Die Sehnsucht einer Frau

Der Käpten segelte, seine Elizabeth wartete. Ein Leben lang

Isaac hustete, als er das Wohnzimmer betrat. „Machst du Feuer, Elizabeth?
Einer der Dienstboten könnte doch …“ Elizabeth war plötzlich verärgert. „Ich verbrenne Briefe, Isaac. Was glaubst du denn, was ich hier tue?“
„Briefe?“, sagte Isaac. „Aber …“
„Sie sind private Korrespondenz zwischen mir und meinem Mann“, sagte Elizabeth.

Einige hundert Briefe sind es wohl gewesen, die die alte Dame kurz vor ihrem Tod verbrannte. Briefe von Captain Cook, ihrem Mann. Briefe, die sie Wort für Wort auswendig kannte nach so vielen Jahren des Wartens, während er, James, auf See war. Elizabeth Cook verwehrte der Nachwelt jeden Einblick in ihr Leben mit dem – oder vielmehr: ohne den – berühmten Seefahrer. In ihr Leben, das sich im Schatten seiner Expeditionen abspielte. Sie war die starke Frau im Hintergrund, die man vielleicht nur bemerkt, wenn sie nicht mehr da ist. Denn was ist ein Kapitän ohne Hafen?

Bevor Cook zur ersten Reise aufbrach, hatte er in sein Tagebuch notiert: „Ich bin froh, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Von ihnen fort zu sein ist schwer genug. Nicht zu wissen, ob ich zurückkehre, ist für uns alle eine Belastung. Aber noch eine größere Bürde lastet auf mir, da ich fürchte, sie könnten bei meiner Rückkehr nicht hier sein.“ Aber Elizabeth blieb an seiner Seite. Auch nach seinem Tod.

Zusammengerechnet verbrachten sie nur vier Jahre gemeinsam – vier von gut 14 Jahren Ehe, für die sich niemand richtig interessierte. Bis sich vor wenigen Jahren der Lokalhistoriker Herbert Hope Lockwood, Präsident der Barking & District Historical Society, endlich fragte, woher diese Elizabeth Batts eigentlich kam, die 1762 in der Kirche St. Margaret’s in Barking einen gewissen James Cook heiratete. Das Ergebnis seiner Spurensuche: Elizabeth Batts wächst im Pub „The Bell“ des Vaters auf, in den Londoner Docklands. Der Vater stirbt kurz nach ihrer Geburt – der erste Mann, der sie nur in ihrer Fantasie begleiten wird. Die Mutter übernimmt die Gastwirtschaft und schickt das kleine Mädchen zu einer befreundeten Quäkerfamilie nach Barking. Vielleicht ist es die religiöse Erziehung der Quäker, die Elizabeth später den nötigen Halt gibt, um zu überleben. Auch wenn sie Gründe genug haben wird, den Allmächtigen zu verfluchen.

Elizabeth trifft James vermutlich im „Bell“, der dort übernachtet, als er noch Kohle von Newcastle nach London verschifft. Als sie heiraten, ist Elizabeth 21 Jahre alt, 13 Jahre jünger als ihr Bräutigam. Und dann? Beginnt das Warten. Sechs Kinder bringt Elizabeth zur Welt. Mit schöner Regelmäßigkeit ist sie schwanger, wenn Cook Segel setzen lässt. Nach jeder der drei Reisen, die Cook unternimmt, um die fremden Küsten zu kartografieren, erwartet ihn ein weiteres Kind in dem Haus am Londoner Stadtrand: erst James, dann Nathaniel, schließlich Eliza. Joseph und George wird er nie sehen, sie sterben noch als Neugeborene, die vierjährige Eliza erliegt der Wassersucht, während ihr Vater Australien, Neuseeland und Tahiti erkundet.

In einem Tagebucheintrag nach seiner Rückkehr bedauert Cook, dass er nicht zu Hause war, „um meine Frau in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen“. Aber der Kapitän ist schon wieder auf dem Sprung. „Unglücklicherweise habe ich keine Zeit zu trauern. Ich muss sortieren, packen …“ Er plant bereits die zweite Fahrt in die Südsee.


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mare No. 55

No. 55April / Mai 2006

Von Kirsten Wulf

Die Journalistin Kirsten Wulf lebt im süditalienischen Lecce. Für mare schrieb sie zuletzt in Heft 21 über das Lissabonner Seefahrerkloster Jerónimos.

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Vita Die Journalistin Kirsten Wulf lebt im süditalienischen Lecce. Für mare schrieb sie zuletzt in Heft 21 über das Lissabonner Seefahrerkloster Jerónimos.
Person Von Kirsten Wulf
Vita Die Journalistin Kirsten Wulf lebt im süditalienischen Lecce. Für mare schrieb sie zuletzt in Heft 21 über das Lissabonner Seefahrerkloster Jerónimos.
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