Zu Zeiten, als Hamburg noch etwas kleiner war als heute, lag westlich des damals dänischen Altona das Dörfchen Nienstedten: Dort nervte der angesehene Zuckerbäcker und Gastwirt Nicolaus Paridom Burmester, erster Ehemann der Frau Marie Elisabeth, seine Umgebung mit einer ziemlich lauten Marotte: Jeden Frachter, der die Elbe hinauf- oder hinabsegelte, begrüßte er mit drei Böllerschüssen aus einer kleinen Kanone im Garten seiner am Elbhang gelegenen „Wirthschaft“. Bis zum 18. Juni 1790. An jenem Tag verschätzte sich Meister Burmester in der Pulvermenge, böllerte sich infolgedessen samt Kanone selbst in die Luft, so daß er, wie eine zeitgenössische Notiz vermerkt, „den folgenden Tag seinen Geist aufgab“.
Das tödliche corpus delicti, ein Stückchen Bronzeguß, existiert noch immer, hübsch seemännisch in Kordel eingefaßt, und liegt bei Jost Deitmar im Büro. Und da liegt es genau richtig, denn Deitmar, ein Enddreißiger mit einer lichten Höhe von gut zwei Metern, ist der Direktor von Hotel und Restaurant „Louis C. Jacob“ an der Hamburger Elbchaussee, das es ohne diesen tragischen Zwischenfall nie gegeben hätte. Elisabeths zweiter Gatte nämlich war ein französischer Immigrant namens Daniel Louis Jacob. Und der begründete vor nunmehr 208 Jahren, am 1. April 1791, auf dem Burmesterschen Anwesen eine gastronomische Institution, die noch immer Bestand hat. Oder besser: schon wieder, nachdem das „Jacob“ vor wenigen Jahren von der Hamburger Kaufmannsfamilie Rahe übernommen wurde.
Die Rahes machten das „Louis C. Jacob“ wieder zum gewiß hanseatischsten unter den Hamburger Nobelgasthäusern. Holzfußboden, Jugendstil, helle Töne und dezent vergoldeter Stuck im Restaurant, davor eine gemütlich-gediegene Wohnhalle mit Kamin, an den Wänden Gemälde von Malern des Hamburgischen Künstlerclubs von 1897. Das „Louis C. Jacob“, erzählt Jost Deitmar beiläufig, verfüge mit über 500 Exponaten über eine der größten privaten Kunstsammlungen in Norddeutschland. Und nicht eines dieser Werke verstaubt in irgendeinem Safe.
Schon gar nicht das Bild, das Max Liebermann malte, der im Jahre 1902 im „Jacob“ Quartier nahm und nicht nur sein Zimmer, sondern mehrfach auch die noch vom Stammvater Daniel Louis Jacob angelegte Lindenterrasse auf Leinwand bannte. Sein impressionistischer „Elbblick von der Terrasse des Jacob“ ziert die Stirnwand der Hotelhalle. „Luxus“, bemerkt Jost Deitmar, „Luxus definiert sich nicht durch Prunk, Plüsch und goldene Wasserhähne, sondern durch die Liebe zum Detail.“
Mit diesem echt hamburgischen Glaubensbekenntnis sammelt das Jacobsche Personal nun Auszeichnungen wie andere Leute Buddelschiffe. Küchenchef Thomas Martin, 32, „Newcomer des Jahres“ im Magazin „Capital“, erkochte sich einen Stern im Michelin und zwei Kochmützen im Varta-Führer, der dazu der Hotellerie gleich noch zwei von drei möglichen Kronen aufsetzte. Und Sommelier Hendrik Thoma, 32, Herr über 550 edle Weine, wurde im November vom Gault Millau zum „Sommelier des Jahres“ ernannt.
Auf dem Tisch am Fenster wird die Vorspeise serviert: Variationen vom Bonito, einem kleinen Thunfisch. Martin hat daraus ein Tatar, ein Carpaccio und ein kleines Sushi-Spießchen gemacht und eine feine Sesam-Vinaigrette dazugelegt. Rund 60 Prozent der Gerichte im „Jacob“ kommen aus dem Meer, wobei für Thomas Martin „die französische Grand Cuisine die Basis ist, in die ich regionale Dinge einbaue“. Zum Beispiel Schellfisch mit Pommery-Senfsauce. Oder mal Steckrüben dazu. Die Rotarier, die einmal in der Woche kommen, bekamen gebackenen Viktoriabarsch mit Kartoffelsalat. „Und wenn jemand seinen Steinbutt unbedingt mit zerlassener Butter und frischem Meerrettich haben will, kriegt er den auch“, sagt Martin. Dem Zahnarzt aus dem Ruhrpott, der eigens gekommen ist, einmal den Dampfer zu sehen, an dem er die steuersparenden Anteile hält, serviert das Personal auch ein Fernglas dazu.
Nun trägt die Kellnerin warmen Seesaibling mit Schnittlauchsauce und geschmortem Kopfsalat auf, während Kellermeister Hendrik Thoma einen leichten „Würzburger Stein“ bringt, einen 97er Silvaner, „beste Lage in der Stadt“. Er kennt seine Tröpfchen. Von draußen scheint die Sonne auf den Tisch, und vor den Airbus-Hallen am gegenüberliegenden Elbufer legt ein Fischkutter seine Netze aus. Ein paar Tische weiter führen drei Herren in dunklem Tuch ein Geschäftsgespräch – doch nicht etwa flüsternd, schließlich ist man hier zu Hause.
Und ein bißchen stellt sich da die Vorstellung ein, wie es früher war, als die Hamburger Reeder von der Terrasse des Restaurants die Heimkehr ihrer Schiffe beobachteten. Und als die Großsegler der legendären „FlyingP-Line“, die „Potosi“ und die „Preußen“, hier vorbeirauschten und die Mannschaft in den Rahen Position bezog, weil der Seniorchef im „Jacob“ einen Tisch bestellt hatte. Doch nun zieht zum Dessert nur ein Containerfrachter in Richtung Meer.
Seesaibling mit geschmortem Kopfsalat und Schnittlauch-Sauerrahm
Zutaten für vier Personen
2 mittelgroße Seesaiblinge, 1 schöner Kopfsalat, 1 Tomate (abgezogen und in Würfel geschnitten), 1 TL Schalottenwürfel, 1 Messerspitze geschnittener Estragon, 100 gr Butter, etwas Olivenöl, 1/4 l Gemüsefond, 3 EL Creme fraîche, 1 Bund Schnittlauch, etwas Zitronensaft.
Zubereitung
Die Saiblinge filieren, mit einer Pinzette die Gräten ziehen und die Filets mit der Hautseite nach oben auf Backbleche setzen. Etwas Gemüsefond angießen, leicht salzen, in den 70 bis 80 Grad warmen Backofen schieben. Garzeit etwa 15 Minuten. Der Fisch muß noch sehr glasig sein, die Haut sich einfach lösen lassen.
Beim Kopfsalat den Strunk herausdrehen, die Blätter waschen und kurz blanchieren. Die Schalottenwürfel in Olivenöl glasig dünsten, den Kopfsalat zufügen, mit Salz, Pfeffer, Estragon und Tomatenwürfeln anreichern und mit ein paar kalten Butterflocken verfeinern.
Für die Soße den restlichen Gemüsefond mit der Creme fraîche und etwas kalter Butter aufschlagen. Einmal aufkochen lassen und reichlich frisch geschnittenen Schnittlauch zufügen. Mit Salz und Zitronensaft abschmecken.
Die Saiblinge enthäuten, auf vorgewärmten Tellern anrichten, mit der Soße übergießen und den Kopfsalat daneben setzen. Dazu passen vorzüglich Bouillonkartoffeln.
Hotel und Restaurant „Louis C. Jacob“
Elbchaussee 401, 22609 Hamburg, Tel. 040/822 550
Küche geöffnet tgl. 12–14.15, 18.30–21.45 Uhr
Jürgen Bischoff, Jahrgang 1955, war freier Journalist in Hamburg.
Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis.
Vita | Jürgen Bischoff, Jahrgang 1955, war freier Journalist in Hamburg.
Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis. |
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Person | Von Jürgen Bischoff und Axel Martens |
Vita | Jürgen Bischoff, Jahrgang 1955, war freier Journalist in Hamburg.
Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis. |
Person | Von Jürgen Bischoff und Axel Martens |