Johannes Gößler, ein schneidiger Österreicher in Jeans und Jackett, setzt sich aufs gemachte Bett und drückt auf einem Display am Kopfende herum. Schon flackert die Lichtleiste an der Decke der Schiffskabine in den buntesten Farben. „Das hier ist der Partymodus, den mögen besonders die Asiaten“, sagt der 40-Jährige und muss grinsen. Dann zeigt er auf eine kleine, weiße Box an der Decke, die einem Feuermelder ähnelt. „Und diesen Hochfrequenzsensor haben wir zusammen mit einer deutschen Firma entwickelt“, schwärmt er. „Er erkennt mithilfe von Schallwellen minimalste Atembewegungen, also, ob jemand im Zimmer ist.“ Wenn jemand den Raum verlässt, dimmen sich Licht und Klimaanlage automatisch herunter – die klassische Hotelzimmerkarte hält Gößler für überholt.
Anderthalb Jahre hat er mit einem finnischen Architektenteam an der Optimierung der Kabine gearbeitet, 600 Zeichnungen erstellt, darunter Entwürfe in dunklem Rosenholz und mit geschnitzten Drachen. Am Ende entschied man sich für die international kompatiblen Farben Beige und Mokka (westliches Flair, beliebt bei Asiaten), die Lüftung sitzt nicht über dem Kopfende am Bett (Erkältungsgefahr), und die Ecken des Minibarschränkchens sind abgerundet (Feng-Shui).
17 solcher fast komplett möblierten Kabinen lässt Gößler inzwischen in einer Halle am Rand von Wismar bauen – täglich. Er ist einer der Geschäftsführer der Fertigmodule GmbH in Wismar. Gut 200 Mitarbeiter schrauben die Kabinen innerhalb weniger Stunden zusammen. Sie landen am Ende in einem der beeindruckendsten Schiffbauprojekte, das Deutschland je erlebt hat: in der „Global Dream“. Es soll ein Kreuzfahrtschiff der Weltrekordklasse werden, gebaut von MV Werften an der Ostseeküste.
Ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern lässt der Investor Genting Hong Kong das größte je in Deutschland produzierte Passagierschiff bauen. Theoretisch sollen eines Tages bis zu 9500 Gäste und 2500 Crewmitglieder auf der „Global Dream“ Platz finden und in Gößlers Kabinen nächtigen. Wenn der gelernte Tischler über Nasszellendesign im Kabinenbau spricht und über Gabelstaplerprototypen, die er eigens für den Transport der Kabinen mitentwickelt hat, dann merkt man: Die Geschichte der „Global Dream“ ist vor allem eine Geschichte über Euphorie – Euphorie in einer Ecke Deutschlands, die dies lange nicht mehr gespürt hat.
Seit der Wende haben die Werftenstandorte Wismar, Rostock und Stralsund vor allem erlebt, wie sie zum Spielball von Investoren wurden. Zu DDR-Zeiten wurden hier noch mehrere tausend Schiffe gebaut, nach der Wende kollabierte der Schiffbau wegen fehlender Konkurrenzfähigkeit. Investoren wie die Bremer Vulkan versprachen viel, zweigten dann aber doch nur Subventionen in Millionenhöhe ab. Ob Aker, Wadan, Nordic oder P+S Werften: Immer wieder wechselte der Besitzer, immer wieder machten neue Geschäftsführer neue Hoffnungen – und enttäuschten am Ende. Bestes Beispiel war das Investment des russischen Investors Witali Jussufow, der 2010 groß in den Bau technisch anspruchsvoller Umspannplattformen für Offshorewindparks einsteigen wollte und auf den russischen Markt setzte. Am Ende aber scheiterte er an den Russland-Sanktionen der EU wegen des Ukraine-Konflikts und wollte verkaufen.
Auf der anderen Seite des Globus wollte Lim Kok Thay zu diesem Zeitpunkt sein Kreuzfahrtgeschäft im großen Stil ausbauen. Rund um das Jahr 2014 machte sich der Vorstandschef des malaysischen Konzerns Genting auf die Suche nach Werften für neue Kreuzfahrtschiffe. Genting ist einer dieser Konzerne, die auf einen Umsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar kommen, aber zumindest in Europa weitgehend unbekannt sind. Lim Kok Thay schafft es auf der Forbes-Liste der reichsten Malaysier auf Platz sieben, mit seinem Konzern investiert der Sohn chinesischer Auswanderer vor allem in die leichten Seiten des Lebens: Resorts, Casinos und Kreuzfahrtreedereien wie Star Cruises, Norwegian Cruise Line und Crystal Cruises. In Asien ist er der Marktpionier, nach Zahlen der Onlineplattform Cruise Market Watch der drittgrößte Kreuzfahrtanbieter weltweit.
Lim Kok Thay hatte damals nur ein Problem: Wer baut ihm die Schiffe? Weltweit gibt es nur drei Werften, die Kreuzfahrtschiffbau können: die deutsche Meyer Werft, Fincantieri in Italien und STX in Frankreich. Bei der Meyer Werft, wo Genting schon öfter Schiffe bestellt hatte, winkte man 2014 ab, erzählte Lim Kok Thay zwei Jahre später in einem Gespräch mit der „Straits Times“. „Meyer hätte erst 2020 einen Slot für uns gehabt“, sagt er und klingt angesichts des mehrjährigen Vorlaufs immer noch erstaunt. „Die Nachfrage nach Kreuzfahrten ist ja da, nur sind eben die Schiffe knapp.“
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Marlies Uken, Jahrgang 1977, war beeindruckt von der Schiffskabine auf Rädern, die sich an einen Lkw hängen lässt. Mit ihr tourt MV Werften auf Messen.
Vita | Marlies Uken, Jahrgang 1977, war beeindruckt von der Schiffskabine auf Rädern, die sich an einen Lkw hängen lässt. Mit ihr tourt MV Werften auf Messen. |
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Person | Von Marlies Uken |
Vita | Marlies Uken, Jahrgang 1977, war beeindruckt von der Schiffskabine auf Rädern, die sich an einen Lkw hängen lässt. Mit ihr tourt MV Werften auf Messen. |
Person | Von Marlies Uken |