Kap der alten Namen

Wer die Macht besitzt, gibt Orten ihren Namen. An den Spurenin Xhosa, Afrikaans und Englisch lässt sich Geschichte ablesen

„Tafelberg“, schrie der Matrose, der als erster den markanten Felsklotz entdeckte, wenn der Segler nach monatelanger Fahrt aus Europa die Südspitze Afrikas erreicht hatte. „Tafelberg!“ – dieser Ruf brachte dem Weitsichtigen eine Flasche Schnaps ein, seemännische Tradition bei der Kapumrundung. Tafel ist das niederländische Wort für Tisch, und einen gedeckten Tisch fanden die Seefahrer seit Mitte des 17. Jahrhunderts vor, wenn sie anlandeten. Die Geschichte des Kaps ist uralt, wenn man an die einheimischen Khoikhoi und die San denkt, die als viehzüchtende Nomaden in der Region lebten. Die Geschichte des Kaps ist jung, wenn man mit dem Maßstab der Europäer misst, jung auch für die Muslime, die aus Indonesien, Indien und Ostafrika hierher verschleppt worden sind, ebenfalls jung, wenn es um die Besiedlung durch jene Afrikaner geht, die aus nördlicheren Regionen oder der östlich gelegenen Transkei kamen. Alle Maße haben ihre Gültigkeit, und alle, die sich am Kap niedergelassen haben, fühlen sich der Region zugehörig. In den Ortsnamen lässt sich die Siedlungsgeschichte mit ihren Phasen deutlich ablesen, und es zeigt sich an ihnen, dass Maßstäbe unterschiedliche Einheiten haben können. Wenig ist geblieben von den Khoikhoi und den San, fast nichts von den Portugiesen, vieles von den Niederländern, noch mehr von den Engländern, kaum etwas von den anderen Landessprachen. Afrikaans wird von vielen Schwarzen gesprochen, waren ihre Väter und Großmütter doch als Sklaven in eine Afrikaans sprechende Welt eingebunden. Durch das Afrikaans unterscheiden sich auch die Weißen untereinander, es ist die Sprache der „free burghers“, jener ersten Siedler also, die sich von der Vereinigten Ostindischen Compagnie losgesagt und sich als Bauern ein eigenständiges Leben aufgebaut hatten. Zu ihnen gesellten sich aus Frankreich geflüchtete Hugenotten und Waisenmädchen aus den Niederlanden, die den ehemaligen Matrosen tüchtige Ehefrauen werden sollten. Aus diesem Potpourri entwickelte sich das Afrikaans, eine Sprache, von der sich die Englischstämmigen auch heute noch gerne distanzieren, weil sie den Bauern gehörte, eine Sprache auch, die modernen Niederländern wie mittelalterliches Niederländisch in den Ohren klingt. Die Regierung bemüht sich zurzeit um Ortsnamen in Xhosa oder Zulu, den beiden verbreitetsten der elf Landessprachen. Die Spuren der Kolonialisierung sollen verwischt werden; ein schwieriges Unterfangen, zumal in der Kapregion, deren Fundament nach dem Genozid an den frühen Einwohnern ein europäisches ist. Wer Niederländisch spricht, fühlt sich hier sprachlich zu Hause.

Das Afrikaans schimmert überall durch, es sind Orte wie Hoek van Bobbejaan und Oude Skip, Matroosfontein und Olifantsbaai; das Xhosa ist vorwiegend in den Townships erkennbar, Guguletu (Unser Stolz) und Nyanga (Mond) zeugen davon; die Engländer haben ihre Spuren in distinguierten Namen wie Scarborough, Bridgetown oder Pinelands hinterlassen. Viele Ortsnamen beflügeln die Fantasie: Wer war Constantia (die Tochter eines Gouverneurs), oder wurden auf Paarden Island wirklich Pferde gezüchtet? Wie sah Herr Parson aus (Parson’s Nose), und hat Bakoven mit der brütenden Hitze zu tun? Es scheint manchmal hoch hergegangen zu sein an Bord der ersten Schiffe. Vielleicht lieferte ja jener Matrose eine Idee, der den Tafelberg als Erster gesichtet hatte und nun zufrieden und betrunken vor sich hin schwadronierte. Oder wie anders soll man sich erklären, dass der letzte Fels am Kap der Guten Hoffnung Plumpudding Rock heißt?!


Cape of Good Hope

Der südlichste Punkt der Halbinsel hieß nicht immer Kap der Guten Hoffnung. Der Portugiese Bartolomeu Diaz nannte es 1488 Cabo Tormentoso, stürmisches Kap. Ein Sturm war es, der ihn Richtung Osten segeln ließ, ohne hier anzulanden. Hätten die Portugiesen das Kap besiedelt, die Geschichte Südafrikas wäre anders verlaufen – kein von Katholiken kolonialisiertes Gebiet bildete später je Apartheidregime aus. König João II. von Portugal nannte es Cabo de Boa Esperança, als Zeichen der Zuversicht, dass nach der Umrundung dieses Felsens die Fahrt nach Indien gelingen werde. Aber auch der Seefahrer Diaz wird gewürdigt. Die Spitze unterhalb des Leuchtturms ist nach ihm benannt: Diaz Point.


False Bay

Valsbaai wird die „Falsche Bucht“ auf Afrikaans genannt. Als Cabo Falso wurde sie vielen Seefahrern zum Verhängnis. Manche von ihnen dachten, sie hätten das Kap vor sich, und drehten zu früh nach Norden – wegen starker Strömungen ein oft tödlicher Irrtum. In der False Bay sank auch die „Birkenhead“, das Schiff, bei dem zum ersten Mal der Ruf „Frauen und Kinder zuerst!“ zu hören war.


Hout Bay

Um Baumaterial ging es hier, hout ist das niederländische Wort für Holz. Jan van Riebeeck notierte am 31. Dezember 1652 den Namen Hout-Baijken, Kleine Holzbucht, in sein Tagebuch. Der 33-Jährige war von der Vereinigten Ostindischen Compagnie (VOC) beauftragt worden, am Kap einen Gemüsegarten zu gründen, um den Seefahrern auf ihrem Weg nach Osten Proviant zu bieten. Heute ist Hout Bay ein Fischerort, der sich dem Tourismus öffnet.


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mare No. 52

No. 52Oktober / November 2005

Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen

Jörn Vanhöfen, 1961 im Ruhrgebiet geboren, studierte Fotografie an der Folkwangschule in Essen und absolvierte sein Diplom und Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er war bis zum Jahre 2000 Mitglied von OSTKREUZ-Agentur der Fotografen, arbeitete für verschiedene Magazine wie mare, stern, Merian, DU und für die NZZ. Er veröffentlichte verschiedene Bücher wie Aftermath im Hatje Cantz Verlag, Südafrika im mareverlag und Herzwort mit Herta Müller im Reche Verlag. Er lebt in Berlin.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.

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Vita Jörn Vanhöfen, 1961 im Ruhrgebiet geboren, studierte Fotografie an der Folkwangschule in Essen und absolvierte sein Diplom und Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er war bis zum Jahre 2000 Mitglied von OSTKREUZ-Agentur der Fotografen, arbeitete für verschiedene Magazine wie mare, stern, Merian, DU und für die NZZ. Er veröffentlichte verschiedene Bücher wie Aftermath im Hatje Cantz Verlag, Südafrika im mareverlag und Herzwort mit Herta Müller im Reche Verlag. Er lebt in Berlin.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen
Vita Jörn Vanhöfen, 1961 im Ruhrgebiet geboren, studierte Fotografie an der Folkwangschule in Essen und absolvierte sein Diplom und Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er war bis zum Jahre 2000 Mitglied von OSTKREUZ-Agentur der Fotografen, arbeitete für verschiedene Magazine wie mare, stern, Merian, DU und für die NZZ. Er veröffentlichte verschiedene Bücher wie Aftermath im Hatje Cantz Verlag, Südafrika im mareverlag und Herzwort mit Herta Müller im Reche Verlag. Er lebt in Berlin.

Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut das Kulturressort.
Person Von Zora del Buono und Jörn Vanhöfen