Mein Haus, meine Sänfte, meine Muräne

Sie war ein Statussymbol reicher Politiker im alten Rom: die Muräne. Doch der Koi-Karpfen der Römer war auch Synomym für ihren Niedergang. Denn Dekadenz kommt vor dem Fall

Ihr Körper ist aalförmig und schleimig, ihr Maul entblößt spitze Zähne, die wie Dolche aus dem Kiefer ragen, ihre eng stehenden, starren Augen verleihen ihr einen verschlagenen Blick. Dennoch war die Muräne einmal ein Statussymbol, heiß begehrt und stolz gezeigt. Sie war der Koi der alten Römer.

Bis zur Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. war die Fischzucht im antiken Rom ein Nebengewerbe. Bauern hielten Süßwasserfische in kleinen Teichen für den eigenen Bedarf oder für den Marktverkauf. Dann kamen die Angehörigen der Oberschicht auf den Geschmack. Süßwasserfische waren ihnen jedoch zu profan. Es waren Meeresfische, die die betuchten Römer schätzten. Besonders Muränen waren beliebte Speisefische. In „De re coquinaria“ (Über die Kochkunst), der einzig erhaltenen Rezeptsammlung aus der Römerzeit, finden sich gleich mehrere Saucen, die man zu gegrillter oder gekochter Muräne servierte. Allerdings war die Zucht von Meeresfischen aufwendiger und teurer als die von Süßwasserfischen.

Über Geld allerdings verfügte Roms politische Führung reichlich. Rom war unter Cäsars Führung zur Weltmacht aufgestiegen, was Unmengen Sesterzen in die Kassen der senatorischen Oberschicht gespült hatte. Nun konnten sie hemmungslos der luxuria fröhnen, der Genuss- und Vergnügungssucht. Kaum eine Gesellschaft der Weltgeschichte definierte sich so nachhaltig über Statussymbole wie die des Imperium Romanum.

Die Senatoren ließen um ihre Villen am Meer ausgeklügelte Wasseranlagen errichten. Der Archäologe Andreas Grüner bezeichnet sie als die „technisch und finanziell aufwendigsten Architekturen der Antike überhaupt“. Die Becken mussten ständig mit frischem, kühlem Salzwasser versorgt werden. Dazu wurde das Wasser vom Meer über ein System aus Kanälen zu den Becken geleitet. Man installierte Überlaufbecken, Abflussgitter und bewegliche Steinplatten, die den Zufluss regulierten. Manche Fischbecken wurden so angelegt, dass sie zu Beginn der Flut mit Frischwasser durchströmt wurden.

Wie eine solche Anlage beschaffen sein musste, um die Fische dauerhaft am Leben zu erhalten, erfährt man in dem Werk „De re rustica“ (Über die Landwirtschaft) des Schriftstellers Lucius Columella. Die größte heute bekannte piscina, wie die Becken genannt wurden, ist die der Villa von Torre Astura, die in Anzio südlich von Rom errichtet wurde. Auf einer künstlichen Insel thronte in der Mitte die Villa, die von Fischbecken umschlossen war. Die Becken, die in Rauten und Vierecken angeordnet waren, nahmen mehrere hundert Quadratmeter ein.

Oft gab es ein Hauptbecken, das bis zu 40 mal 20 Meter groß sein konnte und von kleineren Becken gesäumt wurde. Einige piscinae waren auch in einem Halbkreis um die Terrasse der Villa gruppiert oder bildeten weitere Terrassen, deren Begrenzung schließlich das Meer bildete. Üblicherweise wurden die Becken aus opus caementitium gefertigt, dem Beton der Römerzeit. Auf den Pontinischen Inseln mit ihren steilen Küsten schlug man die Becken auch als künstliche Höhlen in den Fels und verband sie über Wendeltreppen mit der Villa.

Der Senator Lucullus, nach dem die lukullischen Genüsse benannt sind, ließ sogar einen Berg durchstoßen, um die Becken seiner Villa bei Neapel mit Meer- wasser zu versorgen, wie der Geschichtsschreiber Plinius der Ältere berichtet. Das Unterfangen soll ihn mehr gekostet haben als der Bau der gesamten Villa.

Bald schon ging es bei der Zucht von Muränen, Barben und Doraden allerdings weniger ums Verkaufen und Verspeisen, sondern ums Sehen und Zeigen. Die Meerwasseranlagen „dienen mehr den Augen als dem Geldbeutel und leeren die Geldbörse ihres Besitzers eher, als dass sie diese füllen würden“, wie der Geschichtsschreiber Marcus Terentius Varro kri­ti­sier- te. Die Meerwasserbecken wurden allein zum Vergnügen betrieben. Und vor allem als Prestigeobjekt.


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mare No. 119

No. 119Dezember 2016 / Januar 2017

Von Nina Zschiesche

Autorin Nina Zschiesche, Jahrgang 1978, lebt in Freiburg im Breisgau. Die leidenschaftliche Taucherin schreibt vor allem für die Tauchzeitschrift Unterwasser und ist im Meer schon vielen Muränen begegnet. Sie zu zähmen und mit Ohrringen zu behängen ist ihr dabei nie in den Sinn gekommen.

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Vita Autorin Nina Zschiesche, Jahrgang 1978, lebt in Freiburg im Breisgau. Die leidenschaftliche Taucherin schreibt vor allem für die Tauchzeitschrift Unterwasser und ist im Meer schon vielen Muränen begegnet. Sie zu zähmen und mit Ohrringen zu behängen ist ihr dabei nie in den Sinn gekommen.
Person Von Nina Zschiesche
Vita Autorin Nina Zschiesche, Jahrgang 1978, lebt in Freiburg im Breisgau. Die leidenschaftliche Taucherin schreibt vor allem für die Tauchzeitschrift Unterwasser und ist im Meer schon vielen Muränen begegnet. Sie zu zähmen und mit Ohrringen zu behängen ist ihr dabei nie in den Sinn gekommen.
Person Von Nina Zschiesche