikane in den USA und den Monsun in Indien. Indirekt hängen von ihr vielerorts Wirtschaftskraft und Menschenleben ab.
Letzteres galt besonders für jene sechs Männer, die sich im Sommer vor 50 Jahren dem Golfstrom voll und ganz auslieferten. Einen ganzen Monat lang sollten sich die Teilnehmer der „Gulf Stream Drift Mission“ in der mächtigen Meeresströmung treiben lassen, eingeschlossen in einem engen U-Boot, das alle Launen des Ozeans nahezu ungepuffert an die Crew weitergab. Von innen heraus wollten die Aquanauten dem Golfstrom den Puls und – im wörtlichen Sinn – die Temperatur fühlen, seine Eigenarten und seine Tierwelt erkunden. Nie zuvor hatte es eine derartige Aktion gegeben.
Es war also genau das Richtige für Jacques Piccard. Der Schweizer Meereskundler liebte Abenteuer und Pioniertaten. 1960 waren er und ein Kollege in einem selbst gebauten U-Boot zum Marianengraben hinabgetaucht, einer der tiefsten Stellen der Weltmeere. Nun wollte Piccard den Golfstrom von innen heraus erkunden, ein Teil von ihm werden.
Schnell stand fest, wer ihm dabei als Pilot und Cheftechniker zur Seite stehen sollte: sein Freund und Kollege Erwin Aebersold. Vier Jahre vor Beginn der Expedition begannen die beiden Schweizer mit der Konstruktion jenes U-Boots, das zunächst mit „PX-15“ bezeichnet und später auf den Namen „Ben Franklin“ getauft werden sollte. Den Namen verdankte das U-Boot dem amerikanischen Allround-Talent und einem der Gründungsväter der USA, Benjamin Franklin. Von ihm stammte 1786 die erste weit verbreitete Karte des Golfstroms.
Das Boot sollte ein sogenannter Mesoskaph werden, einsatzbereit also für höchstens mittlere Tiefen. So hatte es Piccard mit Grumman Aerospace abgemacht, der amerikanischen Firma, die das U-Boot bezahlte und letztlich der Auftraggeber war. Für Piccard und sein Konstruktionsteam galt es zunächst, die passenden Lieferanten für die einzelnen Bauteile zu finden. Den Stahl für den Rumpf orderten sie bei einer österreichischen Firma; für die Elektrik wurde AEG verpflichtet, und die Motoren sollten von dem Hamburger Unternehmen Pleuger kommen.
Anfangs pendelten die Ingenieure noch zwischen Lausanne, wo sich Piccards Versuchswerkstatt befand, und Monthey im Kanton Wallis. Dort war der Familienbetrieb Giovanola ansässig, der das U-Boot bauen sollte. Bald aber verbrachten Piccard und seine Leute ihre gesamte Zeit in Monthey. Auch zwei amerikanische Mitarbeiter von Grumman fanden sich dort ein. Zunächst ruckelte es etwas in der transatlantischen Zusammenarbeit, doch bald gewöhnten sich die Amerikaner an das metrische Maßsystem und die kurvenreichen Schweizer Straßen. Einer der Amerikaner „war ganz überrascht, als er entdeckte, dass die Schweiz auch andere Dinge hervorbringt als Käse und Uhren“, schrieb Piccard 1971 in seinem Buch „Tauchfahrt im Golfstrom“.
Obwohl es in Monthey gut voranging, wurden die Auftraggeber bei Grumman in Florida ungeduldig. Ein U-Boot mitten in den fernen Schweizer Bergen, das kam ihnen allmählich suspekt vor. Umso erleichterter waren alle Beteiligten, als der Mesoskaph wie geplant am 1. März 1968 fertig wurde. Gut einen Monat später verließ er die Montagehalle in Monthey, um – nun wieder teilweise auseinandergebaut – per Schiff nach Florida gebracht zu werden. 13 Männer des Konstruktionsteams reisten ebenfalls in die USA. Später erinnerte Piccard sich an den freundlichen Empfang – und daran, dass er manchen Amerikaner korrigieren musste, der die Schweiz mit Schweden verwechselte.
Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 137. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.
Autorin Katrin Blawat, Jahrgang 1982, lebte eine Zeit lang in einem WG-Zimmer in München – rückblickend gesehen ein Palast, verglichen mit den noch viel beengteren Verhältnissen in der „Ben Franklin“.
Vita | Autorin Katrin Blawat, Jahrgang 1982, lebte eine Zeit lang in einem WG-Zimmer in München – rückblickend gesehen ein Palast, verglichen mit den noch viel beengteren Verhältnissen in der „Ben Franklin“. |
---|---|
Person | Von Katrin Blawat |
Vita | Autorin Katrin Blawat, Jahrgang 1982, lebte eine Zeit lang in einem WG-Zimmer in München – rückblickend gesehen ein Palast, verglichen mit den noch viel beengteren Verhältnissen in der „Ben Franklin“. |
Person | Von Katrin Blawat |