Das Übel für die Erdlinge beginnt mit dem Einschlag einer Reihe rotglühender Meteoriten. Diese entpuppen sich als Raumschiffe vom Mars, und alsbald entsteigen ihnen Trupps tentakelbewehrter Kreaturen. Sie wollen dem Untergang entgehen, der ihnen auf ihrem sterbenden Heimatplaneten droht. Dort wird es zunehmend kälter. Die Atmosphäre verflüchtigt sich. Und: Die Meere auf dem Mars sind auf ein Drittel ihrer früheren Ausdehnung geschrumpft.
Da machen sich die Octopusartigen auf, die Erde zu erobern – die blauschimmernde, wasserschwangere Kugel im All erscheint ihnen als Paradies. Der Mars, ein besiedelter Planet mit Ozeanen – diese phantastische Idee entwickelte der englische Schriftsteller H. G. Wells in seinem 1898 veröffentlichten Roman „Krieg der Welten“. Inspiriert hatte ihn eine Entdeckung des italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli. Er erspähte im Jahr 1877 auf dem Roten Planeten ein Netzwerk dunkler Gräben, die er „canali“ taufte. Der US-Forscher Percival Lowell bestätigte die Beobachtung und fertigte ab 1895 Mars-Landkarten mit einem planetenumspannenden Kanalnetz an. Mehr noch als Schiaparelli war er überzeugt, es handle sich um ein künstliches Bewässerungssystem, gebaut von einer technisch hochentwickelten Zivilisation, um Wasser von den polaren Eiskappen in die trockene Äquatorregion zu leiten. Erst 1965 entlarvten Mars-Bilder der Raumsonde „Mariner 9“ beide Sichtungen als optische Täuschung.
Auch der Venus schrieben Astronomen reiche Wasservorräte zu. Als sie den Abend- und Morgenstern vor rund 300 Jahren erstmals mit Fernrohren betrachteten, fanden sie ihn in einen dichten Wolkenschleier gehüllt.
Dieser musste aus Wasserdampf bestehen – woraus sonst? Und weil die Venus der Sonne um 28 Prozent näher steht als die Erde, sollte sie auch heißer sein. Die Phantasie von Forschern wie Romanschreibern bevölkerte sie prompt mit saurierähnlichen Geschöpfen, die durch dampfende Sümpfe waten.
Auf dem Mond sollte es ebenfalls große Wasserflächen, ja Meere, geben. Die dunklen Flächen in der hellen Scheibe des Erdtrabanten sind die auffälligsten Strukturen, mit bloßem Auge sichtbar. Astronomen der Antike hielten sie für Meeresoberflächen und tauften sie „Mare“. Das größte davon, das Mare Imbrium (Regenmeer), durchmisst 1300 Kilometer.
Heute wissen die Himmelskundler: Die Venus, mit 457 Grad Celsius Oberflächentemperatur sengend heiß, ist eine planetarische Ausgabe der Hölle. Bitter kalt dagegen der Mars, dessen dünne Luft an den Polen bis auf –123 Grad auskühlt. Am Äquator betragen die Bodentemperaturen im Mittel noch –60 Grad. Vor allem aber sind unsere beiden Nachbarn im All staubtrocken – die Vision wassersatter Schwesternwelten war angesichts nüchterner Forschungsergebnisse zerronnen. Und die Meere auf unserem Mond erwiesen sich als riesige Einschlagbecken und Senken, die von mächtigen Lavaflüssen aufgefüllt worden waren – von Wasser ebenfalls keine Spur.
Dennoch lagen die frühen Science-fiction-Autoren nicht völlig daneben. Denn wie die Fotos und Messdaten zahlreicher Raumsonden verraten, schwappten auf Venus und Mars tatsächlich einst die Fluten riesiger Ozeane. Reißende Ströme, gespeist von gewaltigen Niederschlägen, durchzogen die Kontinente.
Allenthalben stoßen die Planetologen auf die Spuren der urzeitlichen Gewässer, die die planetarische See speisten. Selbst deren Ausdehnung können sie mittlerweile rekonstruieren. Zuletzt lieferte im Herbst 1997 die Marssonde „Pathfinder“ samt ihrem kleinen Geländewagen „Sojourner“ Hinweise auf eine nasse Vergangenheit des Roten Planeten: Das Gespann fand Steine, die im Sediment entstanden sein müssen, in einem früheren Urstromtal.
Kleinere Wasservorräte vermuten die Planetenforscher auch auf dem Erdmond – in Form von Eis, als Relikt früherer Kometeneinschläge. Es könnte sich, vor Sonnenstrahlen geschützt, am Boden tiefer Krater am Südpol verbergen. Hinweise darauf lieferten Radarechos der Raumsonde „Clementine“, die den Mond vor fünf Jahren passierte. Endgültige Klarheit erhoffen die Forscher vom „Lunar-Prospector“, einer weiteren Sonde, die den Erdtrabanten derzeit umkreist.
Im äußeren Sonnensystem könnte es sogar noch heute Ozeane aus flüssigem Wasser geben. Begründeten Verdacht hegen Planetologen beim Jupiter-Mond Europa und weiteren Trabanten der großen Gasplaneten Jupiter, Saturn und Neptun. Vielleicht keimte im frühen Sonnensystem außer auf der Erde auch auf diesen Himmelskörpern Leben, ebenso auf Venus und Mars. In speziellen Nischen, so spekulieren die Forscher, hat es womöglich bis in die Gegenwart überdauert.
Das lebensfreundliche Ambiente verdanken die inneren Gesteinsplaneten Venus, Erde und Mars den physikalischen und chemischen Verhältnissen in der Frühzeit des Sonnensystems. Es bildete sich vor rund 4,5 Milliarden Jahren. Anfänglich wiesen alle drei Planeten, weil aus dem gleichen Urmaterial entstanden, wohl eine recht ähnliche Zusammensetzung auf. Vor allem dürften sie über vergleichbare Mengen an Wasser verfügt haben. Ein Indiz dafür ist, dass Venus und Erde auch nahezu gleich große Mengen an Stickstoff und Kohlenstoff besitzen.
Zunächst entwickelten sich die Gesteinskugeln im Gleichtakt: Gase, die durch Vulkane aus dem Planeteninneren strömten, bildeten rasch dichte Atmosphären. Diese enthielten auch Wasser, ein Überrest verdampfter, eishaltiger Kometen, die in den ersten 500 Millionen Jahren nach der Geburt des Sonnensystems in großer Zahl auf die jungen Himmelskörper prasselten.
Der Dampf kondensierte zu Seen und Ozeanen – in einer Staub- und Gaswolke am Rande der Milchstraße waren drei Wasserwelten geboren, als „Kinder“ einer kleinen, damals noch orangefarbenen Sonne. Jede davon bot vermutlich die Startvoraussetzungen für eine biologische Evolution.
Im Verlauf der weiteren Geschichte des Sonnensystems aber endete die planetare Harmonie. Das himmlische Dreigestirn entwickelte sich dramatisch auseinander. Nur ein Planet – die Erde – konnte seine Wasservorräte bewahren und bot so dem Leben einen sicheren Hort.
Treibende Kraft hinter der divergierenden Evolution war die sich ändernde Leuchtkraft der Sonne. In ihren frühesten Jahren strahlte sie um 30 Prozent schwächer als heute – der Venus zum Segen. Sie kreiste in der Temperaturzone, die flüssiges Wasser auf der Oberfläche eines Planeten erlaubt (der „Lebenszone“). Auf Erde und Mars war es deutlich kälter. Doch ihre dichten Atmosphären kompensierten den Frost: Sie waren reich an Kohlendioxid (CO2) und erwärmten die Planeten durch den Treibhauseffekt.
Der Abendstern bot zu dieser Zeit das gleiche Bild, das sich die Forscher von der urtümlichen Erde machen: Eine dichte Wolkendecke, die niemals aufreißt, schattete ihn ab. Wassermassen stürzten herab, um sogleich wieder zu verdampfen. Als die Kruste ausreichend abgekühlt war, bildeten sich Ozeane, die schließlich den größten Teil der Venusoberfläche bedeckten. In der brodelnden Ursuppe formierten sich zuhauf organische Moleküle, so vermuten viele anerkannte Exobiologen, schließlich dürfte ihrer Ansicht nach primitives Leben entstanden sein – vermutlich in Form „extremophiler“ Einzeller, wie sie auch auf der Erde in extremen Umgebungen, etwa in Geysiren oder an „Schwarzen Rauchern“ (heißen Quellen) am Meeresgrund, gefunden werden.
Anhand der Sondenmessungen skizzierten Planetenforscher ein Relief der Venus-Oberfläche. Es zeigt einige Kontinente, die sich zwei Kilometer oder mehr über das mittlere Höhenniveau (es entspricht einem Planetenradius von 6051 Kilometer) erheben. Insgesamt aber bedecken sie nur fünf Prozent der vermessenen Oberfläche (Erde: 35 Prozent). Der Rest waren Ozeane. Demnach verdiente die Venus noch eher als die Erde das Prädikat „Wasserplanet“. Und weil die Plattentektonik, und damit die Kontinentalverschiebung, die das Antlitz der Erde fortwährend verändert, auf der Venus fehlt, dürften ihre Hoch- und Tiefländer noch heute die urzeitliche Verteilung von Wasser und Land widerspiegeln.
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Wolfgang Silvanus lebt als freier Journalist in Frankfurt. Er schreibt vor allem über Themen aus den Bereichen Klima und Kosmologie.
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Person | Von Wolfgang Silvanus |
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