In der Welle liegt die Kraft

Jan Peckolt, Segelass und Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen in Peking, steht vor seinem größten Sieg: Sein Projekt eines Wellenkraftwerks wird derzeit vor Belgiens Küste gebaut


Natürlich kommt die Frage, ob Jan Peckolt seine Idee während einer Regatta entwickelt habe. Schließlich verbrachte er viele Jahre als Segler auf dem Wasser und trainierte fast täglich für die Olympischen Spiele. Er weiß, wie es ist, wenn die Wellen mit Wucht an das Boot schlagen. Bei seinem wichtigsten Rennen, als er – zusammen mit seinem Bruder – die Bronzemedaille in Peking 2008 gewann, brachen sie sich sogar über dem Boot. Die Peckolts kenterten zwischendurch. Deutlicher kann ein Segler die Gewalt der Natur nicht spüren. Aber Jan Peckolt, geboren 1981, winkt ab. „Natürlich haben wir uns intensiv mit den Strömungen, den Wellen und dem Wind im Regattagebiet beschäftigt. Aber an den Bau eines Kraftwerks habe ich damals wirklich nicht gedacht.“

Heute, zehn Jahre später, stellt sich der Olympiasegler wieder der Kraft der Wellen. Diesmal will er ihre Energie nutzen und damit Strom erzeugen. Peckolt baut in der Nordsee vor der belgischen Küste ein Wellenkraftwerk. Im Sommer werden zwei Spezialschiffe die Fundamente für den Turm in der Nähe von Ostende in den Boden einbringen. Ab Herbst soll die Pilotanlage Strom produzieren, genug Energie für 30 Vier-Personen-Haushalte. Das Geld dafür stammt vom Bundeswirtschaftsministerium und von privaten Investoren. Knapp 400 000 Euro kostet das neue Wellenkraftwerk.

Spaziergänger werden den Turm von der östlichen Hafenmole Ostendes sehen können. Das Herz der Anlage aber bleibt ihnen verborgen. Peckolt hat eine neue Technologie entwickelt. Er lässt einen Schwimmkörper an der Wasseroberfläche treiben. Der acht Meter lange Halbzylinder aus Schiffsstahl ist mit beweglichen Riemen am Boden verbunden und zieht daran, während er sich mit den Wellen bewegt. Ein Generator verwandelt diese Bewegung in elektrische Energie.

Ein Computer berechnet den Kurs des Stahlbehälters. „Wir steuern die Riemen so, dass der Schwimmkörper stets eine optimale Kreisbewegung in der Welle fahren kann“, erklärt Peckolt. „Wir haben eine selbst lernende Automatisierungssoftware zur Steuerung des Schwimmkörpers entwickelt.“ Die Software ist gewissermaßen das Gehirn der Anlage. Sie richtet den Schwimmkörper parallel zum Wellenkamm aus und wählt die optimale Höhe, damit er möglichst viel Energie liefert.

Seit Jahrzehnten versuchen Ingenieure immer wieder, aus Wellenkraft Strom zu gewinnen. Bisher hat sich noch kein System etablieren können. „Es gibt nur wenige Themen, bei denen Erfinder und große Firmen so viele verschiedene Ideen ins Rennen gebracht haben, wie bei der Wellenenergie“, sagt Christoph Pels Leusden, Spezialist für erneuerbare Energien an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin.

Doch warum ist Stromgewinnung aus Wellenkraft so schwierig?

Im Grunde sei die Technologie beherrschbar, sagt Pels Leusden. „Wellenkraft konnte sich bisher nicht durchsetzen, weil der Bau und der Unterhalt der Anlagen nicht wirtschaftlich gestaltet werden konnten.“ Das sei angesichts der Herausforderungen nicht überraschend. „Die meisten Entwickler wollen in eine Region mit möglichst hohen Wellen, doch dann müssen die Anlagen so ausgelegt werden, dass sie auch den dort üblichen sehr heftigen Stürmen standhalten.“ Das treibt die Kosten.

Hinzu kommen die hohen Anforderungen an das Material, das ständig dem Salzwasser ausgesetzt ist, der Aufwand für die Wartungen auf See und für die Ableitung des Stroms. Wenn dann auch noch die Stromproduktion weit hinter den Erwartungen zurückbleibt und gleichzeitig die Kosten explodieren, ist das Vertrauen der Geldgeber rasch aufgebraucht. Pels Leusden ist überzeugt: „Es gewinnt derjenige, der als Erster etwas baut, das im Alltag funktioniert.“

Peckolt glaubt, dass seine Firma Nemos in Duisburg gute Chancen hat. Zum einen, weil das Nemos-System nicht nur die Vertikalbewegungen der Wellen nutzt, sondern auch die horizontalen, die schrägen Aufwärtsbewegungen, wodurch deutlich höhere Wirkungsgrade erzielt werden. Doch der eigentliche Clou ist ein anderer: Anders als herkömmliche Anlagen koppelt das Nemos-System die Wellenenergie mit der Windkraft. „Das hat den Hintergrund, dass die beiden Energieformen einen gewissen zeitlichen Versatz haben“, sagt Peckolt. „Wenn der Wind anfängt, dauert es eine gewisse Zeit, bis sich die Welle aufbaut.“ Diese Zeit soll bereits zur Energiegewinnung genutzt werden.


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mare No. 127

April / Mai 2018

Von Rainer Kurlemann

Der Düsseldorfer Wissenschaftsjournalist Rainer Kurlemann, Jahrgang 1966, staunte, wie sportlich der Olympiasegler Jan Peckolt noch immer ist. Vor Kurlemanns Augen kletterte Peckolt im Anzug auf das meterhohe Modell eines Generatorturms, das in seiner Firma steht.

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Vita Der Düsseldorfer Wissenschaftsjournalist Rainer Kurlemann, Jahrgang 1966, staunte, wie sportlich der Olympiasegler Jan Peckolt noch immer ist. Vor Kurlemanns Augen kletterte Peckolt im Anzug auf das meterhohe Modell eines Generatorturms, das in seiner Firma steht.
Person Von Rainer Kurlemann
Vita Der Düsseldorfer Wissenschaftsjournalist Rainer Kurlemann, Jahrgang 1966, staunte, wie sportlich der Olympiasegler Jan Peckolt noch immer ist. Vor Kurlemanns Augen kletterte Peckolt im Anzug auf das meterhohe Modell eines Generatorturms, das in seiner Firma steht.
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