„Majestät, es gibt keinen Zweiten“

Der aktuelle Streit um den America’s Cup zeigt: Die älteste Segeltrophäe der Welt ist Spielball exzentrischer Milliardäre

Wer den Cup betrachtet, begreift die Begierde nicht. Versilberte Zinnlegierung, knapp 70 Zentimeter hoch, fast vier Kilogramm schwer und ausladend wie seine Stifterin Queen Victoria. Aber ausgerechnet dieser verschnörkelten Henkelkanne haftet, so der Yachtkonstrukteur Edward Burgess, „der Reiz der Sünde“ an.

Vielleicht hängt ihre Magie mit der nachhaltigen Erschütterung zusammen, den ihr Verlust 1851 dem Selbstbewusstsein der Seefahrernation Großbritannien zugefügt hat. Die Geschichte ist oft erzählt worden: wie die Königin einen „Hundred Guinea Cup“ stiftete für den Sieger einer Wettfahrt rund um die Isle of Wight; wie Bugform und Linien der einzigen teilnehmenden Yacht aus der Neuen Welt, des 31 Meter langen Lotsenschoners „America“, im Hafen von Cowes von den maritimen Experten der Alten Welt nachsichtig belächelt wurden; und wie dann ausgerechnet dieses Yankeeschiff die Elite des britischen Yachtsports nass machte und so lässig abhängte, dass die Queen, als sie bei Sichtung des Siegers fragte, wer Zweiter sei, die legendäre Antwort bekam: „Majestät, es gibt keinen Zweiten.“ Womit für die folgenden 150 Jahre Prinzip und Motto des America’s Cup kurz und bündig formuliert waren. Es gibt keinen Zweiten, der Zweite ist der Letzte. Wer gewinnt, kommt ins Pantheon, wer verliert, wird vergessen.

132 Jahre lang kamen die Gewinner aus Amerika. 24-mal wurde der Cup erfolgreich gegen die Herausforderer aus anderen Ländern verteidigt, und im New York Yacht Club galt als Gesetz, dass der Skipper, der den Cup verliert, ihn durch seinen eigenen Kopf in der Vitrine ersetzen müsse. Die Duelle um die „bodenlose Kanne“ – so genannt, weil sie mangels Stabilität auf einer Unterlage festgebolzt ist, aber auch, weil in ihr unzählige Männerträume und Millionen versunken sind – waren immer mehr als simple Wettfahrten zwischen Segelclubs. Es waren auch Wettstreite von Alphatieren, Zweikämpfe von Reichen und Superreichen, die alles haben konnten, was für Geld zu haben war, und deswegen haben wollten, was sie für kein Geld kaufen konnten.

Einer von ihnen war der britische Teekönig Thomas Lipton, der von 1899 bis 1930 fünfmal versuchte, den Cup heimzuholen, und dem auf amerikanischer Seite Männer wie der Bankier J. Piermont Morgan oder der Milliardenerbe Harold Vanderbilt gegenüberstanden, die ihn jedes Mal geschlagen nach Hause schickten.

Schon Lipton musste die Erfahrung machen, dass der Kampf um den Cup von den Amerikanern keineswegs nur mit Riss und Rigg ausgetragen wurde, sondern auch mit Vermessungsformeln, Regelauslegungen und Gerichtsentscheidungen. „Britannia rules the waves“, hieß es, aber „America waves the rules“ – England herrscht über die Wogen, Amerika biegt die Regeln. Als es 1983 tatsächlich erstmals einem australischen Herausfordererboot mit einem revolutionären Flügelkiel gelang, die amerikanischen Cupverteidiger zu besiegen, da versuchten die mit allen Mitteln, diesen Kiel für illegal erklären zu lassen. Der Eigner der australischen Yacht resümierte: „Das ist kein Sport mehr. Das ist Krieg.“

Doch nach den Siegen der Neuseeländer 1995 und – Sensation! – des Schweizer Teams Alinghi 2003 schien sich endlich auch der America’s Cup vom Hobby spleeniger Krösusse zum modernen Profisport zu wandeln. Nach Alinghis Verteidigung des Cup 2007 in Valencia schien sich der Rennzirkus endgültig in eine Formel 1 zur See und Ernesto Bertarelli, milliardenschwerer Alinghi-Chef, zum Bernie Ecclestone des Segelns zu wandeln. Zusammen mit dem neu gegründeten Club Náutico Español de Vela (einem Ableger des Teams Desafío Español) als erstem Herausforderer wurde Valencia als nächster Austragungsort bestimmt und das Regelwerk überarbeitet. Noch mehr attraktive Vorentscheidungen sollten künftig in ganz Europa stattfinden, die Boote noch länger, schneller und aggressiver werden, die Crews größer, ihr Wettkampf telegener. Der America’s Cup sollte wieder Schach, gespielt von Rugby-Teams in Formel-1-Wagen, sein. Segler, Sponsoren, Fernsehsender, Publikum, alle waren glücklich.

Nur einer nicht: Larry Ellison. Dem 64-jährigen Junggesellen gehört das Softwareimperium Oracle; mit 22,5 Milliarden Dollar ist er Nummer vier auf der Liste der Superreichen. Er wurde als Kind viel herumgeschubst und kam bei allem zu kurz. Deswegen will er heute alles haben. Er hat die zweitgrößte Yacht der Welt, 140 Meter lang, einen Kampfjet und einen Nachbau des japanischen Kaiserpalasts als Residenz. Aber das genügt ihm nicht. Sein Biograf Mike Wilson schrieb: „Der Unterschied zwischen Gott und Larry Ellison ist: Gott glaubt nicht, er sei Larry Ellison.“ Larry will eben alles. Auch den Cup.

Seglerisch ist ihm das bisher misslungen, weil er nach dem Rezept vorging, einfach alle teuren Stars der internationalen Segelszene zu kaufen, auf einem Schiff zusammenzusperren und zu erwarten, dass sie ein Team werden. Sie wurden es nicht. Larry versenkte Millionen, hat den Cup aber noch nie in der Hand gehabt. Also suchte er einen anderen Weg.


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mare No. 75

No. 75August / September 2009

Von Peter Sandmeyer

Peter Sandmeyer machte seinen ersten Segelschein in Berlin. Der promovierte Kulturwissenschaftler arbeitete als Autor für Rundfunk und Fernsehen. 1981 wechselte er zum Stern, für den er bis heute als Reporter arbeitet. Segeln ist Hobby und schönstes Thema. Die Kämpfe um den America’s Cup erlebte er erstmals 2000 in Auckland. 2007 begleitete er das deutsche Team beim 32. Cup in Valencia. Seitdem verfolgt er die immer neuen Turbulenzen um die älteste Sporttrophäe der Welt.

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Vita Peter Sandmeyer machte seinen ersten Segelschein in Berlin. Der promovierte Kulturwissenschaftler arbeitete als Autor für Rundfunk und Fernsehen. 1981 wechselte er zum Stern, für den er bis heute als Reporter arbeitet. Segeln ist Hobby und schönstes Thema. Die Kämpfe um den America’s Cup erlebte er erstmals 2000 in Auckland. 2007 begleitete er das deutsche Team beim 32. Cup in Valencia. Seitdem verfolgt er die immer neuen Turbulenzen um die älteste Sporttrophäe der Welt.
Person Von Peter Sandmeyer
Vita Peter Sandmeyer machte seinen ersten Segelschein in Berlin. Der promovierte Kulturwissenschaftler arbeitete als Autor für Rundfunk und Fernsehen. 1981 wechselte er zum Stern, für den er bis heute als Reporter arbeitet. Segeln ist Hobby und schönstes Thema. Die Kämpfe um den America’s Cup erlebte er erstmals 2000 in Auckland. 2007 begleitete er das deutsche Team beim 32. Cup in Valencia. Seitdem verfolgt er die immer neuen Turbulenzen um die älteste Sporttrophäe der Welt.
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