Kapitän Rolf Permien, MS „Dresden“

Wer erzählt die besten Geschichten vom Meer? Menschen, die den Ozean erlebt haben.

Zuerst dachten wir, der Befehl sei ein Scherz, den sich jemand hinter einem Schreibtisch in Rostock ausgedacht hatte. Etwa auf Höhe von Aden erhielten wir den Funkspruch: „Port Sudan anlaufen – Neue Ladung – Ziel Sues – 520 Bullen – Ende.“ 520 Bullen? Es gab natürlich keinen einzigen Stall an Bord der MS „Dresden“, ein Frachter vom Typ IV und damit eines der größten Stückgutschiffe in der Flotte der DDR. „Klar, Herr Kapitän, und anschließend holen wir 2000 Kamele ab und fahren auf den Darß“, witzelten wir auf der Brücke, doch der Alte verzog keine Miene. Nun muss man dazusagen, dass wir das Schiff gerade frisch gestrichen hatten. Aufbauten, Masten, Laderäume, Luken: alles glänzte. Besonders auf das Deck waren wir stolz; mit der Renovierung hatten wir bereits zu Beginn der vorherigen Reise begonnen, es trotz der Regenzeit in Indien fertig bekommen. Der Bootsmann und ich, damals Erster Offi- zier, trugen den Protest der Mannschaft vor. Vergeblich.

Die Übernahme in Port Sudan geriet zu einem Spektakel, das jeden Tierschützer nachhaltig traumatisiert hätte. Bis zu acht Tiere wurden von Hafenarbeitern in eine große Netzbrook getrieben und dann angehievt. Beine und Hörner ragten aus dem Netz hervor, klagendes Gebrüll begleitete jeden Transport. Ich fragte einen Arbeiter, ob diese Methode wirklich geeignet sei. Seine Antwort: „Wir machen das immer so.“ Wenn ein Tier sich sträubte, wurde es an den Hörnern an Bord gehievt. Einen Bullen, der panisch ins Hafenbecken gesprungen war, zog man am Schwanz aus dem Wasser. Stunden später konnten wir ablegen. Damit wir uns überhaupt noch über Deck bewegen konnten, hatte der Schiffszimmermann eine Art Laufsteg und Leitern an und auf die Windenhäuser gebaut. Trotzdem mussten sich Stewards und Wachmatrosen ständig den Weg freiknüppeln – wir kamen uns vor wie Cowboys.

Die Sonne brannte herunter, es war sehr heiß, mehr als 40 Grad. Nach kurzer Zeit lag ein intensiver Geruch über der „Dresden“. Obwohl die Tiere während der zweitägigen Reise nur Wasser bekommen hatten, stand beim Anlegen in Sues eine üble Mischung aus Dung, Farbresten und Sand auf Deck, fast knöcheltief. So glatt war es, dass man sich entschloss, nun alle Tiere an ihren Hörnern zu verladen. Welch eine Tortur! Wir setzten die Reise durch den Sueskanal fort – und rochen trotz einer Grobreinigung wie ein schwimmender Kuhfladen.


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mare No. 56

No. 56Juni / Juli 2006

Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt

Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.

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Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt
Vita Achim Multhaupt wurde 1967 in Dortmund geboren. Er studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Seine Schwerpunkte sind Porträtfotografie und Bildjournalismus, er arbeitet für nationale und internationale Magazine. Er lebt in Hamburg.

Gemeinsam mit Stefan Krücken hat er das Buch Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten im Ankerherz Verlag veröffentlicht, die ursprünglich in der Rubrik „Käpitäne“ in mare erschienen sind. Weitere Bücher folgten.
Person Aufgezeichnet von Stefan Krücken Foto: Achim Multhaupt