Ein Schiff wie ein Fels

Ein Felsen in der Karibik, ein paar Kanonen darauf – fertig ist 1804 das Schlachtschiff HMS „Diamond Rock“ der britischen Krone

Auf einem bezaubernden Hügel in Somerset ragt eine gewaltige Triumphsäule in den englischen Himmel, meilenweit zu sehen. Es ist das Monument des Vizeadmirals Sir Samuel Hood, 1st Baronet, zwar nur grade II der Denkmalliste, aber nicht ohne Eleganz. Man hat es ihm zu Ehren erbaut, weil er die einleuchtende Idee hatte, einen Felsen in der Karibik zu einem Schlachtschiff zu machen. Und das kam so:

1804 lag England, wie halb Europa, im Krieg mit Napoleon, der aber angefangen hatte. England drängte es, die Folgen der Französischen Revolution – das Ende des feudalen Absolutismus, die Aufklärung, die teuflische Trias liberté, égalité, fraternité – rückgängig zu machen. Auch Österreich und Preußen, Spanien, die Niederlande und der König von Neapel stellten sich gegen den kleinen Konsul, der eigentlich ein großer Diktator war.

Die Allianzen wechselten zwischen 1792 und 1815 siebenmal –weshalb die Kriege auch Koalitionskriege heißen – und sind auch ein wenig unübersichtlich. 1804 wurmte es die Alliierten ganz besonders, dass Napoleon sich zum Kaiser krönen wollte, was ein teures Vergnügen ist. Deshalb schlug der Konsul vorsorglich einem Ideal der Revolution ein Schnippchen und schaffte die Abschaffung der äußerst lukrativen Sklaverei wieder ab.

Zentren des französischen Sklavenhandels waren die Kolonien Martinique und Guadeloupe, die schönen karibischen Inselschwestern. Vor allem in Martiniques Hafen Fort-de-France zogen die Franzosen ungestört die Fäden des bösen Geschäfts.

Anfang Januar 1804 hatte die Ruhe ein Ende. Vom Strand der Anse Bleue im Süden der Insel sahen die Franzosen mit bloßem Auge, wie das englische Kriegsschiff HMS „Centaur“ unter dem schon erwähnten Vizeadmiral Hood am nahen Rocher du Diamant ankerte. Der unbewohnte Felsen liegt unübertrefflich günstig an der Zufahrt zur Bucht von Fort-de-France; jedes Schiff, das von dort nach Europa oder in umgekehrter Richtung fährt, passiert unweigerlich den Rocher, dessen Form tatsächlich an einen Diamanten erinnert.

In den folgenden Tagen beobachteten die Franzosen ein seltsames Treiben. Sie sahen große Feuer, mit denen Sir Hoods Männer die Fledermäuse aus den Höhlen vertrieben, wie sie eine Plattform auf der Spitze freigesprengten und bald darauf, wie die Crew die gefürchteten 24-Pfünder-Kanonen an Seilen auf die Spitze des Rocher hievten. In nur wenigen Wochen war der Fels zur Festung geworden, stolz und stark.

Nun kontrollierten die Briten die Passage des Rocher du Diamant und hinderten Schiffe daran, in die Bucht einzufahren, denn Winde und Strömungen machten auch weite Umwege unsinnig. Hood hisste die Fahne der Krone und meldete den Felsen dienstbereit an die Admiralität in London, die ihn gleich als HMS „Diamond Rock“ ins Schiffsregister der Royal Navy eintrug.

Der Rest ist ein unschönes Kapitel Kriegsgeschichte. Napoleon schickte – schon wegen seiner Ehefrau Joséphine de Beauharnais, einer Martiniquaise – seinen Admiral Pierre de Villeneuve mit einer Flotte von 16 Schiffen und Hunderten Soldaten in die Karibik und machte der Posse ein Ende. 17 Monate war die HMS „Diamond Rock“ ein prächtiges britisches Kriegsschiff, nach einem Tag war es verloren.

Eine Petitesse der Geschichte blieb die Sache aber nicht. Napoleon ließ nämlich gleich auch die britischen Kolonien in der Karibik attackieren, mit der unangenehmen Folge, dass Villeneuves Armada nicht rechtzeitig in Europa ankam, um Frankreichs Angriff auf Englands Flotte bei Trafalgar zu unterstützen – der Anfang vom Ende Napoleons und der Beginn von Rule, Britannia!, Britannia rule the waves.

In Erinnerung an die guten Zeiten salutieren englische Kriegsschiffe die HMS „Diamond Rock“ bis heute bei der Vorbeifahrt. Ein schöner Spleen. Beneidenswert, diese Briten.

mare No. 127

April / Mai 2018

Von Karl Spurzem

mare-Redakteur Karl Spurzem, Jahrgang 1959, hörte vor Jahren die Geschichte des Rocher du Diamant auf Martinique, einmal von einem Franzosen, einmal von einem Briten. Die Schilderungen gingen auseinander. Das reizte ihn zu eigenen Recherchen.

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Vita mare-Redakteur Karl Spurzem, Jahrgang 1959, hörte vor Jahren die Geschichte des Rocher du Diamant auf Martinique, einmal von einem Franzosen, einmal von einem Briten. Die Schilderungen gingen auseinander. Das reizte ihn zu eigenen Recherchen.
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