Langstreckenkünstler

Die Radtkes schwimmen seit 30 Jahren jeden Tag und führen Buch: Bis zu den Seychellen sind sie jetzt gekommen. Rein rechnerisch

Ausdauersport ist reine Kopfsache. Die Motivation entscheidet, zu welchen Leistungen wir imstande sind. Günter und Dorothea Radtke  zum Beispiel – er ist 82 Jahre alt, sie 80 – schwimmen jeden Tag. Und das seit 1972. Da haben sie sich ein eigenes kleines Schwimmbad gebaut, in dem ziehen sie jeden Abend ihre Bahnen. Sie am linken Ufer, er rechts, immer einen Kilometer.

Mein Gott, stöhnt der Bequeme, was für eine Qual! Und: Wird das denn nie langweilig? Nun gibt es ja zwei Typen von Sportlern: Die einen schwören beim Training auf Disziplin. No pain, no gain. Diese Menschen quälen sich wirklich und empfinden schlimme Langeweile, doch als Preis für sportliche Ehren oder die Idealfigur nehmen sie jede Marter klaglos hin. Ganz anders der zweite Typ: Diese beneidenswerte Spezies genießt, was sie tut. Jeder Armzug ein Vergnügen, jeder Beinschlag eine Lust. Sie stellt zwar eher selten Rekorde auf, bleiben jedoch ihrem Sport viel länger treu.

Günter und Dorothea Radtke gleiten im Pool von Ost nach West und wieder zurück und lächeln zufrieden. Von Anstrengung keine Spur. Am Ziel angekommen, trinken sie am liebsten ein Schlückchen Sekt. Einfach so.

Ihr Schwimmbecken ist fünfeinhalb Meter breit und acht Meter lang. Macht bei einem Tagespensum von 1000 Metern jeweils 125 Bahnen, was bei aller Liebe zum Sport tatsächlich die Gefahr der Eintönigkeit birgt. Die Radtkes überwinden diese Hürde kraft ihres Vorstellungsvermögens, das bei ihnen von Berufs wegen gut ausgeprägt ist. Sie schreibt Romane („Es geschah in Positano“) und Sachbücher („Das wunderbare Leben. Wenn Liebe über das Chaos siegt“); er nennt sich bescheiden Grafiker und Illustrator und unterschlägt dabei, dass er 1948 zu den Mitbegründern der Illustrierten „Stern“ gehörte. Wenn kein Fotograf zur Stelle war, zeichnete er, was geschah. Beim Baader-Meinhof-Prozess etwa, als die Bohrinsel „Alexander Kielland“ kenterte oder als die CIA heimlich ein gesunkenes sowjetisches U-Boot hob (mare No. 36).

Ihrer Fantasie sei Dank schwimmen diese beiden Künstler also längst keine Bahnen mehr. Sie stellen sich vielmehr vor, sie kraulten um die Welt. Ihre Strecke durchs Becken ist eine imaginäre Kurslinie über die Ozeane, ihr Tagebuch das Log einer Reise um die Welt.

Ein Geniestreich: Sportlich lässt sich so ein neues Ziel anvisieren, nämlich eine Langstrecke, die ihren Namen wirklich verdient. Im Mai 1974 tritt Willy Brandt zurück, und die Radtkes ziehen an der Küste Sardiniens entlang. Zwei Jahre später liegt die Straße von Messina hinter ihnen. Als sie 1979 Kreta querab peilen, fliehen die Familien Striezel und Wetzel im Heißluftballon aus der DDR. Günter skizziert die abenteuerliche Fahrt für den „Stern“. Als die Radtkes 1983 den Sueskanal passieren, wählt die Bundesrepublik Schwarz-Gelb, Helmut Kohl wird Kanzler.


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mare No. 38

No. 38Juni / Juli 2003

Von Olaf Kanter und Stefan Pielow

Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg.

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

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Vita Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg.

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.
Person Von Olaf Kanter und Stefan Pielow
Vita Stefan Pielow, geboren 1961, ist im Münsterland aufgewachsen und ging nach dem Abitur als freier Fotoassistent nach Hamburg. Nach dreijähriger Praxis studierte er an der Folkwangschule Essen Fotografie. Während des Studiums produzierte er seine ersten Reportagen für den Stern und das ZEITmagazin. Später spezialisierte er sich immer mehr auf das inszenierte Portrait. Als freier Mitarbeiter beim Stern fotografierte er zahlreiche Lifestylethemen sowie Prominente im In- und Ausland. Stefan Pielow arbeitet heute als freier Fotograf für internationale Magazine, Firmen und Agenturen. Seit 2002 lebt Stefan Pielow mit seiner Frau und zwei Töchtern in Starnberg.

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.
Person Von Olaf Kanter und Stefan Pielow