Im Kielwasser

Das Beste zum Schluss

Federführend

Wozu Straußen- und Pfauenfedern ordern, dachten sich vor 100 Jahren Europas Modemacher, wenn es auf Helgoland wunderschöne Dreizehenmöwen gibt? Zartes, grau-weißes Gefieder, Flügelspitzen, die schwarz leuchten. Die Damen waren begeistert und kauften den neuen Federschmuck, als Gesteck am Hut oder Boa um den Hals. Die Schwingen wurden so begehrt, dass Helgolands Jäger körbeweise Möwen in das Haus von Jakob Krüss Aeuckens trugen. Der Präparator beschäftigte in Spitzenzeiten 22 Leute. Die wuschen die Tiere, stäubten sie mit Mehl ein und zogen ihnen die Federbälge ab. Krüss Aeuckens lieferte auch Präparate fürs Wohnzimmer. Ein ausländischer Geschäftsmann orderte einmal 8000 Tiere auf einen Schlag. Von der Stopfkunst derart hingerissen war der Leiter des Hamburger Tierparks Hagenbeck, dass er dem Helgoländer freien Eintritt auf Lebzeit gewährte. Die Möwenernte war freilich nicht besonders nachhaltig. Der Bestand der Miisken, so der Helgoländer Name, fiel dramatisch. 1938 brüteten erstmals wieder drei der Vögel in den Felsen. Inzwischen sind es Tausende. Im vergangenen Jahr zählte Ommo Hüppop, Leiter der „Vogelwarte Helgoland“, 6500 Dreizehenmöwen-Paare. ts


Wappentier

Sie kamen von weither, vertrieben aus mehreren Städten und Staaten der Neuen Welt. Doch auch dieser Ort schien den Mormonen Feind: Kaum dass der karge Boden trug, den sie in ihrem ersten Sommer, im Jahr 1848, be-ackerten, überfielen Myriaden von Heuschrecken den grünenden Weizen. „Sie waren nahezu so groß wie der Daumen eines Mannes, fraßen alles, was grün war, und vernichteten dabei das Getreide“, schrieb ein Pionier jener Tage. Dass die Salztäler des späteren Utah dennoch die Heimat der „Heiligen der letzten Tage“ wurden, soll den Möwen gedankt sein. Denn just, als alles verloren schien, kamen sie „zu Tausenden und verschlangen die fetten Heuschrecken, bis sie etwa einen halben Liter davon in sich hatten, flogen dann zum Wassergraben, tranken etwas und erbrachen dann alle Heuschrecken. Danach kehrten sie zurück, um noch mehr von den schwarzen ‚Ungeheuern‘ zu fressen.“ Ernte und Überleben waren gerettet, in der Zoologie ist seither von der Mormonenmöwe (Larus californicus) die Rede. Als „Seemöwenwunder“ ging jenes Ereignis in die Geschichte der Sekte ein, als so genannter Staatsvogel ziert er seit 1955 Utahs Wappen. Außerdem ehrt ein Denkmal in Salt Lake City die heilige Fressorgie: Es zeigt zwei Möwen im lukullischen Abwehrkampf. Das einzige Denkmal weltweit, so böse Zungen, auf dem Möwen auch mal ihresgleichen bescheißen. bra


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mare No. 53

No. 53Dezember 2005 / Januar 2006

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