Filmstar der Meere

Der Haifilm ist ein lukratives Geschäft mit weltweiten Verbindungen. Nicht die Tierschutzidee steht dabei im Vordergrund. Das Genre funktioniert nach denselben Regeln, die auch in Hollywood gelten

Mit Löwen in der Serengeti kannst du kein Selfie machen. Mit Haien schon“, sagt Andy Casagrande und stellt sein Colaglas auf dem Tisch im Restaurant ab. „Ich bin mit Tausenden Haien getaucht. Ich habe sie unzählige Mal angelockt – an meinen Käfig, ans Boot und nahe an meinen Körper. Und ich bin nie gebissen worden. Das sind höfliche Jäger.“

Seit 15 Jahren dreht Casagrande Haifilme in allen Weltmeeren. Acht Monate des Jahres ist er auf Reisen. Den vielleicht bekanntesten Haifilmer der Welt an Land zu treffen ist kompliziert. Nach einem knappen Jahr Terminarbeit gelingt ein gemeinsames Mittagessen in Naples, Florida, wo der 38-Jährige mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern lebt und in Drehpausen an seiner Ausrüstung bastelt. Naples liegt unweit von den Bahamas, einem seiner Haupteinsatzgebiete.
100 Tage im Jahr verbringt Casagrande im Neoprenanzug unter Wasser, dank Spezialausrüstung kann er bis zu fünf Stunden tauchen. Meist schwebt er frei zwischen den Haien. In einen Stahlkäfig sperren lässt er sich nur bei Drehs mit Weißen Haien. Deren Welt zu betreten verlangt nicht nur extremste Wachsamkeit, sondern auch Extremsport an den unwirtlichsten Orten. „Fast immer, wenn ich wieder bei Sonnenuntergang vor irgendeiner Robbenkolonie zu Weißen Haien ins Wasser steige, denke ich: Menschen sollten hier wirklich nicht sein.“ Wenn der Charakter der Haie – „man erkennt die aggressiven Tiere an ihren Narben“ – und die Situation es erlauben, verlässt er den Käfig. Ungeschütztes Filmen mit Weißen Haien gilt als Königsdisziplin. „Ich habe lange geübt, bevor ich das zum ersten Mal gemacht habe. Denn in ihrer Welt haben sie die absolute Oberhand. Du siehst sie nicht, du hörst sie nicht kommen. Und wenn du sie fühlst, ist es zu spät.“

Seine Arbeitsgeräte, zwei Unterwasserkameras der Marken Phantom und Dragon, filmen bis zu 100 Bilder je Sekunde in 6K-Auflösung. Zusammen sind sie mehr als 300 000 US-Dollar wert. „Was andere in Häuser und Aktien investieren, stecke ich in Kameras“, sagt Casagrande. Gut 70 Haidokumentationen hat er inzwischen abgedreht. Zweimal gewann er für seine Arbeit den Emmy, die höchste Auszeichnung im US-Fernsehgeschäft.

Der braun gebrannte Surfertyp ist ein Star der Szene, mit Hunderttausenden Followern in sozialen Medien, aber auch einer, der seine Kinder in Haikostüme steckt und auf Instagram postet. Als Siebenjähriger sah er zum ersten Mal einen Hai im Fernsehen. „Es war im Wohnzimmer meiner Eltern. Die anderen Kinder, die da waren, hatten Angst. Ich war fasziniert.“

Seine Begeisterung führte ihn ins Studium der Biologie und Psychologie, am Ende wurde er Meeresbiologe. Mit 21 nahm er eine Hymne für Weiße Haie auf, den „Great White Shark Song“, und bewarb sich damit bei Haiforschungsstationen rund um die Welt. Ein Team aus Südafrika lud ihn ein. Er brach sein Studium ab, zog nach Kapstadt und nahm dort erstmals eine Kamera in die Hand, um Haie zu dokumentieren. Bald kamen Fernsehteams und baten um seine Expertise. „National Geographic“ holte ihn ins Hauptquartier nach Washington und schickte ihn in Wüsten und Savannen, aber Casagrande kündigte und machte sich selbstständig, um sich auf Haifilme zu konzentrieren.

Weltweit gibt es nur etwa ein Dutzend vergleichbarer Unterwasserspezialisten. Zwar sind die Gagen als Kameramann bei etwa 750 US-Dollar am Tag gewerkschaftlich vorgegeben, aber Casagrande vermietet nicht nur sich, sondern auch sein teures Equipment und kann inzwischen gut von seinem Nischenjob leben. Auch sein Wissen als Biologe hilft. „Die Entertainmentseite von Haien sieht nach Hollywood aus. Aber hinter den Kulissen wird viel Material für die Wissenschaft verwendet.“ Immer wieder tragen seine Haiaufnahmen, die er auch mit selbst gebauten Rückenflossenkameras und Drohnen einfängt, zu wichtigen Studien bei.


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mare No. 122

No. 122Juni / Juli 2017

Von Felix Zeltner

Als Kind entdeckte Felix Zeltner, Jahrgang 1982, Autor in New York, in einem Geo-Heft die Geschichte von Rodney Fox, dem australischen Speerfischer, der 1963 die Attacke eines Weißen Hais wie durch ein Wunder überlebte und mit Hunderten Stichen genäht wurde. Zeltner erschauderte vor den Bildern der Narben wieder und wieder, bis das Heft völlig zerlesen war.

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Vita Als Kind entdeckte Felix Zeltner, Jahrgang 1982, Autor in New York, in einem Geo-Heft die Geschichte von Rodney Fox, dem australischen Speerfischer, der 1963 die Attacke eines Weißen Hais wie durch ein Wunder überlebte und mit Hunderten Stichen genäht wurde. Zeltner erschauderte vor den Bildern der Narben wieder und wieder, bis das Heft völlig zerlesen war.
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Vita Als Kind entdeckte Felix Zeltner, Jahrgang 1982, Autor in New York, in einem Geo-Heft die Geschichte von Rodney Fox, dem australischen Speerfischer, der 1963 die Attacke eines Weißen Hais wie durch ein Wunder überlebte und mit Hunderten Stichen genäht wurde. Zeltner erschauderte vor den Bildern der Narben wieder und wieder, bis das Heft völlig zerlesen war.
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