Die wundersamen Ufer von Zandjland

Die Swahili, zu deutsch „Küstenbewohner“, waren ein Jahrtausend lang die Elite an Afrikas Ostküste. Geblieben ist nur ihre Sprache

Sansibar ist im Juli ein Ort für Cineasten. Dann nämlich findet in der Hafenstadt auf dem Archipel vor Ostafrikas Küste eines der größten Filmfestivals des Kontinents statt, das Zanzibar International Film Festival. Vor 13 Jahren für die Anrainer des Indischen Ozeans gegründet, ist es heute derart populär, dass auch Teilnehmer aus Westafrika, Südamerika, den Vereinigten Staaten und Europa zu sehen sind.

Solche Internationalität ist nichts Neues für die Menschen an Ostafrikas Küste. Die Region ist tief geprägt von mehr als 2000 Jahren Austausch religiöser, gesellschaftlicher und kultureller Ideen mit allen Ufern des Indischen Ozeans. Und das verbindende Element ist ihre Sprache, das Swahili. Ostafrikas Länder haben eine lebendige swahilisprachige Literaturszene, Zeitungen und Comics erscheinen in Swahili, und auch Radioprogramme und Fernsehserien werden in dieser Sprache produziert. Neben den euro-amerikanischen Hits hört man die überlieferten Melodien des „taarab“, einer Musik, die sowohl mit europäischen als auch arabischen und afrikanischen Instrumenten gespielt wird und Anleihen in allen drei Kulturkreisen macht. In jüngerer Zeit entwickelt sich der Bongo Flava, amerikanischer Rap und HipHop mit Einflüssen afrikanischer Musik und Texten auf Swahili.

Ein Jahrtausend lang, bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, kontrollierten die Swahili den Handel zwischen Ostafrika, Europa und Asien. Das Wort „swahili“ stammt von dem arabischen „saahil“ für Küste und bedeutet „Küstenbewohner“. Ihre Siedlungen reihten sich wie Perlen auf einer Kette entlang 3500 Kilometern von Zaila in Somalia bis nach Sofala in Mosambik. Sie bewohnten Sansibar, die Komoren und Madagaskar. Es entstanden eine Reihe Stadtstaaten, die regionale Herrschaft ausübten. Es gelang den Swahili jedoch nie, einen Staat oder eine Swahilination zu gründen. Nicht einmal eine Swahilivolksgruppe ließ sich klar identifizieren, eine eindeutige Unterscheidung vom Rest der Bevölkerung war nicht möglich. Swahili zu sein diente der sozialen Identifikation, sich von der übrigen Bevölkerung abzugrenzen war gewollt und manifestierte kulturelle Überlegenheit.

Möglich war die Entwicklung dieser Gesellschaften dank des Monsuns, der den Fernhandel zwischen den Küsten Arabiens, Indiens und Ostafrikas überhaupt entstehen ließ. Die Winde, die von April bis September in nordöstlicher Richtung von Ostafrika nach Indien und der Arabischen Halbinsel wehen, trieben in der anderen Jahreshälfte mit der gleichen Beständigkeit die Dhaus arabischer, afrikanischer und indischer Seeleute südwestlich nach Ostafrika. Dieses Wetterphänomen ließ besondere Schiffstypen entstehen. Ende der 1960er Jahre waren noch 25 Schiffstypen für verschiedene Verwendungszwecke bekannt. Der kleinste war die Huri für den Fischfang im küstennahen Gewässer. Die Baghla erreichte eine Länge von 25 Metern und war mit 30 Meter hohen Masten ausgerüstet.

Der Austausch zwischen den Bewohnern der ostafrikanischen Küste und den Gesellschaften des Indischen Ozeans begann lange vor unserer Zeitrechnung. 525 v. Chr. beschrieb der byzantinische Mönch Kosmas Indikopleustes in seiner „Topographia Christiana“ Sri Lanka als Handelszentrum, in dem sich afrikanische und chinesische Händler trafen. Archäologische Funde erzählen von Verbindungen, die um 300 v. Chr. zwischen Ostafrikas Küste, Ägypten und Arabischer Halbinsel bestanden. Mangrovenpfähle für den Hausbau, Gold, Elfenbein, Edelsteine wurden von Afrika bis ins nördliche Rote Meer geliefert. Andere Grabungen zeugen vom Verkehr mit dem Römischen Reich.

Ältestes Schriftzeugnis über die ostafrikanische Küste ist der „Periplus Maris Erythraei“, ein Handbuch für den Im- und Export von Waren von und nach Indien und Ostafrika. Das Handbuch aus dem Anfang des ersten christlichen Jahrhunderts wurde von einem Alexandriner Handelsreisenden verfasst. Er beschrieb die Routen, die zwischen den Siedlungen an den Küsten Asiens und Afrikas bestanden, als alt; schon damals war das Horn von Afrika, das heutige Somalia, für seine Piraten berüchtigt. Er gibt auch einen ersten Hinweis auf die Anfänge der Swahili und berichtet von arabischen Händlern, die in die afrikanischen Gesellschaften eingeheiratet hatten und die örtlichen Sprachen beherrschten. Arabische Händler, vor allem aus dem heutigen Jemen, ließen sich genauso an der ostafrikanischen Küste nieder wie indische Geschäftsleute. Sie alle verbanden mit ihrem florierenden Handel die Gestade des Indischen Ozeans.


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mare No. 89

No. 89Dezember 2011 / Januar 2012

Von Sascha Wisotzki und Christian Schellewald

Sascha Wisotzki, 1965 geboren, ist Afrika- und Islamwissenschaftler und erforschte an der Universität Bayreuth Ostafrikas Handelsnetze. Heute betreut er die afrikanischen Kunden eines Nutzfahrzeugzulieferers im Oberbergischen und arbeitet als freier Autor.

Christian Schellewald, Jahrgang 1962, ist Illustrator und Art Director des Trickfilmstudios Dreamworks in Los Angeles, wo er, wann immer er unterwegs ist, seine Skizzenbücher mit Impressionen füllt.

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Vita Sascha Wisotzki, 1965 geboren, ist Afrika- und Islamwissenschaftler und erforschte an der Universität Bayreuth Ostafrikas Handelsnetze. Heute betreut er die afrikanischen Kunden eines Nutzfahrzeugzulieferers im Oberbergischen und arbeitet als freier Autor.

Christian Schellewald, Jahrgang 1962, ist Illustrator und Art Director des Trickfilmstudios Dreamworks in Los Angeles, wo er, wann immer er unterwegs ist, seine Skizzenbücher mit Impressionen füllt.
Person Von Sascha Wisotzki und Christian Schellewald
Vita Sascha Wisotzki, 1965 geboren, ist Afrika- und Islamwissenschaftler und erforschte an der Universität Bayreuth Ostafrikas Handelsnetze. Heute betreut er die afrikanischen Kunden eines Nutzfahrzeugzulieferers im Oberbergischen und arbeitet als freier Autor.

Christian Schellewald, Jahrgang 1962, ist Illustrator und Art Director des Trickfilmstudios Dreamworks in Los Angeles, wo er, wann immer er unterwegs ist, seine Skizzenbücher mit Impressionen füllt.
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