Als Schädlingsbekämpfer waren Schiffskatzen stets geschätzte Besatzungsmitglieder – wenn auch ohne Heuer. Im „Black Book of the Admirality“, einem Regelwerk für die Belange der englischen Seefahrt, war festgeschrieben, dass Schiffseigner für durch Ratten beschädigte Waren haften mussten, wenn es keine Katzen an Bord des Handelsschiffs gab. Und auch Versicherungen verlangten die Anwesenheit einer Bordkatze, um Ladung und Proviant zu schützen. Bereits auf den Schiffen der Phönizier dienten domestizierte Katzen als Mäusefänger und eroberten so vom alten Ägypten aus den gesamten Mittelmeerraum.
In Europa gab es bis dahin nur Wildkatzen. Auch unsere Hauskatzen entstammen im Grunde also dem Kielwasser der frühen Seefahrt. So wasserscheu sie sind, Katzen kolonisierten die Welt über die Meere: an Bord von Handels- und Forschungsschiffen, auf Entdeckertour oder auch in kriegerischer Mission. Und manche bekamen für ihre Verdienste als Proviantwächter sogar einen Orden.
So wie Kater Simon. Er kam 1947 auf einer Werft in Hongkong zur Welt. Der Matrose George Hickinbotton schmuggelte ihn an Bord des britischen Kriegsschiffs „Amethyst“, was nicht lange geheim blieb. Zu Georges und Simons Glück war der Kapitän selbst ein Katzenfreund. Er nahm den Kater sofort als Rattenfänger in Dienst. Am Morgen des 20. April 1949 geriet die „Amethyst“ rund 100 Seemeilen vor der Mündung des Jangtsekiang unter rotchinesischen Beschuss und lief auf einer Sandbank auf. Viele Crewmitglieder starben im Feuer oder wurden verletzt; auch Simon bekam etwas ab, wurde im Chaos nach dem Gefecht aber zunächst übersehen.
Erst Tage später kümmerte sich der Schiffsarzt um den Kater, dessen Herz ein Querschläger erwischt hatte. Der Arzt zog ihm mehrere Splitter, räumte ihm aber kaum Überlebenschancen ein. Doch Simon überstand seine Verwundungen und verhalf am Ende auch der Mannschaft zum Überleben. Denn das Schiff lag fest, die Verhandlungen mit den Chinesen zogen sich hin, während sich die Ratten über den knappen Proviant hermachten. Tapfer nahm Simon seinen Dienst wieder auf, machte Jagd auf den inneren Feind an Bord. Trotz seiner noch nicht verheilten Wunden soll er bis zu fünf Ratten am Tag erlegt haben, wie Detlef Bluhm in seinem schönen Buch „Schiffskatzen“ erzählt.
Simons unermüdlicher Kampf gegen die Ratten dauerte mehr als drei Monate. Am 30. Juli unternahm der Kapitän aufgrund der katastrophalen Versorgungslage einen erfolgreichen Fluchtversuch. Auf freier See wurde Kater Simon schließlich vor versammelter Mannschaft an Deck mit einem Ordensband ausgezeichnet und zum Vollmatrosen ernannt. „Ohne Simon hätte uns das Rattenheer glatt überwältigt“, berichtete später ein Offizier.
Die Ernennung zum Vollmatrosen blieb nicht Simons einzige Würdigung. Die britische Tierschutzorganisation People’s Dispensary for Sick Animals (PDSA) wollte Simon mit der Dickin-Medaille auszeichnen, der höchsten britischen Auszeichnung für Tiere im Kriegseinsatz.
Auf der Heimfahrt der „Amethyst“ warteten in jedem Hafen Pressevertreter, um Fotos von dem vierbeinigen Kriegshelden zu machen. Doch im Heimathafen Plymouth musste Simon zur Quarantäne zunächst in ein Tierheim. Das war sein Ende. Noch vor der offiziellen Zeremonie verstarb er dort im Alter von nur zwei Jahren, vermutlich an Herzversagen. In einem eigens für ihn hergestellten Sarg, bedeckt von einem Union Jack, wurde Simon auf dem Londoner Tierfriedhof der PDSA beerdigt.
Da erging es Oskar besser, wenn auch erst im vierten Katzenleben. Auch er ein Kater und Seekriegsopfer. Am 19. Mai 1941 verließ er an Bord der „Bismarck“ den Hafen von Gotland. Wie er aufs Schiff gelangte, ist nicht überliefert. Klar ist nur, dass Oskar den Untergang des legendären Schlachtschiffs überlebte.
Dem polnischen Militärhistoriker Janusz Piekalkiewicz zufolge wird das „vor Kälte zitternde, triefend nasse Tier“ von Seeleuten des Zerstörers HMS „Cossack“ gerettet. Erst bei der Rettung bekommt er seinen Namen. Sein zweites Katzenleben beginnt. Mit der „Cossack“ reist Oskar ins Mittelmeer. Über die Möglichkeiten der Mäusejagd an Bord ist nichts überliefert. Aber am 24. Oktober 1941 wird die „Cossack“ von einem deutschen U-Boot torpediert. Mann und Katze gehen unter.
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Roland Brockmann, Jahrgang 1961, Autor und Fotograf in Berlin, ist in jungen Jahren zur See gefahren. An Bord ist er nie einer Katze begegnet. Später wohnte er aber mit Katze Miezi auf St. Pauli. Allen, die mehr über Bordkatzen wissen wollen, empfiehlt er das Buch Schiffskatzen von Detlef Bluhm (Insel Verlag).
Vita | Roland Brockmann, Jahrgang 1961, Autor und Fotograf in Berlin, ist in jungen Jahren zur See gefahren. An Bord ist er nie einer Katze begegnet. Später wohnte er aber mit Katze Miezi auf St. Pauli. Allen, die mehr über Bordkatzen wissen wollen, empfiehlt er das Buch Schiffskatzen von Detlef Bluhm (Insel Verlag). |
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Person | Von Roland Brockmann |
Vita | Roland Brockmann, Jahrgang 1961, Autor und Fotograf in Berlin, ist in jungen Jahren zur See gefahren. An Bord ist er nie einer Katze begegnet. Später wohnte er aber mit Katze Miezi auf St. Pauli. Allen, die mehr über Bordkatzen wissen wollen, empfiehlt er das Buch Schiffskatzen von Detlef Bluhm (Insel Verlag). |
Person | Von Roland Brockmann |