Lass uns auf Südgeorgien heiraten

Ein Paar lebte mehr als zwei Jahre auf seinem Segelboot vor der antarktischen Insel Südgeorgien. Ihre Bilder und Berichte sind Zeugnisse einer zutiefst beeindruckenden Natur

mare: Kicki und Thies, in den vergangenen Jahren wart ihr hauptsächlich südlich des 40. Breitengrads unterwegs, bei den Aucklandinseln, den Falklandinseln, in der Antarktis, auf Südgeorgien. Was ist so reizvoll an Kälte, Nebel und tückischen Winden?

Thies: Wenn du dich in einem großen Naturraum be- findest, ist das so faszinierend, dass es dich vollkommen füllt. In solch gewaltigen Räumen, und dann auch noch in so einem kleinem Boot, wirst du zurechtgestutzt auf deine eigentliche Rolle, nur ein Teil zu sein.

Kicki: Wir haben ja schon viele Jahre im Warmen verbracht. Ich habe Thies vor 25 Jahren in der Karibik kennengelernt. Nach meinem Architekturstudium habe ich drei Jahre auf den amerikanischen Virgin Islands bei der Sanierung denkmalgeschützter Häuser mitgearbeitet, und Thies lag für ein paar Wochen mit seinem Zuhause, der „Wanderer III“, vor Anker. Er baute gerade für einen Dreimaster, dessen Besatzung ich kannte, ein Ruderboot …

… um Geld für die Weiterreise zu verdienen. So etwas geht als Bootsbauer ganz gut.

Mein erster Besuch an Bord der „Wanderer III“ war ein Sonntagsausflug. Im Jahr darauf bin ich dann bei ihm eingezogen. Die ersten zehn Jahre segelten wir hauptsächlich in tropischen Gewässern: Südsee, Indonesien, Madagaskar. Wir waren auf kleinen Atollen, die wenig Austausch mit der westlichen Welt haben, und haben die Menschen dort und ihre traditionelle Kultur kennengelernt. Aber wir wollten ein größeres Bild be- trachten, nicht nur den kleinen Ausschnitt mit den Menschen, sondern das große Ganze: die Natur. Die letzten 15 Jahre waren wir dann in den großen Naturgebieten unterwegs, und die liegen nun einmal im Kalten, im Südmeer, in der Subantarktis.

Südgeorgien ist einer der entlegensten Flecken dieser Erde. Wie seid ihr dorthin gekommen?

Eine Reise nach Südgeorgien, die schüttelst du nicht einfach so aus dem Ärmel, dazu gehört natürlich viel Vorbereitung, auch mental. Einen Winter dort zu verbringen verlangt dir einiges ab.

Du musst dich mit ausreichend Proviant eindecken. Trockengemüse, Trockenfrüchte, Trockenfleisch, Trockenmilch, wenig Dosen, die wiegen viel. Ich habe für ein Jahr eingekauft, wir sind mit genau 280 Äpfeln runtergesegelt, denn unser Frühstück besteht aus Haferflocken, einem halben Apfel für jeden von uns und Kefir. Wasser gibt es ja reichlich, aber im Winter mussten wir manchmal Eiszapfen schmelzen.

(„Du kannst dort nichts kaufen, keine Unterstützung finden und bist auf dich gestellt. Das sind die Grundbedingungen eines Aufenthalts dort, auch wenn es in Grytviken eine kleine Forschungsstation mit acht bis zehn Mann gibt. So etwas ist natürlich eine logistische Herausforderung.“)

Allein das Hinsegeln ist ein gewaltiges Erlebnis. Du kreuzt die Polarfront mit ihren Tiefdruckzonen und starken Stürmen. Überall dichter Nebel.

Bei unserer ersten Tour nach Südgeorgien kamen wir wie Segler vor 200 Jahren an, nur mit Kompass und Sextant. Wir segelten ohne Sichtbarkeit und mit Eisbergen um uns herum. Unsere Position war kaum mehr als Vermutung, und nach drei Tagen im Nebel hielten wir nach Steuerbord. Und da war sie, die Insel. Kurz darauf brach die Sonne durch. So ein Landfall ist überwältigend, das war wie ein Hineingeborenwerden in die südgeorgische Grandiosität.

Was genau macht die aus?

Das Dasein mit den Tieren, du bist Teil der Natur, ein Tier unter Tieren. Südgeorgien hat im Sommer die höchste Dichte von Säugetieren und Vögeln auf diesem Planeten. Die Pinguine kommen auf dich zu, betteln dich um Futter an. Und die Pelzrobben behandeln dich genauso aggressiv wie einen ihrer Artgenossen. Das alles vor dem Hintergrund der vergletscherten Berge, 3000 Meter hoch.

Südgeorgien ist voller Gegensätze: Sturm und Flaute, Walfanggeschichte und Tierreichtum, Leben und Tod, sommerliche Fülle und winterliche Verlassenheit. Alles ist dichter hier, direkt vor deinem Gesicht. Dieser Reichtum an Schönheit, dieser Reichtum an Leben, dieser Reichtum an Energie: Das hinterlässt etwas in dir.


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mare No. 105

No. 105August / September 2014

Von Thies Matzen, Interview: Dimitri Ladischensky

Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

Thies Matzen (geb. 1956) und Kicki Ericson (geb. 1964) besegeln seit 25 Jahren gemeinsam die Weltmeere. Ihr legendäres, neun Meter langes Holzboot Wanderer III ist ihr einziges Zuhause. Kicki Ericson ist Architektin und spezialisiert auf Denkmalschutz; Thies Matzen ist Bootsbauer und Fotograf mit Veröffentlichungen u. a. in mare, GEO, National Geographic und Yacht. Die antarktische Insel Südgeorgien entwickelte sich zum Mittelpunkt ihrer Reisen. Zuletzt verbrachte das Paar dort 26 Monate – inklusive zweier Winter – auf seinem Boot.

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Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

Thies Matzen (geb. 1956) und Kicki Ericson (geb. 1964) besegeln seit 25 Jahren gemeinsam die Weltmeere. Ihr legendäres, neun Meter langes Holzboot Wanderer III ist ihr einziges Zuhause. Kicki Ericson ist Architektin und spezialisiert auf Denkmalschutz; Thies Matzen ist Bootsbauer und Fotograf mit Veröffentlichungen u. a. in mare, GEO, National Geographic und Yacht. Die antarktische Insel Südgeorgien entwickelte sich zum Mittelpunkt ihrer Reisen. Zuletzt verbrachte das Paar dort 26 Monate – inklusive zweier Winter – auf seinem Boot.
Person Von Thies Matzen, Interview: Dimitri Ladischensky
Vita Dimitri Ladischensky, Jahrgang 1972, seit September 2001 bei mare. Hat zuvor als Redakteur und Autor für Geo Saison gearbeitet. Studium der Germanistik, Geschichte und VWL in Freiburg, Kopenhagen und Berlin. Ausbildung auf der Deutschen Journalistenschule in München.

Thies Matzen (geb. 1956) und Kicki Ericson (geb. 1964) besegeln seit 25 Jahren gemeinsam die Weltmeere. Ihr legendäres, neun Meter langes Holzboot Wanderer III ist ihr einziges Zuhause. Kicki Ericson ist Architektin und spezialisiert auf Denkmalschutz; Thies Matzen ist Bootsbauer und Fotograf mit Veröffentlichungen u. a. in mare, GEO, National Geographic und Yacht. Die antarktische Insel Südgeorgien entwickelte sich zum Mittelpunkt ihrer Reisen. Zuletzt verbrachte das Paar dort 26 Monate – inklusive zweier Winter – auf seinem Boot.
Person Von Thies Matzen, Interview: Dimitri Ladischensky