Kap der guten Hopfung

Das Indian Pale Ale, ein englisches Bier, haltbar gebraut für die tropi­schen Kolonien, erlebt seine Renaissance – in Hamburg

Die Brauerei Kehrwieder kümmert sich um die Auferstehung. Oliver Wesseloh braucht dafür Wasser, Wiener Malz, Ale-Hefe und jede Menge Hopfen. Den legt der Hamburger erst nach dem Brauen in den Lagertank, „wenn das Bier schon kalt ist“. Sein „Single Hop India Pale Ale“ schmeckt wie die verschiedenen Hopfensorten aus Nordamerika. „Simcoe-Hopfen duftet nach Maracuja und Litschi“, schwärmt Wesseloh, „Cascade gibt eine Zitrusnote wie Grapefruit und Pampelmuse.“ Kehrwieder ist nicht nur eine Insel im Hamburger Hafen, wo die Hamburgerinnen, so die Legende, ihre zur See fahrenden Männer verabschiedet haben sollen, sondern auch das Revival eines robusten Bieres aus Zeiten, als Großbritannien noch eine Weltmacht war.

Die englischen Brauer hatten im 18. Jahrhundert ein Problem: das Meer. Mehr als 10 000 Seemeilen lagen vor den Segelschiffen, bevor sie Indien erreichten. Die Reise entlang der afrikanischen Westküste um das Kap der Guten Hoffnung dauerte manchmal ein halbes Jahr, währenddessen sich das süffige Bier in ungenießbare Plörre verwandelte.

Mal tropisch heiß, mal tierisch kalt, das war grenzwertig für ein Bier. Wie bekomme ich mein Bier nach Indien?, fragten sich die englischen Geschäftsleute. Eine ordentliche Portion Hopfen war die Lösung. Erst nach dem Brauen stopften die Brauer nochmals Hopfen direkt ins Fass und verschlossen dann das Fass. Die Bitterstoffe hemmten Milchsäurebakterien und damit die Säuerung des obergärigen Ales für die Besitzungen in Übersee.

George Hodgson soll der Erste gewesen sein, der die Idee hatte. Der Mann machte 1752 in London in der Nähe der Verladedocks für Indien seine Brauerei auf. Das hopfenreiche Bier war nicht nur haltbar, sondern auch sehr lecker. India Pale Ale, kurz IPA, hieß das Bier.

Hodgson war ein cleverer Bursche. Die allmächtige East India Company erlaubte ihren Kapitänen, in die eigenen Taschen zu wirtschaften. Hodgson belieferte die Kapitäne und verdiente kräftig mit. So bot Captain Brown im November 1793 in der „Calcutta Gazette“ „Pale Ale from Hodgson“ an. In derselben Zeitung offerierte 1809 ein gewisser J. MacLachlan „Hodgson’s Pale Ale, garantiert außergewöhnlich exzellent in den neuen englischen Viertelliterflaschen“.

Das Empire schickte das IPA ans andere Ende der Welt. Die tragische Fahrt der „Stirling Castle“ war der Beweis, dass tatsächlich Hopfen in den Fässern war. Die Crew legte 1835 mit guter Laune an den St Katharine Docks in London ab und nahm Kurs auf Hobart in Tasmanien. Mit an Bord: 900 Barrel von Hodgson’s Pale Ale. An der Nordküste Australiens zerschellte das Schiff, und die Überlebenden „kauten den Hopfen, den sie am Grund der Fässer fanden“, wie John Curtis 1838 in seinem Buch über den Untergang schrieb.

Männer, die aus den Kolonien heimkehrten, erlebten eine Enttäuschung. Keine Destille bot ihr geliebtes Bier an. Das einheimische Brauhandwerk braute zwar ein Light India, nicht so bitter und mit weniger Alkoholwumms. Der große Kracher wurde das Heimat-IPA nie.

Ende des 19. Jahrhunderts ließen die einträglichen Geschäfte mit dem gehopften Getränk nach. Der Sueskanal hatte ab 1869 die Fahrt verkürzt. Außerdem langte der Fiskus jetzt ordentlich hin, Starkbiere wurden stark besteuert.

Nachdem amerikanische CraftBrewer in den 1990er-Jahren das IPA wiederentdeckten, interpretieren nun mehrere kleine Brauereien in Deutschland den Bierstil von damals neu. Die Szene braut schon einmal stärker als zu Kolonialzeiten, mit mehr Promille und bitterer. Double IPA oder Imperial IPA heißen die besonders herben Sorten.

Ganz so toll treibt es Oliver Wesseloh nicht. Es geht beim modernen Hopfenstopfen nicht mehr ums Haltbarmachen, sondern um fruchtige Abgänge.

Das Bier „muss unbedingt ins Glas, sonst ist man der Hälfte des Spaßes beraubt“, schwört er. Eines mit großer Oberfläche, wie eine Birne mit dickem Bauch und schlankem Hals. Wesseloh will nicht ausschließen, „dass jemand wieder auf die Idee kommt, ein Fass zwei Monate lang mit einem Dampfer über die Meere schippern zu lassen“. Vielleicht ja sogar der Hamburger selbst.


Mango-Curry mit India Pale Ale

Zutaten (für 4 Personen) und Zubereitung

300 g Mango, 150 g rote Zwiebeln, 80 g Sellerie, 120 g Karotten, alles grob gewürfelt. 80 g Lauch, grob geschnitten. 60 g Ingwer, in Stifte geschnitten.

Obst und Gemüse kurz in Sesamöl anrösten. 5 g Knoblauch, gerieben, 4 Kaffern-limettenblätter, 2 TL Curry Anapurna, 2 TL Rogan-Josh-Curry-Paste kurz mitrösten. Mit 300 ml IPA (zu beziehen über kreativbrauerei.de), 300 ml Kokosmilch und 20 ml Sweet-Chili-Sauce ablöschen und gar kochen. Mit Meersalz und braunem Zucker abschmecken. 240 g Basmatireis kochen, dann in Erdnussöl mit Erdnüssen und Koriander anbraten. Curryreis in Schalen anrichten, mit Mangostreifen und Zwiebellauch bestreuen und mit 3 EL IPA-Schaum servieren.

(Rezept von Ralf Haug, Restaurant „freustil“ in Binz auf Rügen)

mare No. 111

No. 111August / September 2015

Von Oliver Zelt und Jan Windszus

Oliver Zelt, Jahrgang 1965, arbeitet als Redakteur bei den "Tagesthemen" in Hamburg.

Jan Windszus, geboren 1976, studierte Fotografie an der HAWK Hildesheim, an der er heute selbst unterrichtet. Seit 2005 lebt und arbeitet Windszus als freier Fotograf in Berlin, er veröffentlicht Porträts und Reportagen in zahlreichen Magazinen und Publikationen.

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Vita Oliver Zelt, Jahrgang 1965, arbeitet als Redakteur bei den "Tagesthemen" in Hamburg.

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