Hier ist Endstation

„Endstation Atlantik!“ heißt es angesichts eines Projekts der New Yorker U-Bahn-Betreiber. Die letzte Fahrt von ausgemusterten Subway-Waggons führt in die Tiefen des Atlantiks vor der Ostküste der USA. Hier bieten die stählernen Menschentransporter

Dort unten, wo sie liegen, ist es still und kühl. Keiner, der dort wohnt, kennt ihre Namen: R26, R28, R29, R32, R33, R36. Mehr als 2500 ausgemusterte Wagen der New Yorker U-Bahn sind auf dem Meeresboden zur ewigen Ruhe gebettet, an der Ostküste des amerikanischen Kontinents entlang, vor Delaware, New Jersey, North Carolina, Georgia und Virginia. Entkernt und fensterlos sanken sie hinab, die Schwerstarbeiter der mobilen Welt, um auf dem neuen Grund, wo sie nun für immer stehen, einer anderen Population zu dienen. Je nach Bauart 15 bis 20 Meter lang, drei Meter breit und 3,70 Meter hoch, sind sie „Luxusapartments für Fische“, wie Jeff Tinsman, Vorsteher der Umweltbehörde in Delaware, der das alles mit eingefädelt hat, sagt. Eine „Win-win-Situation“ schrieb die „New York Times“ im Mai 2011 über die ungewöhnliche Maßnahme. Die alten Wagen, die jetzt künstliche Riffe sind, enthalten Asbest, das ist an Land schwer zu entsorgen, im Wasser aber, so die staatliche Environmental Protection Agency, unbedenklich. Für die U-Bahn-Betreiber ist es daher eine wesentlich kostengünstigere Variante, den gut 40 Jahre alten Schrott loszuwerden. Und die Meeresbewohner nehmen die Behausung wohlwollend an, Muscheln und Austern brauchen festen Untergrund, um zu gedeihen. Seit 2001 läuft das Projekt, bis heute beobachtet man einen 400-fachen Zuwachs an Biomasse, sagt Tinsman.

Mythen aus Stahl werden zur Speisekammer der Fische. Als die R32 am 9. September 1964 erstmals in die Grand Central Station einfuhr, spielte eine 20-köpfige Kapelle in Uniform auf. Die Baureihe war die erste, deren Außenhaut aus rostfreiem Stahl bestand, ein Klassiker, horizontal geriffelt, strahlend silbern, die New Yorker nannten sie „Brightliner“.

Das Frontwagenpaar der damaligen Jungfernfahrt steht im New Yorker Verkehrsmuseum, zwei andere auf einem Flughafen in Brooklyn, um Polizeieinsätze bei Terrorgefahr in der U-Bahn zu üben. Ein paar hundert davon liegen im Meer. Andere dort unten tragen einen Teil der Geschichte der Stadt, der sie jahrzehntelang zu Diensten waren, als Attribut im Namen. „World’s Fair“ heißen einige Wagen aus der Baureihe 36, konstruiert von 1963 bis 1964 von der St. Louis Car Company, um auf der Linie 7 die Menschen zur Weltausstellung nach Flushing Meadows in Queens zu fahren, wo sich ein fortschrittsgläubiges und zukunftsfrohes Amerika 51 Millionen Besuchern unter dem Motto „Peace Through Understanding“ präsentierte, wenige Monate bevor der Krieg in Vietnam eskalierte.

 

 


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mare No. 89

No. 89Dezember 2011 / Januar 2012

Von Martina Wimmer und Stephen Mallon

mare-Redakteurin Martina Wimmer lebte vor 15 Jahren für einige Zeit in New York. Nie wieder hat sie in einem öffentlichen Verkehrsmittel so viele schöne Komplimente gehört wie damals.

Stephen Mallon lebt als Industriefotograf in New York. Bekannt wurde er 2009 mit einer Fotoserie von der Notlandung eines Airbus der US Air auf dem Hudson.

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Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer lebte vor 15 Jahren für einige Zeit in New York. Nie wieder hat sie in einem öffentlichen Verkehrsmittel so viele schöne Komplimente gehört wie damals.

Stephen Mallon lebt als Industriefotograf in New York. Bekannt wurde er 2009 mit einer Fotoserie von der Notlandung eines Airbus der US Air auf dem Hudson.
Person Von Martina Wimmer und Stephen Mallon
Vita mare-Redakteurin Martina Wimmer lebte vor 15 Jahren für einige Zeit in New York. Nie wieder hat sie in einem öffentlichen Verkehrsmittel so viele schöne Komplimente gehört wie damals.

Stephen Mallon lebt als Industriefotograf in New York. Bekannt wurde er 2009 mit einer Fotoserie von der Notlandung eines Airbus der US Air auf dem Hudson.
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