„Good guys“ und „bad guys“

Schurke oder Edelmann? Eine kurze Typologie des Piraten im Film

Auf der einen Seite gibt es das Bild des jungen athletischen Helden (personifiziert in Darstellern wie Errol Flynn, Tyrone Power, Burt Lancaster): bartlos (höchstens mit schmalem Oberlippenbärtchen), mit sonnengebräunter glatter Heldenbrust (kein Genre der 30er bis 50er Jahre zeigte derart viele nackte männliche Oberkörper!), gefüllt mit Kühnheit und Draufgängertum. Natürlich ist dieser Typ fast immer Kapitän, hart gegen sich und seine Mannschaft, aber doch stets Gentleman gegenüber den Damen, obwohl jene ihm oft arg zusetzen, ehe die Liebe obsiegt. Er ist besser und reinlicher betucht als seine Mannschaft, betont überall in seiner Kleidung das Maskuline, vermeidet jeglichen schmückenden Zierat, der auf die Betrachter verzärtelnd oder aristokratisch wirken könnte. Trotzdem handelt es sich manchmal um Personen insgeheim nobler Herkunft, die durch erlittenes Unrecht (welches es zu rächen gilt) zu Freibeutern wurden. Ihr Piratentum ist zeitlich begrenzt, eine Begnadigung und Rückkehr in die Gesellschaft möglich. Im Kampf wird dieser Typus Held zwar oft verwundet, gefangengenommen, gefoltert, aber sein Körper bleibt vor Verstümmelungen bewahrt. Diese „good guys“ sind die Lichtgestalten des Genres, von der Heldin geliebt, segeln sie fast immer einem verdienten Happy-End entgegen.

Auf der anderen Seite gibt es die „bad guys“, gewöhnlich Schurken mit anderer Statur: ältere, dickliche („heavies“) oder gar feiste Dunkelmänner (Personifikation: Charles Laughton, Robert Newton), oft vollbärtig (z. B. „Blackbeard“), unersättliche Zecher und Vielfresser, dabei polternd mit lautem Gelächter, aber stets voller Hinterlist und Tücke, immer zum Verrat und Mord bereit. Als Kapitän ist dieser Typ ein mitleidloser Tyrann, von den Männern ob seiner Grausamkeit gefürchtet, von den Frauen verabscheut. Eine Liebesgeschichte ist ihm verwehrt, ein Happy-End sowieso. Seine Lebensart hinterließ am Körper sichtbare Spuren, etwa Amputationen: Manchmal fehlt ihm ein Bein, eine Hand, oder er verlor ein Auge. Eine vornehme Herkunft besitzt er nicht, auch kaum Aussicht, Teil des Adels zu werden. In Wahrheit verkörpert er den eigentlich „echten“ Piraten: staatenlos, heimatlos, vogelfrei. Alternativen gibt es nicht. Wird er gefaßt, erwartet ihn der Tod am Galgen, danach die Hölle.

mare No. 7

No. 7April / Mai 1998

Von Otto Johannes Adler

Otto Johannes Adler, Jahrgang 1959, ist freier Schriftsteller und lebt in Gmunden.

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Vita Otto Johannes Adler, Jahrgang 1959, ist freier Schriftsteller und lebt in Gmunden.
Person Von Otto Johannes Adler
Vita Otto Johannes Adler, Jahrgang 1959, ist freier Schriftsteller und lebt in Gmunden.
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