„Eine Frage der Empfindung“

Der Sozialpsycholopge John Cacioppo über das Alleinsein

mare: Slawa, der Protagonist unserer Reportage, lebt alleine in einem Leuchtturm. Wilfried Erdmann umsegelte alleine die Erde. Ist der Mensch eigentlich für ein Leben in Isolation geschaffen?

John Cacioppo: Es ist eine Frage der Empfindung. Dieselbe Beziehung zu einem Freund oder zum Ehepartner kann als liebevoll und beschützend oder als gefühllos und bedrohlich erfahren werden. Für das Gefühl, isoliert zu sein, ist nicht die Anzahl und Frequenz der Kontakte entscheidend, sondern vielmehr die Qualität der sozialen Beziehungen. Menschen können sich einsam fühlen, obwohl sie verheiratet sind, Freundschaften pflegen und in Familie und Glaubensgemeinschaft eingebunden sind.

Wieso fühlen sich die einen einsam, die anderen aber nicht?

Neben den objektiven Gegebenheiten der Isolation spielt auch der Charakter eine Rolle. Introvertierte Menschen widmen ihre Aufmerksamkeit und Energie stärker ihrem Innenleben. Ein einsam lebender Meteorologe wie Slawa gibt sich vermutlich mit weniger Beziehungen zufrieden als andere Personen oder zieht diese Lebensweise sogar vor.

Wie wirkt sich jahrelange Isolation bei einem Menschen aus, sowohl psychisch als auch physisch?

Seit 25 Jahren zeigen Studien immer wieder einen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und gesundheitlichen Folgen. Es besteht ein erhöhtes Risiko für altersbedingten Rückgang der kognitiven Fähigkeiten, Demenz, Schlaffragmentierung und Müdigkeit, Entzündungen, Bluthochdruck, verringerte Immunität. Ebenso gibt es auch Veränderungen von psychischen Zuständen, die Einfluss auf Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit haben, etwa eine erhöhte depressive Symptomatik, niedrigeres subjektives Wohlbefinden, er- höhte Wachsamkeit vor sozialen Bedrohungen und verminderte Impulskontrolle.


Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 107. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 107

No. 107Dezember 2014 / Januar 2015

Ein Interview von Jan Keith

John Cacioppor, Jahrgang 1951, Professor an der University of Chicago, ist führend in der psychologischen Erforschung der Einsamkeit. 2011 erschien sein Buch Einsamkeit im Springer-Verlag.

Mehr Informationen
Vita John Cacioppor, Jahrgang 1951, Professor an der University of Chicago, ist führend in der psychologischen Erforschung der Einsamkeit. 2011 erschien sein Buch Einsamkeit im Springer-Verlag.
Person Ein Interview von Jan Keith
Vita John Cacioppor, Jahrgang 1951, Professor an der University of Chicago, ist führend in der psychologischen Erforschung der Einsamkeit. 2011 erschien sein Buch Einsamkeit im Springer-Verlag.
Person Ein Interview von Jan Keith